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Alte Themen und neue Stilblüten bei der Putin-Show

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Juri Rescheto
17. Dezember 2015

Alle Jahre wieder stellt sich Russlands Präsident Putin Hunderten Journalisten bei seiner Jahres-Pressekonferenz. 2015 war es eine Beruhigungstherapie mit ein paar Kraftausdrücken, meint Juri Rescheto.

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Russland Jahrespressekonferenz Präsident Wladimir Putin
Bild: Reuters/S. Karpukhin

"Putin-Bingo 2015" heißt das lustige Spiel, das ich mir mit meinen Kollegen aus dem Netz heruntergeladen habe. 25 häufig verwendete Ausdrücke des russischen Präsidenten zum Ankreuzen. Darunter die Top drei: "schwere Zeiten", "unsere Partner sind nicht scharfsichtig genug" und "das werde ich persönlich kontrollieren".

Alles schlimmer als im vergangenen Jahr

Auch in diesem Jahr kam eine Anekdote gleich zu Beginn. Der russische Präsident ist dafür bekannt, wichtige, aber unangenehme Botschaften in verschrobene Fabeln, Sprichwörter oder Gleichnisse zu verpacken. Es ging um die Wirtschaft und Putins Einschätzung der Lage. "Vergangenes Jahr dachten wir", sagte sinngemäß der Präsident, "wir erleben gerade schlimme Zeiten. Dieses Jahr wissen wir, das waren noch gute Zeiten." Soll heißen: "schlimmer geht nimmer" ist gerade jetzt! Das war im Grunde Putins ehrlichste Antwort in der ganzen Drei-Stunden-Show. Was danach kam, war nur noch reine Beruhigung.

Zahlen und Statistiken zum russischen Bruttoinlandsprodukt, die Putin fast eine halbe Stunde lang vortrug, sollten belegen, dass die Lage doch nicht ganz so schlimm sei. Gleiches galt für alle innenpolitischen Themen - von der Auszahlung der Renten bis hin zum Korruptionsskandal um den Generalstaatsanwalt und zum Mordfall Nemzow: die Behörden würden alles ganz genau untersuchen, man wolle sich nicht auf Spekulationen einlassen. Danke übrigens für Ihre gute Frage! Ein Ritual, das die Sorge zum Ausdruck bringt, der Einfluss der staatstreuen Medien könne beim Manipulieren der öffentlichen Meinung bald doch nicht mehr ausreichen und die Lage im Land außer Kontrolle geraten. Darum lieber beruhigen, hier und jetzt.

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Juri Rescheto leitet das Studio Moskau der DW

Aggressiv gegenüber der Türkei, entspannt zu den USA

Putins Reaktion auf gleich vier Fragen zur Türkei ("Dolchstoß in den Rücken" aus unserem Bingo-Spiel) zeigte, dass der Kreml seine Macht auch weiterhin militärisch-patriotisch legitimieren will und sein System im Verteidigungsmodus bestens funktioniert. Man wolle nicht mit der gegenwärtigen Staatsführung der Türkei zusammen arbeiten. Putins "ich sehe keine Perspektive" (Bingo!) heißt, der Konflikt wird lange dauern. Und: Sollte die Türkei den USA "bestimmte Körperteile lecken" wollen... Hoppla! Ein Staatsmann sagt so etwas nicht. Putin schon. Allerdings wisse er nicht, ob die USA das wirklich bräuchten.

Apropos USA: Auffällig zurückhaltend war der Kremlchef bei seiner Kritik diesmal. Das war die Fortsetzung seiner neuen Rhetorik gegenüber Washington seit seiner Rede an die Nation vor zwei Wochen. Er sei mit Obama einig. Man wolle in der Syrienfrage zusammenarbeiten, vor allem an einer politischen Lösung. Der einzige Haken: Präsident Assad. Bei Putin hieß es heute immerhin: Man wolle dem syrischen Volk "seinen Willen nicht aufzwingen".

Nach drei Stunden rief einer der Kollegen "Bingo!" Die alten Floskeln waren aufgebraucht. Ein paar neue kamen dazu. Wladimir Putin blieb sich treu. Das war´s.

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Juri Rescheto Chef des DW-Büros Riga