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Kinder für die Quote

Carolin Weinkopf13. September 2007

In der US-Realityshow "Kid Nation" sind Kinder in einer Geisterstadt auf sich allein gestellt. Wenige Tage vor Ausstrahlungsbeginn fragt sich die amerikanische Öffentlichkeit, wie weit das US-Fernsehen noch gehen darf.

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Vier Kinder ziehen einen Wagen mit schwerer Last, Quelle: dpa
Arbeiten statt spielen - in 'Bonanza City' müssen die Kids sich selbst versorgenBild: picture-alliance/ dpa

Nach Schönheitsoperation live, Big Brother und fragwürdiger Prominenz im Dschungel erreicht das Reality-TV in den USA eine neue Dimension. Der Fernsehgigant CBS strahlt ab dem 19. September 2007 "Kid Nation" aus: 40 Kids verbringen 40 Tage ohne Strom, ohne fließend Wasser und ohne Mummy und Daddy - also ganz auf sich allein gestellt. Mit einem Schulbus werden die Teilnehmer nach "Bonanza City" gebracht, einer waschechten Geisterstadt in der Einöde des US-Bundesstaats New Mexico. Ab diesem Zeitpunkt müssen sich die 8- bis 15-Jährigen dort allein behaupten, wo Pioniere vor mehr als 100 Jahren scheiterten.

Ungewohnte Situation für US-Kids

"Zunächst einmal hört sich das schaurig an", findet Susanne Grams von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Tatsächlich wird schon vor dem Start der TV-Show heftig diskutiert. Den Machern und vor allem den Eltern wird vorgeworfen, die Kinder für die Show "missbraucht und ausgenutzt" zu haben und in Internetforen wird CBS unterstellt, sich eine Lücke im Gesetz gegen Kinderarbeit zunutze gemacht zu haben. Der ausführende Produzent, Tom Forman - selbst Vater von zwei Kindern - betont jedoch, dass es sich beim Dreh mehr um ein "Sommerlager" als um Kinderarbeit gehandelt habe.

Reichlich ungewohnt dürfte dieses so genannte "Sommerlager" für die US-Kids jedoch schon gewesen sein: In Eigenregie musste der Gruppenalltag organisiert werden - dazu zählten auch Wasser pumpen und Eimer schleppen, Essen kochen, Wäsche schrubben, Ziegen melken und die Sauberhaltung der Latrinen.

Drei Kinder bereiten an der Feuerstelle Frühstück vor, Quelle: dpa
Für die Verpflegung sind die Kinder selbst verantwortlichBild: picture-alliance/ dpa

Zudem gab es während der zweimonatigen Dreharbeiten von April bis Mai eine künstliche Klassengesellschaft. In Wild West-Wettbewerben mussten die Kinder um ihren Status kämpfen: Arbeiter, Kaufleute oder "Upper Class". Ein vierköpfiger Stadtrat wachte über die Einhaltung der demokratisch vereinbarten Gemeinschaftsregeln.

Realität ist Auslegungssache

Wirklich allein waren die Kinder in "Bonanza City" natürlich nicht. Hinter der Show stehen echte Erwachsene, die mit den Kindern große Quote machen wollen. Laut Senderangaben waren außerdem Psychologen und Ärzte vor Ort. Realität im Reality-TV ist schließlich Auslegungssache.

In dem fünfminütigen Trailer, den man sich auf der CBS-Internetseite anschauen kann, gibt es schon mal eine Collage von den ganz großen Emotionen. Dort kann man sich auch schon für die zweite Staffel von "Kid Nation" bewerben. Für den 40-tägigen Verzicht auf Cheeseburger und Playstation bekam jedes Kind übrigens 5000 Dollar. Im Falle von Heimweh bestand für alle die Möglichkeit der vorzeitigen Heimreise. In der Show wird aber niemand aus "Bonanza City" heraus gewählt, wie in vielen anderen Reality-Shows. Am Ende jeder Folge wird im Gegenteil ein Stern an denjenigen verliehen, der sich besonders für die Gemeinschaft eingesetzt hat. Einsatz lohnt sich: Der Stern ist aus echtem Gold und etwa 20.000 Dollar wert.

"Wie ist das, wenn ich ganz auf mich allein gestellt bin?"

Ob ein solches Konzept auch in Deutschland möglich wäre, lässt sich vor der Ausstrahlung schlecht sagen. Professor Joachim von Gottberg, Geschäftsführer des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), möchte vor einer Bewertung erst einmal abwarten, was in der Show passiert. An sich sei es aber natürlich auch für Kinder und Jugendliche äußert spannend zu erfahren "wie das ist, wenn ich ganz auf mich allein gestellt bin", so Gottberg. Man müsse aber abwägen, welchen Belastungen und Gefahren die Kids bei den Dreharbeiten ausgesetzt würden. Susanne Grams fügt hinzu, es komme darauf an, was für Kinder teilnehmen würden - Selbstbewussten könne man ein solches Abenteuer sicher zutrauen und das könne dann auch positiv verlaufen. Jedoch sei es "anrüchig", dass Kinder und Eltern mit hohen Geldbeträgen zur Teilnahme gelockt würden. "In Deutschland stelle ich mir die Ausstrahlung einer solchen Show schwierig vor."