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PolitikEuropa

Kirche in Osteuropa: Neue Allianzen gesucht

16. September 2021

Seit 25 Jahren lädt "Renovabis", das Osteuropa-Hilfswerk der deutschen Katholiken, zu jährlichen Kongressen. Immer stärker geht es bei der Arbeit um ökumenische Aspekte. Denn notgedrungen nähern sich die Kirchen an.

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Renovabis-Kongress in Freising
Bild: Anjte Dechert

So genau weiß Pater Tibor Reimer gar nicht mehr, seit wann das Hilfswerk "Renovabis" die Arbeit seines Ordens in der Slowakei unterstützt. Der Salesianer-Orden ist dafür bekannt, dass er sich in der Jugendarbeit und für benachteiligte Jugendliche einsetzt.

Slowakei | Besuch Papst Franziskus | Roma Siedlung in Kosice
Roma-Siedlung im slowakischen KosiceBild: Roman Vondrous/CTK/dpa/picture alliance

Als Papst Franziskus am Dienstag im Rahmen seiner Slowakei-Reise die Roma-Siedlung Lunik 9 in Kosice im Osten des Landes besuchte, traf er auch Menschen, deren Arbeit seit langem von dem 1993 gegründeten Osteuropa-Hilfswerk "Renovabis" der deutschen Katholiken unterstützt wird. 

Fußball im Problemviertel

Die Salesianer engagieren sich seit vielen Jahren in dem Brennpunkt-Viertel in Kosice. Und auch  in der Hauptstadt Bratislava ist Pater Reimer Ehrenpräsident eines Fußballvereins, der in diesem Jahr 25-jähriges Bestehen feiert. Im Problemviertel Trnavka gründeten die Salesianer 1996 den Verein "Domino". Heute ist er der größte Verein für Jugendfußballer in der slowakischen Hauptstadt.

Tibor Reimer Salesianer | Pater in Bratislava
Tibor Reimer, slowakischer Salesianer. Und Vereinspräsident.Bild: Thomas Schumann/Renovabis

Es geht beim Kongress von Renovabis in dieser Woche am Rande auch um die Slowakei-Reise des Papstes und das Engagement des Hilfswerks dort. Doch der 25. Kongress macht deutlich, wie sehr das Hilfswerk neben materieller Hilfe auf inhaltliche Vernetzung und Ermutigung beim ökumenischen Gespräch setzt. Denn mit einer großflächigen Rückkehr der Religion, die mancher nach 1989 in den früher kommunistischen Ländern erwartete, rechnet heute niemand mehr.

Materielle Hilfen und gemeinsamer Dialog

Seit Gründung, so der scheidende Hauptgeschäftsführer Christian Hartl, habe Renovabis rund 25.000 Projekte in 29 Ländern Osteuropas mit etwa 800 Millionen Euro unterstützt. Aber für ihn gehe es weniger um Projekte, mehr um die konkreten Menschen, denen die Hilfe gelte. Und immer komme es auf gegenseitigen Respekt an, auch unter ökumenischen Aspekten. Dieser Respekt sei "die Voraussetzung für gelingenden Dialog".

Pfarrer Christian Hartl
Renovabis-Chef Pfarrer Christian HartlBild: Renovabis

Hartls Bilanz nach fünfjähriger Arbeit: Er würde sich auf deutscher Seite, nicht nur in der Kirche, sondern auch in Politik und Gesellschaft "mehr Interesse wünschen für unsere mittel- und osteuropäischen Nachbarn". Das gelte auch für die zum Teil gravierenden Folgen, die die Arbeitsmigration von Pflegekräften für Herkunftsländer wie Polen, Ungarn oder Rumänien habe.

Ökumenische Vielfalt

Ein Gedanke ist Hartl wichtig, der sich durch die Berliner Jubiläumstagung zieht. Es ist die Betonung der Ökumene, des Miteinanders der Kirchen. "Nur in der Vielfalt werden wir der Komplexität der Welt gerecht", sagt Hartl. 

Beim ersten Renovabis-Kongress 1997 in Freising bei München unter dem Titel "Herrschen oder dienen" ging es um konfessionelle Abgrenzung, die Konkurrenz zur russischen Orthodoxie, um den Mangel an gut ausgebildeten Seelsorgern. Erst allmählich begann sich ein katholischer Pluralismus zu entfalten zwischen eher konservativer Prägung in Polen und einem durchaus damals liberalen Katholizismus in der Tschechischen Republik. Noch dominierte Angst vor Öffnung und die Unsicherheit der neuen gesellschaftlichen Offenheit.

24 Jahre später hebt Schwester Francesca Simuniova, Äbtissin der in München und Prag angesiedelten Benediktinerinnenabtei Venio, beim 25. Kongress den Aspekt der Offenheit besonders hervor. "Ökumene heißt für mich Freundschaft, ein echtes Interesse am anderen. Ich respektiere den Weg des anderen. Und als Christen sind wir eigentlich noch mehr als Freunde, wir sind Geschwister."

Gegen Gespräche im Vakuum

Auch ein russisch-orthodoxer Teilnehmer stimmte der Bedeutung von ökumenischem Miteinander auf verschiedenen Ebenen zu. Es gebe keine "destillierte" Ökumene, die sich allein zwischen Fachleuten in einem Vakuum ereigne, betonte Evgeny Pilipenko, der an einem Institut des russisch-orthodoxen Patriarchats in Moskau lehrt. Sonst werde es kaum "lebendige Ergebnisse" in ökumenischen Beziehungen geben.

Die soziale Arbeit von Renovabis fragt nicht nach konfessioneller Bindung. Es geht um Notlagen. Auch dabei ist die wachsende Bedeutung der ökumenischen Beziehungen den gesellschaftlichen Realitäten geschuldet. Angesichts von immer mehr konfessionslosen Menschen werde ein enges Verhältnis zwischen katholischen, evangelischen und orthodoxen Christen immer wichtiger, so der Berliner Erzbischof Heiner Koch. Für ihn ist Renovabis deshalb auch mehr denn je "viel mehr als eine Finanz-Transaktion. Es ist ein Kommunikationsort einer lebendigen Kirche."