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Häufigere Hitzewellen in Indien vorhergesagt

Ajit Niranjan
24. Mai 2022

Das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas verursacht immer mehr tödliche Hitzewellen in Indien und Pakistan. Studien belegen den Zusammenhang.

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Indien Hitzewelle Arbeiter kühlen sich mit Wasser ab
Kurzfristige Abkühlung bei Arbeitern in der indischen Millionenstadt AhmedabadBild: AMIT DAVE/REUTERS

Wochenlang litt mehr als eine Milliarde Menschen in Indien und Pakistan unter einer brutalen Hitzewelle. Laut Berichten der World Weather Attribution (WWA), einer internationalen Forschungsinitiative, kosteten die Temperaturen von mehr als 40 Grad mindestens 90 Menschen ihr Leben. Vermutlich sind es noch deutlich mehr, da der Anstieg der Übersterblichkeit erst Monate nach einer Katastrophe berechnet werden kann. 

Laut einer aktuellen Studie der World Weather Attribution wäre die Hitzewelle ohne Erderwärmung ein Grad kühler gewesen und 30-mal weniger wahrscheinlich. Vergangene Woche veröffentlichte der Wetterdienst von Großbritannien die Einschätzung, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel die Wahrscheinlichkeit extremer Hitzeereignisse um das Hundertfache erhöht hat.

Die Analysen der Forscher unterstreichen, welche schweren Folgen die Konzentration von CO2 und Methan in der Atmosphäre hat: In Indien löste die Hitze Waldbrände aus, in Pakistan verursachte Schmelzwasser von Gletschern Sturzfluten und in beiden Ländern gab es Stromausfälle. Ein Leben ohne Klimaanlagen wurde unerträglich. Zudem gingen in Indien die Ernteerträge zurück - ausgerechnet während der durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verursachten globalen Weizenkrise.

Infografik Vergleich CO2 und Temperatur 1850-2020

"Mit der künftigen globalen Erwärmung werden Hitzewellen wie diese natürlich häufiger und heißer", sagt Krishna Ahutarao, Atmosphärenwissenschaftler am Indian Institute of Technology Delhi und Mitautor der WWA-Studie.

Wachsender Hunger

Experten warnen vor den Auswirkungen auf Nutzpflanzen und die Welternährung. Laut einem Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) haben Klimakrise, Konflikte, Corona und Wirtschaftskrisen "jahrzehntelange Fortschritte" in Richtung Ernährungssicherheit "untergraben".

Nachdem die Zahl der unterernährten Menschen zuvor jahrzehntelang gesunken war, hatte sie in den 2010er-Jahren ein Plateau erreicht. Im Jahr 2020 dürfte sie wieder stark angestiegen sein.

Frauen ernten mit ihren Händen Weizen in Punjab in Indien
Durch die Hitze ist die Weizenernte in Indien extrem niedrig - der Export von Weizen wurde deshalb verboten Bild: Narinder Nanu/AFP/Getty Images

Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine wurden die internationalen Weizenexporte gestört - beide Staaten waren bis dahin große Getreideexporteure. Anfang Mai verbot Indien, der zweitgrößte Weizenproduzent nach China, seine Ausfuhren, nachdem durch die Hitze Farmen abbrannten und Ernten verwüstet wurden. Schätzungsweise zehn bis 30 Prozent der indischen Weizenernte seien von den Auswirkungen betroffen, sagt Aditi Kapoor, Experte für Risikomanagement beim internationalen Klimazentrum der Hilfsorganisationen Rotes Kreuz und Roter Halbmond und Mitautor der WWA-Studie. "[Zuerst] sind die Bauern betroffen, und wenn dann die Preise steigen, die armen Leute, die die [teureren] Lebensmittel kaufen."

Seit der industriellen Revolution hat die Menschheit riesige Mengen an CO2 und Methan in die Atmosphäre eingeleitet durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas sowie durch das Abholzen von Wäldern und der starken Nutztierhaltung. Diese Gase erzeugen den Treibhauseffekt, die Durchschnittstemperatur auf der Erde wurde erhöht und extreme Hitzeereignisse nehmen zu.

Infografik: Wer ist verantwortlich für die Emissionen in der Atmosphäre mit CO2?

Eine im vergangenen Jahr in der Zeitschrift Energy Research and Social Science veröffentlichte Studie ergab, dass 20 Unternehmen für mehr als ein Drittel der globalen Klimagase zwischen 1965 und 2018 verantwortlich sind. Allein auf die vier größten Energieunternehmen - Chevron, ExxonMobil, BP und Shell - entfielen elf Prozent aller Emissionen. Die Unternehmen reagierten bis zum Redaktionsschluss nicht auf die Bitte einer Stellungnahme.

Anpassung an den Temperaturanstieg

Besonders Menschen, die tagsüber im Freien arbeiten - wie Land- und Bauarbeiter - sind durch Hitzewellen gefährdet, aber auch Senioren und Menschen mit Gesundheitsproblemen. 2010 starben bei einer Hitzewelle in Indien allein in der Stadt Ahmedabad 1344 Menschen. 2015 kamen bei einer Hitzewelle in Pakistan mehr als 1000 Menschen in der Hauptstadt Islamabad ums Leben.

Laut WWA haben 130 indische Städte in den vergangenen fünf Jahren Hitze-Aktionspläne eingeführt. Zu den Präventionsmaßnahmen gehört etwa die frühzeitige Warnung der Bevölkerung aber auch die Einrichtung von sogenannten Kühlzentren, um Menschen mit Schatten und Wasser zu versorgen. 

Dennoch können solche Lösungen nicht unbegrenzt helfen. Viele Menschen in der Landwirtschaft und auf Baustellen können es sich nicht leisten, zu Hause zu bleiben. Ein Bericht des Weltklimarats (IPCC) stellt fest, dass mancherorts bereits die "Grenzen der Anpassung" erreicht sind. Weitere Grenzen werden erreicht, wenn sich der Planet weiter erwärmt.

Projektion Infografik Tage mit tödlicher Hitze im Jahr 2100 ohne Stopp bei 1,5 Grad
Szenario bei anhaltend hohem CO2-Ausstoß: Die Zahl der tödlichen Hitzetage nimmt weltweit zu

Seit der industriellen Revolution um 1850 haben die Menschen die Oberflächentemperatur auf der Erde um rund 1,1 Grad Celsius aufgeheizt. Die Staats- und Regierungschefs der Welt unterzeichneten 2015 das Klimaabkommen von Paris, um die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Der Trend der eingeleiteten Maßnahmen reicht jedoch bisher nicht aus und so warnen Wissenschaftler vor einem Temperaturanstieg von über drei Grad bis zum Ende dieses Jahrhunderts.

Wenn die globale Erwärmung zwei Grad erreicht, so der WWA-Bericht, wäre eine Hitzewelle wie in Indien und Pakistan zwei bis 20-mal wahrscheinlicher als heute - und um zusätzliche 0,5 bis 1,5 Grad heißer. 

Hitze stresst unseren Körper