Kolumbien: Mit GIFs und Memes gegen Manipulation im Wahlkampf | Lateinamerika | DW | 29.08.2018
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Lateinamerika

Kolumbien: Mit GIFs und Memes gegen Manipulation im Wahlkampf

2018 fanden in Kolumbien Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Das Land ist tief gespalten, im Wahlkampf zirkulierten viele Falschmeldungen. Erstmals gibt es ein digitales Medium spezialisiert auf Fact Checking.

Colombiacheck ist ein bisher einzigartiges digitales Rechercheprojekt in Kolumbien. Hier nehmen die Journalistinnen und Journalisten die Wahlkampffinanzierung unter die Lupe. Screenshot der Webseite www.colombiacheck.com.

"Colombiacheck" ist ein bisher einzigartiges digitales Rechercheprojekt in Kolumbien. Hier nehmen die Journalistinnen und Journalisten unter anderem die Wahlkampffinanzierung unter die Lupe.

2018 war in Kolumbien ein Wahljahr: Im März stimmten die Wahlberechtigten über ein neues Parlament ab, im Mai fand die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt und im Juni 2018 ging es in die Stichwahl. Es waren die ersten landesweiten Wahlen seit dem Friedensvertrag mit der FARC.

Bei beiden Abstimmungen gewannen Politiker und Parteien des Mitte-Rechts-Spektrums – jedoch nicht überdeutlich. Bei der Wahl zum Präsidenten setzte sich letzten Endes der rechtpopulistische Kandidat und Gegner des Friedensabkommens Iván Duque Márquez vom Centro Democrático durch. Sein Gegenkandidat, Gustavo Petro von der linken Bewegung Colombia Humana, erzielte mit mehr als vierzig Prozent der Stimmen jedoch ein unerwartet starkes Ergebnis. Es wurde deutlich: Das Land ist gespalten, vor allem mit Blick auf den Friedensprozess.  

Die Journalistin Sania Salazar hat für Colombiacheck gearbeitet.

Die Journalistin Sania Salazar hat für "Colombiacheck" gearbeitet.

Fakten-Checks in einer aufgeheizten Stimmung

In der aufgeheizten Stimmung des Wahlkampfs wurden viele manipulative und falsche Meldungen verbreitet, auch durch die Parteien selbst. Das Journalistennetzwerk Consejo de Redacción (CdR) startete mit Unterstützung der DW Akademie ein Projekt zum Faktencheck im Wahlkampf: Journalistinnen und Journalisten bildeten Studierende im Fact Checking aus, ein 15-köpfiges Team nahm die Aussagen der Kandidaten genau unter die Lupe.

Welche Geschichten sind vor der Präsidentschaftswahl in Kolumbien kursiert? Und wie konnten Reporterinnen und Reporter sie überprüfen? Zwei Journalistinnen und eine studentische Mitarbeiterin von Colombiacheck erzählen.

Was bedeutet es für Politiker – und für das Volk –, dass Journalisten ihre Aussagen überprüfen, insbesondere während des Wahlkampfes?

Sania Salazar, Journalistin bei Consejo de Redacción: "Viele Politiker erinnert allein die Tatsache, dass Medien jetzt ihre Aussagen überprüfen daran, dass sie eine Verantwortung für ihre Worte haben. Für die Menschen bedeutet es, dass sie ihre Entscheidungen auf Basis von verifizierten Informationen treffen können."

Dora Montero, Leiterin von Consejo de Redacción, legt Wert auf Fact Checking nach internationalen Standards.

Dora Montero, Leiterin von Consejo de Redacción, legt Wert auf Fact Checking nach internationalen Standards.

Die Aktivistinnen und Aktivisten von Colombiacheck wollen den Preis für das Verbreiten von falschen Aussagen erhöhen und so den Wert des öffentlichen Diskurses stärken. Sie überprüfen alle Aussagen anhand von verschiedenen unabhängigen Quellen und ordnen sie auf einer Skala von "wahr" über "leicht/ stark übertrieben", "verknappt" und "irreführend" zu "falsch" ein.

Dora Montero, Leiterin von Consejo de Redacción: "Die Methodik entspricht internationalen Standards. Wenn ein Staatsbediensteter eine Rede hält, überprüfen wir anhand stichfester Fakten, ob seine Aussagen wahr, falsch oder verknappt sind."

Soziale Medien: wichtigster Kanal für Falschmeldungen – und für die Gegendarstellung

Die Ergebnisse veröffentlichen sie auf ihrer Website und in den in Kolumbien stark genutzten Sozialen Medien. Das Team setzt dabei auch auf für Journalisten ungewöhnliche Formate.

Studentin Daniela Ramírez wollte die kolumbianischen Wählerinnen und Wähler dort erreichen, wo sie den meisten Falschmeldungen begegnen: auf Social Media und in privaten Chats.

Studentin Daniela Ramírez wollte die kolumbianischen Wählerinnen und Wähler dort erreichen, wo sie den meisten Falschmeldungen begegnen: auf Social Media und in privaten Chats.

Daniela Ramírez, Studentin: "Memes oder GIFs sind einfache und effektive Mittel, um Menschen zu erreichen. Sie sprechen auch Menschen an, die es nicht gewohnt oder es nicht mögen, einen 15-zeiligen Absatz zu lesen. Ein Bild oder ein kurzes Video dagegen wird sie interessieren."

So zeigten retuschierte Fotos bekannte Mitglieder der FARC in T-Shirts mit dem Logo der Wahlkampagne von Gustavo Petro und stellten so auf irreführende Weise eine Verbindung zwischen der ehemaligen Guerilla und dem linken Präsidentschaftskandidaten her. Sie wurden tausendfach in WhatsApp-Gruppen geteilt und weitergeleitet. Colombiacheck bauten ein eigenes Meme, in dem sie die Fälschung aufdeckten.

Die technische Qualität der Falschmeldungen war oft sehr hoch. Ein vielfach geklicktes Video, welches den offiziellen Spots der Wahlkampagne von Iván Duque täuschend ähnlich sah, verbreitete die Botschaft: Wer bereits beim ersten Wahlgang für den Kandidaten gestimmt habe, müsse nicht mehr zur Stichwahl gehen – die Stimme würde automatisch ein zweites Mal gezählt.

Ebenfalls in Sozialen Medien machte ein Foto mit dem Logo eines bekannten Radiosenders die Runde: Der Kandidat Petro wurde fälschlich zitiert, er wolle den äußerst beliebten Karneval in Barranquilla abschaffen. Das Foto wurde verbreitet, nachdem Gustavo Petro dem Sender tatsächlich ein Interview gegeben hatte.

Auch eine Frage im Check: Stehen die Kandidaten zu ihren Aussagen?

Es ist das erste Mal, dass es eine solche Form von Berichterstattung in Kolumbien gibt. Die Parlamentswahl im März war das Testlabor für die Journalisten von Colombiacheck. Sie stellten fest, dass nur 30% der verbreiteten falschen Informationen sie überhaupt erreichten und von ihnen überprüft werden konnten und veränderten ihr Vorgehen:

Dora Montero: "Vor dem zweiten Wahlgang haben wir die Äußerungen der Kandidaten mit ihren Meinungen vor der ersten Runde verglichen. Wir wollten feststellen, ob sie bei ihren Einstellungen geblieben sind."

Nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wollen die Aktivistinnen und Aktivisten von Colombiacheck das Projekt ausweiten und auch bei den kommenden Kommunalwahlen aktiv werden.

Das Friedensabkommen mit den FARC wird Kolumbien weiter beschäftigen – auch als Wahlkampfthema bei den anstehenden Kommunalwahlen. Hier demonstrieren Menschen in Bogotá für das Friedensabkommen (Archivbild).

Das Friedensabkommen mit den FARC wird Kolumbien weiter beschäftigen – auch als Wahlkampfthema bei den anstehenden Kommunalwahlen. Hier demonstrieren Menschen in Bogotá für das Abkommen (Archiv).

Dora Montero: "Was auf dem Land geschieht ist nicht unbedingt vergleichbar mit Bogotá. Angesichts der Kommunalwahlen nehmen wir die Regionen in den Blick, um zu wissen, wie dort die Situation in Bezug auf Korruption und öffentliche Ordnung ist."

Was wünscht sich das Team von Colmbiacheck von den Journalisten des Landes?

Daniela Ramírez: "Die Journalisten müssen näher ran an ihre Quellen und hinaus auf die Straßen. Sie sollen ein Gespür für die Gefühle der Menschen bekommen."

Generell sollte Fact Checking eine größere Rolle in Kolumbien spielen, so Sania Salazar. Für sie geht es um nicht weniger als die Zukunft des Journalismus.

Sania Salazar: "Angesichts der Flut von falschen Informationen ist die strenge Prüfung das Einzige, was den Journalismus retten wird, damit Menschen wieder Vertrauen in die Medien erlangen."

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