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1:0 für Tibet

24. November 2017

Wegen des Protests einiger Tibet-Aktivisten kommt es zwischen DFB und Chinas Führung zur diplomatischen Krise. Das Verhalten der Chinesen zeigt, dass die Kooperation mit ihnen ein Fehler war, meint Andreas Sten-Ziemons.

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Fussball TSV Schott Mainz - U20 China - Protest gegen die chinesiche Tibet-Politik
Bild: picture alliance/dpa/H. Bratic

Herzlichen Glückwunsch! Offenbar ist es möglich, mit gerade einmal sechs Demonstranten und vier bis fünf Fahnen eine ganze Großmacht in die Flucht zu schlagen. Die Pro-Tibet-Demonstration beim ersten Auftritt der chinesischen U20 gegen den Fußball-Regionallisten TSV Schott Mainz am vergangenen Samstag, der dadurch im Stadion ausgelöste Eklat, die anschließende Debatte und die Ankündigung neuer Proteste für diesen Samstag beim zweiten Testspiel beim FSV Frankfurt haben dazu geführt, dass China plötzlich keine Lust mehr hat, sein Olympiateam in Deutschland antreten zu lassen. Zuvor hatte sich Chinas Außenministerium zu Wort gemeldet und den DFB der Unterstützung von "separatistischen, anti-chinesischen und terroristischen Aktivitäten" bezichtigt, sollte er das Aufhängen der tibetischen Fahnen nicht unterbinden.

Es passt ins Bild, dass Chinas Führung mit Meinungsfreiheit - auf die sich der DFB beruft - nichts anfangen kann. Das Angebot der Deutschen Welle, die unter anderem auch auf Chinesisch berichtet, ist im Reich der Mitte nicht zugänglich, weil die Regierung es seit 2008 permanent sperrt. Die Deutsche-Welle-Mitarbeiterin Gao Yu brummt derzeit einen fünfjährigen Hausarrest ab, weil sie angeblich ein internes Regierungsdokument an ausländische Medien weitergegeben haben soll. In dem Dokument ging es darum, wie die chinesische Regierung künftig gegen Presse- und Meinungsfreiheit vorgehen wollte (!).

Man sollte nicht vergessen: China ist im Jahr 1950 mit seiner "Volksbefreiungsarmee" gewaltsam in Tibet einmarschiert, hat den Dalai Lama vertrieben, buddhistische Klöster verwüstet und Mönche getötet. Seitdem ist Tibet besetzt. Es wurde als so genannte "autonome Region" dem chinesischen Staatsgebiet angeschlossen, und dank der chinesischen Umsiedlungspolitik sind die Tibeter in ihrem eigenen Land mittlerweile in der Minderheit.

SAP als Triebfeder

Sten Ziemons Andreas Kommentarbild App
Andreas Sten-Ziemons

Warum, lieber DFB, arbeitet ihr mit solchen Leuten eigentlich zusammen? Die Antwort ist relativ einfach: Es geht um Geld. Chinas Staatspräsident Xi Jinping ist ein Fußballfan und möchte seine Nationalmannschaft verbessern. Was läge näher, als mit einem der erfolgreichsten Verbände der Welt zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig ist China für Deutschlands Wirtschaft ein wichtiger Handelspartner. Vereinfacht formuliert tauscht Deutschland Fußball-Know-how gegen Wirtschaftsverträge.

Tief drin im Deal steckt die Firma SAP, die ihren Sitz im Südwesten Deutschlands hat und der mit der TSG Hoffenheim II und Astoria Walldorf gleich zwei Klubs in der Regionalliga Südwest "gehören". Deswegen spielen die Chinesen auch nicht in der Regionalliga West oder der Bayern-Liga. SAP verkauft im Gegenzug Software an den chinesischen Verband, mit deren Hilfe die Spiele der chinesischen Nationalmannschaften analysiert werden. Man kennt sich, man hilft sich.

Offiziell lautet die Begründung des DFB selbstverständlich, man agiere hier im Sinne des Sports. Beide Seiten würden profitieren. Was die Regionalligisten allerdings sportlich davon haben, gegen eine Truppe anzutreten, die allenfalls Landesliga-Niveau besitzt, bleibt offen.

Peinlich, peinlicher, Gipfel der Peinlichkeit

Deutschland Berlin Reinhard Grindel und Xi Jinping
DFB-Präsident Grindel (l.) und Staatspräsident Xi (r.)Bild: Getty Images/Bongarts/M. Kern

Wie die Testspiel-Serie zustande gekommen ist, ist peinlich, auf welche Art und Weise sie jetzt abgebrochen wird, noch peinlicher. Für die Chinesen und den DFB. Hoffen wir, dass sie im Januar nicht wieder aufgenommen wird. Denn - das dürfte wohl klar sein - auch dann werden wieder Tibet-Fahnen zu sehen sein. Und dann müssten der DFB und vielleicht sogar die Bundesregierung klar Stellung beziehen. Und dann wäre man gezwungen, entweder die chinesischen Partner zu brüskieren oder sich offen gegen das Zeigen von tibetischen Fahnen zu positionieren. Das wäre dann der Gipfel der Peinlichkeit.

Wobei die chinesische Führung im Grunde sogar recht hat: Politischer Protest ist in deutschen Fußballstadien verboten. Die DFB-Stadionordnung besagt, dass "politische und religiöse Gegenstände  aller  Art, einschließlich Banner, Schilder, Symbole und Flugblätter" nicht mitgeführt werden dürfen. Sport und Politik sollen nicht vermischt werden.

Allerdings: Mit Sport beziehungsweise mit Fußball haben die Auftritte der chinesischen U20-Mannschaft ja auch nichts zu tun - nicht nur wegen der fehlenden fußballerischen Klasse der chinesischen Nachwuchskicker. Das ist kein Sport, sondern eine PR-Veranstaltung - da geht es nur um Geld und Politik.

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