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Streit über Rüstungsexporte

Sven Pöhle28. Juli 2014

Mehr Zurückhaltung bei Rüstungsexporten will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel walten lassen. In der Regierungskoalition ist sein Kurs umstritten. Die Rüstungsindustrie befürchtet deutliche Einbußen.

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Horst Seehofer, Angela Merkel und Sigmar Gabriel stehen am 16.12.2013 im Paul-Löbe-Haus des Bundestages in Berlin nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages der neuen Großen Koalition. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Es war ein deutlicher Wink in Richtung Koalitionspartner. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sei der "felsenfesten Auffassung, dass Rüstungsexportpolitik kein Instrument der Wirtschaftspolitik sein darf", sagte sein Sprecher Tobias Dünow am Montag (28.07.2014). Er bezog sich damit auf Kritik aus den Reihen von CDU und CSU am Vizekanzler.

Hintergrund ist die von Gabriel betriebene zurückhaltende Genehmigungspraxis für Rüstungsexporte. CSU-Chef Horst Seehofer hatte den SPD-Vorsitzenden am Wochenende heftig kritisiert. Ohne Konzeption und ohne klaren Kompass führe dieser einen faktischen Stopp von Rüstungsexporten herbei, sagte der bayerische Ministerpräsident der "Welt am Sonntag". Er warf Gabriel vor, die Probleme der Rüstungsindustrie zu verschärfen und forderte, auch Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen zu berücksichtigen.

"Was wir machen wollen, ist nichts anderes, als ein Exportregime zu installieren, das sich wieder stärker an die einschlägigen Grundsätze der Bundesregierung für den Rüstungsexport hält", konterte Gabriel im ARD-Interview. Dort ist ebenso wie im Koalitionsvertrag festgehalten, dass beschäftigungspolitische Gründe - also ein möglicher Abbau von Arbeitsplätzen - keine ausschlaggebende Rolle bei der Ausfuhr von Kriegswaffen und Rüstungsgütern spielen dürfen.

Druckmittel Arbeitsplätze

Bei der deutschen Rüstungsindustrie sorgt Gabriels Kurs für Sorgenfalten, man befürchtet Einbußen. Viele EU-und NATO-Länder kämpfen mit sinkenden Verteidigungsausgaben. Ihren geringer gewordenen Bedarf bedienen sie in den meisten Fällen aus der heimischen Rüstungsindustrie. Der Export in Staaten außerhalb der EU und der NATO, sogenannte Drittländer, generiert daher einen wesentlichen Teil des Einkommens vieler Rüstungsunternehmen. Mehr als 60 Prozent der militärischen Ausfuhren im Jahr 2013 gingen an Drittländer wie Saudi-Arabien, Indonesien oder Algerien. Lieferungen dorthin sind allerdings umstritten, denn die Ausfuhr von Kriegswaffen in Krisengebiete oder an Staaten, die damit ihre eigene Bevölkerung unterdrücken könnten, ist verboten. Und in vielen Drittstaaten ist das nach Ansicht von Kritikern der Fall.

Per Handschlag besiegelten Gabriel und Seehofer am 27. November 2013 den Koalitionsvertrag (Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch)
Per Handschlag besiegelten Gabriel und Seehofer den KoalitionsvertragBild: Reuters

In diese Länder dürfe gar nicht exportiert werden, sagt Gabriel. "Es sei denn, die besonderen deutschen Sicherheitsinteressen ermöglichen eine Ausnahme. In der Vergangenheit haben CDU/CSU und FDP aus der Ausnahme allerdings eine Regel gemacht."

Bedenken bei Union

Sollten große Teile des Exports an Drittstaaten nun ausfallen, würde dies auch die Beschäftigten der Rüstungsindustrie treffen. Kritiker von Gabriels Kurs führen immer wieder die Sorge um Arbeitsplätze in Deutschland an. Zu ihnen gehört auch Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU): "Wenn wir selbst keine Systeme mehr entwickeln, aber auch den Export komplett einschränken, dann wird das zum Arbeitsplatzverlust führen. Das hat in Bayern sehr große Bedeutung", sagt Aigner. Dort sitzen viele Firmen, die direkt oder indirekt Kriegswaffen oder Rüstungsgüter produzieren, beispielsweise bestimmte Sparten von Kraus-Maffei-Wegman (KMW), Airbus oder Diehl.

Auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, äußert Bedenken. Er sorge sich um die rund 200.000 Arbeitsplätze, die direkt oder indirekt mit Rüstungsgeschäften zusammenhängen, sagte Fuchs im Interview mit dem Deutschlandfunk. Er warf Gabriel zudem vor, Exportanträge von Rüstungsfirmen auf die lange Bank zu schieben.

Branchenkreise berichten, dass sich im Wirtschaftsministerium viele nicht bearbeitete Exportanträge für Munition, Panzer und Waffen stapeln. Bei allen soll es um direkte oder indirekte Lieferungen an Drittstaaten gehen. Gabriels Sprecher Dünow wies den Vorwurf zurück: "Die Stapel sind nicht höher, als sie in der Vergangenheit waren". Er habe keine Hinweise, dass Unternehmen der Genehmigungsprozess zu lange dauere. Es sei aber politisch sinnvoll, so Dünow, Anträge sehr genau zu prüfen, damit man sich nicht der Kritik mangelnder Sorgfalt aussetze.

Richtlinien und Altlasten

Die Opposition kritisiert Anspruch und Realität von Gabriels Kurs. Alexander Neu, Obmann der Linkspartei im Verteidigungsausschuss, hält das Vorhaben des Wirtschaftsministers für nicht glaubwürdig. "In der Realpolitik spielen bei der Entscheidung zu diesen Exporten ausschließlich strategische und ökonomische Interessen eine Rolle", kritisiert Neu, dessen Partei Waffenexporte grundsätzlich ablehnt. Die Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungsland, der in den Exportrichtlinien ein besonderes Gewicht beigemessen wird, werde hingegen als Einschränkung von Waffenexporten nicht konsequent umgesetzt, sagt Neu. Dies würden beispielsweise Rüstungsexporte in die Golfmonarchien zeigen.

Die Verantwortung für derartige Geschäfte liege bei der Vorgängerregierung, sagt Wirtschaftsminister Gabriel. Er betonte zuletzt mehrfach, dass es auch in den nächsten Jahren noch zu Exporten kommen werde, die bereits vor Jahren genehmigt wurden. Diese könne er nicht rückgängig machen.

In einem prominenten Fall hat sich die Bundesregierung allerdings gegen die Erfüllung eines solchen Vertrages entschieden: Noch ausstehende Teillieferungen für ein von der Firma Rheinmetall an Russland verkauftes Gefechts-Übungszentrum wurden im Einvernehmen mit dem Unternehmen bereits zu Beginn der Ukraine-Krise auf Eis gelegt.