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Kokosnüsse für Guantanamo

Kersten Knipp26. Juli 2015

US-Präsident Obama will das US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba noch während seiner Amtszeit schließen. Ginge es nach den Kubanern, bekämen sie Guantanamo ganz zurück. Doch der US-Kongress sperrt sich gegen beides.

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Das Gebäude des Militärtribunals in Guantanamo, 16.7. 2009 (Foto: AP)
Bild: AP

Was hätten die Kubaner nicht alles zu bieten! Ananas, Kokosnüsse, Orangen und Bananen, dazu Kartoffeln, Salate und knackige Tomaten. Alles frisch, alles in bester Qualität. Obst und Gemüse aus der Nachbarschaft statt alle drei Wochen von einem Transporter quer über das Karibische Meer herbeigeschafft.

Kein Zweifel: Kulinarisch wäre das Ende des Streits um Guantanamo eine echte Bereicherung für das Personal des US-Marinestützpunktes auf Kuba. Schade nur, dass das Ende sich noch etwas hinziehen könnte. Im Normalisierungsprozess zwischen Kuba und den USA ist Guantanamo eine der harten Nüsse. Es könnten zwei Jahre, aber auch 20 werden, schätzt Kelly Wirfel, die Pressesprecherin der Militärbasis im Gespräch mit der spanischen Zeitung "El País".

Kurz nach Kubas Unabhängigkeit von Spanien 1898 sicherten sich die Amerikaner die Rechte für den Militärstützpunkt ganz im Osten der Insel. Inzwischen befindet er sich seit 112 Jahren in ihren Händen. "Mindestens die Hälfte dieser Zeit war die Basis in Kuba nicht willkommen", berichtet die nicht-staatliche Online-Zeitung "Havana Times". Dies aber nicht wegen der lächerlich geringen Pacht von knapp 4000 Dollar jährlich - verlässlich bezahlt per Scheck, den Revolutionsführer Fidel Castro aus Protest allerdings nicht einlöst. Sondern weil die USA nach Einschätzung der Kubaner kein Recht auf weitere Nutzung der Basis haben.

Feiern zum 161. Geburstags des kubanischen Unabhängigkeitskämpfer José Marti in Havana, 27.01.2014 (Foto: Reuters)
Kubaner feiern den 161. Geburtstag des kubanischen Unabhängigkeitshelden José Marti in HavanaBild: Reuters

Das Lager und die Laster

Die Nutzung der Bucht war den Amerikanern 1903 zwar vertraglich zugestanden worden - "zum Schutz der kubanischen Unabhängigkeit", wie es in dem damals unterzeichneten Vertrag heißt. Aber das sei lange her, werfen die kubanischen Kritiker ein. Die kubanische Zeitung "Escambray" etwa erinnert an die Laster, die die Militärbasis der Insel beschert habe: Vor der Revolution habe es rund um das Lager Schmuggel, Drogenhandel und Glücksspiel gegeben. Insgesamt 27 Bordelle habe man damals gezählt, berichtet die Staats-Zeitung unter Berufung auf kubanische Lokalhistoriker.

Vor allem aber, erklären zeitgenössische Gegner des Marinestützpunktes, erfüllten die Amerikaner den damals unterzeichneten Vertrag heute nicht mehr. Vorgesehen sei gewesen, dass die Bucht als Hafen dienen sollte. Von einem Gefängnis sei niemals die Rede gewesen.

Wohin mit den Insassen?

Doch genau das befindet sich seit 2002 auf der Militär-Basis. 116 verurteilte und mutmaßliche Terroristen sitzen derzeit in Guantanamo ein. Gerade erst hat US-Präsident Barack Obama sein Wahlkampf-Versprechen noch einmal bekräftigt, dass er das Lager möglichst noch in seiner Amtszeit schließen will. Doch er hat erhebliche Schwierigkeiten, dieses Anliegen umzusetzen. Der republikanisch dominierte Kongress stemmt sich mit Händen und Füßen dagegen. Zwar gehe nach Einschätzung der Behörden von 52 Insassen des Lagers keine Gefahr mehr aus - die meisten von ihnen sitzen dort ohne rechtskräftiges Urteil ein, seit das Gefängnis eingerichtet wurde.

Blick in eine Zelle, 4.6. 2015 (Foto: Gero Schliess)
Blick in eine Zelle des Gefängnisses in GuantanamoBild: DW/G.Schliess

Rund 30 Inhaftierte gelten jedoch als hoch gefährlich, weitere 23 müssen mit einer Anklage rechnen. Der Vorschlag, sie in eine Haftanstalt in die USA zu bringen, stößt insbesondere bei den Republikanern auf Ablehnung. Die USA seien im September 2001 tödlich verwundet worden. Dschihadisten wolle man darum nicht entgegenkommen.

Der Terror des "Islamistischen Staats" (IS) in Syrien und im Irak hat diese Position nicht gerade geschwächt. Bereits im vergangenen Herbst hatte der republikanische Präsident des Abgeordnetenhauses, John Boehner, der Regierung Obama vorgeworfen, sie setze mit ihren Plänen zu Guantanamo die Sicherheit der USA aufs Spiel - "während islamistische Dschihadisten Amerikaner enthaupten."

Hochzeitsgrüße aus Uruguay

Zwar suchen die USA derzeit Staaten, die Häftlinge aufnehmen - bislang allerdings vergeblich. "Warum spricht man nicht die kubanische Regierung darauf an, Gefangene aus Guantanamo aufzunehmen?", greift die Havana Times einen Vorschlag des kubanischen Bloggers Circles Robinson auf.

Die Regierung in Havanna hat auf den Vorschlag bislang noch nicht reagiert. Mut machen könnte ihr eine Nachricht aus Urugay. Zwei ehemalige Guantanamo-Häftlinge hatten dort Asyl gefunden und sich offenbar eingelebt. Anfang Juni heirateten die beiden in einer gemeinsamen Zeremonie zwei Uruguayerinnen.

Der Ex-Guantanamo-Häftling Abdul Bin Mohammed in Uruguay mit seiner Frau, 05.06.2015 (Foto: Reuters)
Frisch verheiratet: Der Ex-Guantanamo-Häftling Abdul Bin Mohammed in Uruguay mit seiner FrauBild: Reuters

Das Tauwetter zwischen den USA und Kuba wird auch die Zukunft Guantanamos beeinflussen. "Es ist an der Zeit, dass die USA einen Terminplan entwerfen, um den Kubanern dieses Stück Land zurückzugeben", fordert die Havana Times.

Doch bisher steht selbst die Schließung des Gefangenenlagers in den Sternen. Zwar befürworte selbst der Leiter der Haftanstalt langfristig die Schließung, berichtet El País. Derzeit aber lässt er Reparaturarbeiten durchführen, um seine weitere Funktionsfähigkeit zu gewährleisten - "auf unbestimmte Zeit". Eine womöglich vielsagende Andeutung in einer Zeit, da sich die USA durch die Kämpfe gegen den IS immer noch in Auseinandersetzung mit dem Terrorismus sehen. Was eigentlich, wenn sie in diesem Kampf Gefangene machen?