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Kernspaltung auf Finnisch

André Moeller31. Mai 2002

Das Thema Kernkraft hat die Regierungskoalition in Finnland gespalten: Erstmals seit dem atomaren Supergau in Tschernobyl hat eine europäische Regierung den Neubau eines Kernkraftwerks beschlossen.

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Atomkraft: Schäden an Mensch und Umwelt?Bild: AP

Finnlands Grüne haben daraufhin die Regierung verlassen. Nur wenige Tage nachdem das Parlament mit 107 zu 92 Stimmen für den Bau eines fünften Atom-Reaktors gestimmt hat, verkündete die finnische Umweltministerin Satu Hassi in Helsinki ihren Rücktritt.

Auch die elf Abgeordneten der finnischen Grünen werden künftig nicht mehr der großen Koalition des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Paavo Lipponen angehören. Der Beschluss, von der Regierungsbank in die Opposition zu wechseln, wird von den Entscheidungsgremien der grünen Partei unterstützt.

Koalition nicht mehr so bunt

Künftig wird also die bunte Koalition aus Sozialdemokraten, Konservativen, Linkspartei und der Schwedischen Volkspartei (Partei der schwedischsprachigen Minderheit) die Geschicke Finnlands ohne die Grünen leiten müssen. Trotzdem macht sich der Regierungschef bislang keine Sorgen. Er kann weiterhin mit einer klaren Mehrheit im Parlament rechnen.

Selbst ohne die elf Abgeordneten der Grünen verfügt die Regierungskoalition über 128 der 200 Sitze im Reichstag. Lipponen hält unterdessen an der Entscheidung für den Ausbau der Atomenergie fest: Nur so könne Finnland seine Verpflichtungen aus dem Klimaprotokoll von Kyoto zur Begrenzung von CO2-Emissionen einhalten.

Erster Reaktor seit Tschernobyl

Mit der finnischen Entscheidung für den Ausbau der Atomkraft wird im Bereich der EU erstmals seit der Katastrophe von Tschernobyl 1986 ein neuer Reaktor in Auftrag gegeben. Während die finnische Wirtschaft bereits seit Ende der achtziger Jahre einen zusätzlichen Atom-Reaktor verlangt, erntete das finnische Parlament von Seiten finnischer Umweltschützer scharfe Kritik.

Die Befürworter des Kernkraftausbaus weisen darauf hin, dass die energieintensive Holz- und Papierindustrie einen hohen Bedarf an billiger Elektrizität habe. Diese könne nicht ohne den zusätzlichen Meiler gedeckt werden. Ohne einen Ausbau der Atomkraft werde die ohnehin hohe Importabhängigkeit bei der Energie noch verstärkt.

Atomenergie: Schäden an Mensch und Umwelt

Die Atomgegner warnen vor den Gefahren atomarer Energiegewinnung und verlangen die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien. "Die Atomindustrie konnte bislang nirgends auf der Welt den Beweis erbringen, dass ein sicherer Einsatz der Atomtechnologie möglich ist", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung verschiedener finnischer Umweltschutzorganisationen.

Zahlreiche Unfälle, wie in Tschernobyl, Harrisburg und Sellafield hätten durch Schäden an Mensch und Umwelt vom Gegenteil überzeugt. Zudem sei nach wie vor die Frage der Entsorgung ungeklärt.

Interessen der Bevölkerung bleiben auf der Strecke

"Finnland macht sich zum Handlanger der schon totgesagten internationalen Atomlobby," empört sich Jens Karg. Der Anti-Atomsprecher der österreichischen Umweltbewegung GLOBAL 2000 befürchtet, dass die "Sicherheitsinteressen der europäischen Bevölkerung auf der Strecke bleiben".

Den Verweis auf die Importabhängigkeit des Energiesektors bewertet der Umweltschützer als "fadenscheiniges Argument der Atomlobby". "Innerhalb der EU liegen nur zwei Prozent der weltweiten Uranvorkommen", begründet Karg seinen Verdacht. So würde allenfalls die eine Importabhängigkeit durch eine andere ersetzt.

Effiziente Nutzung vorhandener Energiereserven

Auch in Deutschland sprechen Umweltschützer von einer schwerwiegenden Fehlentscheidung. Auf Nachfrage von DW-WORLD erläutert Greenpeace-Energieexpertin Susanne Ochs: "Studien unabhängiger finnischer Wissenschaftler belegen, dass sich der Energiebedarf Finnlands durch den Mehreinsatz erneuerbarer Energien decken lässt." Dabei sei es notwendig, dass mit der den vorhandenen Energiereserven durch eine effiziente Nutzung insgesamt sparsam umgegangen werde.