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Auch Erdogan mahnen

16. Juli 2016

Die Bundesregierung hat den Putschversuch in der Türkei verurteilt. Aber klar ist: Die Entwicklung im Land am Bosporus wird die beiderseitigen Beziehungen noch komplizierter machen, meint Christoph Strack.

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Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan (Archivbild)
Bild: picture-alliance/AP Photo/B. Ozbilici

Mit Sorge schaut die deutsche Politik auf die dramatische Entwicklung in der Türkei. Rasch äußerte die Bundesregierung die Notwendigkeit, dass die demokratische Ordnung im Land zu respektieren sei. Der Regierungssprecher (da war die Eskalation noch im vollen Gange), der Außenminister, sein Kollege im Justizressort, die Bundeskanzlerin. Eins gilt: Wenn sie "alle Beteiligten" mahnen, demokratische Institutionen der Türkei zu respektieren und die verfassungsmäßige Ordnung zu achten, klingt da mehr als nachdrücklich die Mahnung an die Führung in Ankara durch.

Das deutsch-türkische Verhältnis zeigt sich heute anders als beim letzten Militärputsch 1980. Damals war Ankara für die deutsche Politik kaum von Bedeutung. Die Türkei war zwar Mitglied des Europarats, aber für Europa doch weit entfernt. Und heute? Gut 35 Jahre später, nach einem ewigen Auf und meist Ab bei der Frage einer türkischen EU-Mitgliedschaft? Deutschland und die Türkei sind in vielen Dingen aufeinander angewiesen. Knapp drei Millionen Menschen türkischer Herkunft leben in Deutschland. Deutschland ist seinerseits wichtigster Handelspartner der Türkei. Ankara ist (schwieriger) Partner im Kampf gegen den Terror des "Islamischen Staates", wichtiger Partner bei der Bewältigung der Flüchtlingsfrage. Aktuell geht es um Reiseerleichterungen für Türken durch die Aufhebung der Visa-Pflicht in der EU... Von der Türkei hängt so vieles ab für die EU und Angela Merkel, die die Flüchtlingskrise des vergangenen Jahres auch mit dem Mitte März geschlossenen Rückführungsabkommen von EU und Türkei bewältigen will.

Ein Blick in den Kalender der Kanzlerin zeigt die Bedeutung Ankaras: Fünf Mal war sie seit Oktober 2015 in der Türkei, bereits drei Mal in diesem Jahr. Im Januar gab es die ersten deutsch-türkischen Regierungskonsultationen in Berlin - ein Format, das gerne dann gewählt wird, wenn etwas demonstrativ als stabil verkauft werden soll. Auf der anderen Seite: Es bleiben die andauernden schweren Mängel an Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei. Und da ist noch ein Name, der für die Anspannung im beiderseitigen Verhältnis steht: Jan Böhmermann. Der Satiriker widmete Ende März sein im Fernsehen vorgetragenes Werk "Schmähkritik“ Präsident Erdogan. Derzeit geht der übel Geschmähte gegen Böhmermann juristisch vor. Ende offen.

Christoph Strack ist Korrespondent im Hauptstadtstudio
Christoph Strack, Korrespondent im DW-HauptstadtstudioBild: DW

Der Name

Nun der Putschversuch. Merkel äußerte sich nach ihrem langen Rückflug aus der Mongolei nach Berlin in einem gut dreiminütigen Statement. "Deutschland steht an der Seite all derjenigen in der Türkei, die die Demokratie und den Rechtsstaat verteidigen…" Auf die Bedeutung freier Wahlen verwies sie, auf das Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie, deren Regeln. Der Name Erdogan fiel dabei nicht. Er tauchte übrigens auch nicht auf in den schriftlichen Statements der Minister. Die Nennung bleibt vorerst die Rolle der Opposition in Deutschland. Wie lange?

Die deutsche Besorgnis gilt der Demokratie in der Türkei, nicht nur in der Nacht des Putsches. Die so rasche Entlassung von knapp 3000 Richtern - der Schritt wurde nach Steinmeiers Statement und vor Merkels Auftritt bekannt - bestätigt diese Sorge. Deutschland sollte nun auch Erdogan mahnen.

Die komplizierten Beziehungen zwischen Berlin und Ankara haben seit langem etwas von einer Tragik. Diese Tragik ist nun noch größer geworden.


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