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"Keine Waffenlieferungen an Mexiko"

2. März 2011

Einen "sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte nach Mexiko" verlangt der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP).

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Die Polizei präsentiert beschlagnahmte Waffen, die im Krieg zwischen den Drogenkartellen zum Einsatz kommen (Foto: AP)
Die Polizei präsentiert beschlagnahmte Waffen, die im Krieg zwischen den Drogenkartellen zum Einsatz kommenBild: picture alliance/dpa

In einem ARD-Fernsehinterview begründete Löning seine Forderung nach einem sofortigen Rüstungsexportstopp nach Mexiko mit der Menschenrechtslage in dem lateinamerikanischen Land, die sich in den vergangenen zwei Jahren weiter verschlechtert habe. Polizei und Militär seien immer wieder in Menschenrechtsverletzungen verwickelt. Gegen Politiker gebe es Vorwürfe, sie arbeiteten mit Drogenkartellen zusammen, so Löning in der ARD-Sendung "Report Mainz".

Bislang sind nur die mexikanischen Bundesstaaten Chiapas, Jalisco, Chihuahua und Guerrero von Waffenlieferungen ausgenommen. Dennoch seien dort Sturmgewehre des schwäbischen Rüstungsproduzenten Heckler und Koch aufgetaucht.

Der Menschenrechtsbeauftragteder Bundesregierung, Markus Löning (FDP) (Foto: AP)
Der Menschenrechtsbeauftragteder Bundesregierung, Markus Löning (FDP)Bild: picture-alliance/dpa

Dem Fernsehbericht zufolge ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen die Firma, die ebenso wie das mexikanische Verteidigungsministerium von keinem Waffenverbot gewusst haben will.

Ein endloser Krieg

Im vergangenen Jahr starben in Mexiko fast 15.000 Menschen bei Auseinandersetzungen der Drogenkartelle untereinander und mit den staatlichen Sicherheitskräften. Das sind so viele wie noch nie, seit Präsident Felipe Calderón kurz nach seinem Amtsantritt 2006 zum Krieg gegen die Drogen aufrief. 50.000 Soldaten stehen derzeit im Einsatz gegen die Drogenmafia.

Doch der Drogenkrieg in Mexiko fordert nicht nur einen gigantischen Blutzoll. Die Drogenmafia korrumpiert auch immer mehr Staat und Wirtschaft. Darauf weist der neue UN-Drogenbericht hin, der am Mittwoch (02.03.2011) veröffentlicht wurde. Gerade in Mexiko habe die Korruption von Funktionären den Kampf gegen den Drogenhandel "schwer beeinträchtigt", heißt es darin.

Die Gewalt konzentriert sich vor allem auf den Norden des Landes. Die Grenzstadt Ciudad Juárez gilt inzwischen als tödlichste Stadt der Welt. Doch der blutige Bandenkrieg weitet sich immer weiter nach Süden aus. In dem Badeort Acapulco bleiben die Touristen aus, seit jedes Wochenende zerstückelte Leichen auftauchen. In der Wirtschaftsmetropole Monterrey flüchten Unternehmer, seit die Mafia nach Belieben Straßensperren verhängt. Und auch die Vororte der bisher halbwegs verschonten Hauptstadt verzeichnen mehr Morde im Mafiastil.

Die Firmenzentrale der deutschen Waffenherstellers Heckler & Koch in Oberndorf (Foto: AP)
Waffen von Heckler & Koch sind trotz Exportembargos in Mexiko aufgetauchtBild: picture alliance / dpa

Politiker auf Gehaltslisten der Drogenkartelle

Mexiko sei "auf dem Weg zu einem gescheiterten Staat", sagte der UN-Berater zur organisierten Kriminalität, Edgardo Buscaglia, gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) in Mexiko Stadt. Buscaglia sieht die rein militärische Strategie von Präsident Calderón als gescheitert an. Es sei nutzlos, wenn Soldaten und Polizisten ihr Leben riskieren, um "zweitrangige Drogendealer" zu fassen, solange sich Staatsanwälte, Richter und Politiker von den sieben großen Kartellen kaufen ließen.

In fast drei Viertel der über 2400 Kommunen Mexikos ist das organisierte Verbrechen laut Buscaglia präsent. Das reicht von unterbezahlten Gemeindepolizisten, die die Mafia gegen Gehaltsaufbesserung dulden, bis hin zu Bürgermeistern unter der Fuchtel eines Drogenbosses. Wer nicht spurt, zahlt mit dem Leben. Im vergangenen Jahr wurden zwölf Bürgermeister ermordet, Hunderte weitere kapitulierten vor Todesdrohungen.

Die Unterwanderung von Regierung und Parlament durch die Mafia belegen die jüngst aufgedeckten engen Verbindungen des Kongress-Abgeordneten Julio César Godoy zur Mafiagruppe "La Familia". Die Staatsanwaltschaft sucht mit Hilfe von Interpol nach dem Halbbruder des Gouverneurs des Bundesstaates Michoacan, der untergetaucht ist. Mexikanischen Medien zufolge arbeiten viele weitere hohe Politiker arbeiten mit der Mafia zusammen. Erwähnt wird in diesem Zusammenhang immer wieder der Name Genaro García Luna. Der Sicherheitsminister im Kabinett von Präsident Calderón ist von Amts wegen der oberste Bekämpfer der Mafia in Mexiko.

Wirtschaftlicher Schaden

30 Milliarden US-Dollar jährlich waschen die Drogenkartelle laut vorsichtigen Schätzungen über Bauunternehmen, Wechselstuben oder Restaurants. "Die Vermögensstruktur der kriminellen Organisationen wird nicht angetastet", erläutert Buscaglia. Gemäß seinen Studien ist das organisierte Verbrechen in 77 Prozent aller Wirtschaftssektoren Mexikos präsent.

Nach Berechnungen der Korruptionsforscher von Global Financial Integrity bringt die Drogenökonomie Mexiko jährlich doppelt so viel Devisen ein wie die ausländischen Direktinvestitionen und dreimal so viel wie die Heimüberweisungen mexikanischer Gastarbeiter in den USA. Mehr schmutziges Geld als in Mexiko fließt im internationalen Vergleich nur noch in Russland und in China. Von der Mafia-Ökonomie fließt das Geld wieder in die Politik. Mexikos Wahlkampagnen sind zu mehr als der Hälfte aus dubiosen Quellen finanziert.

Autorin: Mirjam Gehrke (KNA/ dpa)
Redaktion: Sven Töniges