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Keine Mitsprache für indigene Anwohner

Solveig Flörke8. August 2012

Bei der Energiegewinnung im Amazonasgebiet haben indigene Anwohner ein Mitspracherecht - per Gesetz. Doch die brasilianische Regierung nimmt darauf keine Rücksicht.

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A member of the Kaiapo tribe holds a poster showing a picture of Brazil's President Dilma Rousseff during a protest by indigenous communities against the construction of Belo Monte hydroelectric dam in front the National Congress in Brasilia, Brazil, Tuesday Feb. 8, 2011. A Brazilian environmental agency has given approval for initial work to begin on a massive hydroelectric dam planned for the heart of the Amazon jungle. The 11,000-megawatt project to dam the Xingu River, which feeds the Amazon, would be the third-largest such hydroelectric project in the world. The poster reads "Stop Belo Monte" and the number 604,317 refers to the number of people they say have signed a petition against the project." (ddp images/AP Photo/Eraldo Peres)
Brasilien indigenes Volk Protest gegen Staudamm Belo MonteBild: AP

"In den kommenden 50 Jahren werden im Amazonasgebiet mehr als 300 Wasserkraftwerke stehen", sagt Saulo Feitosa vom Indio-Missionsrat der katholischen Kirche (CIMI) voraus. Eben wegen dieser Entwicklung sei es so wichtig, dass die indigenen Anwohner ordnungsgemäß informiert und miteinbezogen würden. "Für die Regierung ist es aber leider normal, nicht nach deren Meinung zu fragen", klagt Feitosa.

Ein besonders prominentes Beispiel für die Missachtung der indigenen Belange ist der Belo-Monte-Staudamm im Bundesstaat Pará. Die Stammesangehörigen fordern seit Beginn der Bauarbeiten den Stopp des Dammprojektes, da das Baukonsortium zahlreiche soziale wie ökologische Auflagen missachtet. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen: Ende Juni 2012 hatten die Ureinwohner einen Teil der Baustelle besetzt und erst nach drei Wochen geräumt. Ende Juli nahmen sie mehrere Arbeiter des Belo-Monte-Staudamms als Geiseln.

Kaiapo Indians dance in front the National Congress to protest the construction of the Belo Monte hydroelectric dam in Brasilia, Brazil, Tuesday Feb. 8, 2011. A Brazilian environmental agency has given approval for initial work to begin on a massive hydroelectric dam planned for the heart of the Amazon jungle. The 11,000-megawatt project to dam the Xingu River, which feeds the Amazon, would be the third-largest such hydroelectric project in the world. (ddp images/AP Photo/Eraldo Peres)
Protestierende Indianer vor dem Kongress im Februar 2011Bild: AP

500 Quadratkilometer Urwald sollen überflutet werden

Durch die Stauung des Xingu-Flusses soll eine Fläche von etwa 500 Quadratkilometern Urwald überflutet werden. Der Fluss würde unschiffbar, Fischfang wäre nicht mehr möglich. Stammesangehörige der Juruna und der Arara fordern Aufklärung über Einzelheiten sowie die Erfüllung von ökologischen Auflagen des Großprojektes, berichten brasilianische Tageszeitungen. Das ist laut Verfassung auch ihr Recht. Schutzorganisationen der indigenen Völkergruppen und Vertreter der Bundesstaatsanwaltschaft beschuldigen die brasilianische Regierung, den Artikel 231 der Verfassung zu ignorieren. Er fordert die Mitsprache der betroffenen Gruppen - und zwar vor Beginn beabsichtigter Bauarbeiten. Kritiker beklagen, dass in den anberaumten Treffen zwischen Indianerstämmen und Politikern lediglich die nächsten Bauabschnitte angekündigt werden, ohne aber nach der Meinung der Anwohner zu fragen.

BRA, 2008: Luftaufnahme des Amazonasregenwaldes. [en] Aerial view of Amazon rainforest. | BRA, 2008: Aerial view of Amazon rainforest. Schlagworte 121990, Altarm, Amazon, Amazonas, Dschungel, Fluesse, Fluss, Landschaft, Luftaufnahme, Luftbild, Natur, Querformat, Regenwald, South America, Suedamerika, Wald, Wasser, forest, horizontal, jungle, landscape, nature, oxbow, rainforest, river, scenery, tropical, tropisch, water
Über 300 neue Staudämme sollen in 50 Jahren im Amazonasgebiet stehenBild: picture alliance/WILDLIFE

333 indigene Schutzgebiete betroffen

Belo Monte ist kein Einzelfall. Der DW liegen Zahlen einer erst im September erscheinenden Studie des Indio-Missionsrats der katholischen Kirche (CIMI) vor. Demnach beeinträchtigen 454 geplante, im Bau befindliche oder bereits durchgeführte Unternehmungen insgesamt 333 indigene Schutzgebiete. Damit kann eine Umsiedelung gemeint sein oder auch der Verlust der Lebensgrundlage, beispielsweise des Fischens. In seiner Studie benennt der CIMI 158 betroffene Indianervölker, von denen keines vor Beginn der Bauarbeiten von der Regierung richtig informiert worden ist. Nach Aussage der Studie ziele mehr als die Hälfte aller Projekte auf den Energiegewinn ab, wie beispielsweise Wasserkraftwerke. Ein Regionaltribunal forderte jetzt den sofortigen Stopp des Wasserkraftwerks Teles Pires, an den Grenzen der Bundesstaaten Pará und Mato Grosso. Entgegen eindringlicher Warnungen - auch seitens der Umweltschützer - verteidigt Staatpräsidentin Dilma Rousseff den Ausbau von Wasserkraftwerken in Brasilien. Die Regierung sehe sie als zentrale Quelle zur Energiegewinnung im wirtschaftlich wachsenden Brasilien an.

Die brasilianische Regierung hat zu Jahresbeginn eine Arbeitsgruppe gegründet, um die Mitsprache der indigenen Gruppen zu garantieren. Theoretisch haben sie nämlich sogar ein Veto-Recht gegen Maßnahmen, die die ihnen zugewiesenen Gebiete betreffen. Sílvio Albuquerque, einer der Repräsentanten der Regierung in der Arbeitsgruppe, behauptet, dass es sehr wohl Treffen mit den indigenen Gruppen gegeben habe. Eindeutige Regelungen seien jedoch nicht getroffen worden, so Albuquerque.