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Keine Zulassung für russische Oppositionspartei

28. Juni 2011

Das Justizministerium hat der Oppositionspartei PARNAS die Zulassung verweigert. Deren Vorsitzender Kasjanow wirft Moskau Verfassungsbruch vor. Auch von Menschenrechtlern und aus dem Ausland kommt harsche Kritik.

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Die vier Gründer und Co-Vorsitzenden von PARNAS (Foto: DW)
Die vier Gründer und Co-Vorsitzenden von PARNASBild: DW

PARNAS heißt übersetzt "Partei der Volksfreiheit". Dabei ist es aus Sicht vieler Kritiker in Russland um die Freiheit derzeit nicht gut bestellt. Aktuell hat das Justizministerium der kremlkritischen Oppositionspartei PARNAS die Zulassung verweigert. Damit ist sie von den Parlamentswahlen Ende 2011 ausgeschlossen. Zu den Gründen teilte das Justizministerium mit, eine stichprobenhafte Überprüfung habe ergeben, dass in den Unterlagen der Partei Personen aufgeführt seien, die bereits verstorben, noch minderjährig oder nicht in der Region gemeldet seien, in der sie sich in die Parteilisten eingetragen hätten.

Außerdem lägen dem Justizministerium handschriftlich verfasste Erklärungen von Bürgern vor, die bestritten, Mitglieder von PARNAS zu sein oder entsprechende Versammlungen besucht zu haben. Zudem sei erwiesen, dass in einigen Gebietskörperschaften der Russischen Föderation an den genannten Orten keine Treffen von regionalen Gruppen der Partei stattgefunden hätten. Einige Inhalte der Parteisatzung stünden zudem im Widerspruch zu geltenden Gesetzen, insbesondere dem Parteiengesetz.

"Gefahr für das System Putin"

Michail Kasjanow, eienr der Gründer und Co-Vorsitzenden von PARNAS (Foto: DW)
Michail Kasjanow, eienr der Gründer und Co-Vorsitzenden von PARNASBild: DW

Einer der Gründer und Co-Vorsitzenden der Partei, Ex-Premier Michail Kasjanow, bedauert die Verweigerung der Zulassung: "Die Teilnahme von PARNAS an den Wahlen hätte eine Gefahr für die Machtvertikale Putins dargestellt. Die anstehenden Wahlen können nicht als frei gelten. Die russische Staatsmacht fährt fort, gegen die Verfassung und die internationalen Verpflichtungen des Landes zu verstoßen", heißt es in der Erklärung auf der Internetseite von PARNAS.

Aus Sicht von PARNAS sind die vom Justizministerium angeführten Gründe für die Nichtzulassung nicht gesetzeskonform, da sie im Widerspruch zu grundlegenden Bestimmungen der Europäischen Konvention über den Schutz der Menschenrechte stünden, die auch auf dem Territorium der Russischen Föderation Gesetzeskraft hätten.

Die liberale Oppositionspartei PARNAS ist ein Bündnis um Ex-Premier Michail Kasjanow, den ehemaligen Vize-Premier Boris Nemzow, den früheren Abgeordneten Wladimir Ryschkow sowie den ehemaligen stellvertretenden Energieminister Wladimir Milow. PARNAS hatte nach eigenen Angaben alle erforderlichen Unterlagen mit Beitrittserklärungen von 46.000 Mitgliedern aus 53 Regionen Russlands ordnungsgemäß eingereicht. Seit Jahren beklagen die Parteigründer von PARNAS Schikanen durch die Staatsmacht.

Russland im Rückwärtsgang

Wolfgang Gerhard, Vorsitzender Friedrich-Naumann-Stiftung
Wolfgang Gerhard, Vorsitzender Friedrich-Naumann-StiftungBild: presse

Auch in der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung hat man die Vorgänge um die Nichtzulassung von PARNAS verfolgt. Der Vorsitzende der Naumann-Stiftung, Wolfgang Gerhardt, erklärte, die deutschen Liberalen sähen in PARNAS eine wichtige politische Kraft, die einen großen Beitrag zu einem umfassenden Modernisierungsprozess leisten könne. "Die Ablehnung der Registrierung der PARNAS ist ein weiteres Indiz dafür, dass Russland auf dem Weg zur Demokratie stehengeblieben ist." In letzter Zeit seien sogar Rückschritte zu verzeichnen. Von einem freien Zugang zu Wahlen könne nicht die Rede sein. "Die Behinderungen durch die Behörden und der Ablehnungsbescheid zeigen, dass hinter der Ablehnung ein politischer Wille steht und kein ordentliches, rechtsstaatliches Prüfverfahren."

Politische Gründe maßgeblich

Ljudmilla Aleksejewa von der Moskauer Helsinki-Gruppe (Foto: DW)
Ljudmilla Aleksejewa von der Moskauer Helsinki-GruppeBild: presse

Russische Menschenrechtler äußerten ebenso Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung. Die Verweigerung der Zulassung sei nicht nur politisch motiviert, sondern entbehre zudem einer rechtlichen Grundlage, erklärte die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmilla Aleksejewa, der Agentur Interfax. Ihrer Ansicht nach gebe die Nicht-Zulassung von PARNAS einen Vorgeschmack auf die Zusammensetzung der zu wählenden Staatsduma: "Bei den anstehenden Wahlen wird es keinerlei Veränderung geben. Im künftigen Parlament werden dieselben Parteien sitzen." Aleksejewa ist überzeugt, dass über Zusammensetzung der Duma nicht die Bürger entscheiden würden, sondern – wie sie wörtlich sagt – "die da oben".


Autorin: Natalja Posdnjakowa/ Birgit Görtz

Redaktion: Bernd Johann