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Kirgisistan: Ex-Präsident Akajew warnt vor Destabilisierung

14. September 2006

Im Interview mit DW-RADIO spricht der ehemalige Präsident Askar Akajew über den Polit-Skandal in Kirgisistan, Provokationen von Seiten der Staatsmacht und über die Rolle des jetzigen Präsidenten Kurmanbek Bakijew.

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Seit der Revolution im Frühjahr 2005 lebt Askar Akajew in RusslandBild: AP

DW-RADIO/Russisch: Herr Akajew, wie bewerten sie den Vorfall um den Abgeordneten Omurbek Tekebajew?

Askar Akajew: Ich habe von der Festnahme Tekebajews am Morgen des 6. September aus dem Internet erfahren. Die Situation hat mich natürlich erzürnt, weil ich Tekebajew gut kenne, bereits seit 15 Jahren, als Politiker und Abgeordneten. Mir war sofort klar, dass dies eine grobe Provokation ist, weil ich genau weiß: Tekebajew hatte nie Verbindungen zur Drogenmafia oder zu kriminellen Strukturen. Wir müssen dem Warschauer Gericht dankbar sein dafür, dass es sehr schnell durchschaut hat, dass dies eine reine Provokation ist; dass die Drogen Tekebajew ins Gepäck untergeschoben wurden, um ihn zu diskreditieren. Er ist derzeit einer der leuchtendsten Führer der demokratischen Opposition. Es handelt sich um eine Provokation des Nationalen Sicherheitsrates, das hat der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates, der bereits zurückgetreten ist, auch zugegeben. Entlassen wurde zudem Schanysch Bakijew, der erste stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates. Nach Ansicht des Abgeordneten-Ausschusses hat er die Provokation organisiert.

Die heutige Staatsmacht hat selbst gezeigt, mit welchen Methoden sie gegen die Opposition vorgeht. Tekebajew habe ich immer für einen authentischen demokratischen Oppositionsführer gehalten. Er war zweimal mein Gegner bei Präsidentschaftswahlen, aber ich habe ihn immer wegen seiner konstruktiven Haltung respektiert. Tekebajew ist stets für eine starke Rolle des Parlaments eingetreten, er kritisierte die Fehler der Exekutive und die des Präsidenten. Das diente als Anlass für die beispiellose Unterdrückung Tekebajews. Es gab viele Drohungen von kriminellen Strukturen, die der Staatsmacht dienen. Dies hatte Tekebajew, der seine Unabhängigkeit bewahrte, gezwungen, vom Amt des Parlamentsvorsitzenden zurückzutreten. Das Parlament hatte dadurch nur verloren. Der Vorfall jetzt zeigt, dass man beschlossen hat, ihn völlig niederzuschlagen, indem man ihn in den Augen der internationalen Gemeinschaft diskreditiert.

Sie sagten, die Staatsmacht habe selbst gezeigt, mit welchen Methoden sie gegen die Opposition vorgehe. Heißt das, Sie sind der Ansicht, dass die Provokation keine Idee von Mitarbeitern des Nationalen Sicherheitsrates, sondern der Staatsmacht ist?

Zweifelsohne. Die Debatte im Parlament hat gezeigt, dass dies die Staatsmacht war, verkörpert durch die oberste Führung des Nationalen Sicherheitsdienstes, und der Nationale Sicherheitsrat ist in Kirgisistan unmittelbar dem Präsidenten unterstellt. Der Dienst wird nicht vom Parlament oder von anderen Staatsorganen kontrolliert.

Mit anderen Worten, Sie meinen, dass Präsident Kurmanbek Bakijew direkt mit dieser Provokation zu tun hat?

Ich kann dies so nicht behaupten, aber der Nationale Sicherheitsdienst ist Bakijew direkt unterstellt und nur dem Präsidenten rechenschaftspflichtig. Allein der Präsident kann Anweisungen geben und nur der Präsident hat das Recht, die Arbeit des Nationalen Sicherheitsdienstes zu überwachen.

Wie wird der Skandal die politische Lage in Kirgisistan beeinflussen?

Meiner Meinung nach wird dies ernste Folgen haben, weil es die Gegensätze zwischen der Legislative und Exekutive verstärken wird. Im Parlament gibt es heute eine demokratische Opposition zur jetzigen Staatsmacht, deren Führer übrigens Omurbek Tekebajew ist. Die Staatsmacht hat die Chance, die Lage zu stabilisieren, aber dafür muss sie der demokratischen Opposition entgegenkommen und die versprochenen politischen und sozialen Reformen umsetzen, die übrigens keine Finanzmittel, sondern nur politischen Willen erfordern. Wenn sich die Staatsmacht als flexibel erweist, dann wird man negative Folgen vermeiden können. Im anderen Fall können die Gegensätze die Lage in Kirgisistan destabilisieren.

Das Gespräch führte Viacheslav Yurin
DW-RADIO/Russisch, 12.9.2006, Fokus Ost-Südost