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PolitikEuropa

EU bannt russische Kohle

9. August 2022

Das Kohle-Embargo der EU gegen Russland tritt in Kraft. Kohle muss jetzt aus anderen Quellen importiert werden. Wird das gelingen? Bernd Riegert aus Brüssel.

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Ein mit Kohle beladener Frachter fährt im Rhein-Herne-Kanal bei Gelsenkirchen
Ein Schiff wird kommen - aber nicht mehr mit russischer Kohle: Frachter im Rhein-Herne-Kanal bei Gelsenkirchen.Bild: Malte Ossowski/SVEN SIMON/picture alliance

Von diesem Mittwoch an darf keine Kohle mehr aus Russland in die Europäische Union eingeführt werden. Das Kohle-Embargo ist Teil der Sanktionen, mit denen die EU Russland zur Beendigung des Krieges gegen die Ukraine bewegen will. Vor 120 Tagen wurde das Importverbot beschlossen. So lange hatten die Abnehmer der Kohle, hauptsächlich Kraftwerke und Industrieunternehmen in Deutschland, Polen, Italien, den Niederlanden, Spanien und Frankreich noch Zeit, sich neue Kohlehändler zu suchen. Diese sechs Länder waren die größten Käufer russischer Kohle in der EU. Russland hatte bislang rund 20 Prozent seiner Kohleproduktion nach Angaben der EU-Kommission in die EU geliefert und damit acht Milliarden Euro im Jahr erlöst. Umgekehrt stammte laut der EU-Statistikbehörde Eurostat etwa die Hälfte der Importkohle in Europa aus Russland, die jetzt ersetzt werden muss.

Kohleberge vor Kränen im Hafen von Rotterdam
Großer Umschlagplatz für russische Kohle bisher: Hafen von Rotterdam, NiederlandeBild: Jochen Tack/picture alliance

Für Ersatz sei inzwischen gesorgt, meint die Vereinigung europäischer Kohleversorger Euracoal in Brüssel. Die Kohlehändler hätten zusätzliche Steinkohlelieferungen aus Australien, Indonesien, den USA und Südafrika vereinbart. Hinzu komme Braunkohle aus neun weiteren Ländern. Das EU-Mitglied Polen exportiert ebenfalls mehr Kohle als bisher in die Nachbarstaaten.

Gibt es genug Kohle?

Die Kohle aus Übersee kommt hauptsächlich in den niederländischen Häfen Rotterdam und Amsterdam sowie im belgischen Antwerpen an. Hier wird sie auf Binnenschiffe umgeladen, die dann auf dem Rhein oder der Maas Kraftwerke, Stahlgießereien und andere Abnehmer ansteuern. Normalerweise. In diesem Hitze-Sommer jedoch ist das wegen des niedrigen Wasserstands der Flüsse nur eingeschränkt möglich, so dass im Moment nur 30 Prozent der üblichen Fracht transportiert werden kann. Die Kohle staut sich also etwas in den Häfen. Insgesamt sei es aber ruhig, erzählt ein Kohlehändler in Amsterdam, der nicht genannt werden will. Der große Ansturm komme wahrscheinlich im September und im Herbst.

Die Energie-Spezialistin des Bankhauses Goldman Sachs in London, Samantha Dart, sieht keine Versorgungslücke, aber doch große Anstrengungen voraus. "Kohle ist jetzt für den Rest des Sommers genug da, aber eine länger laufende Abhängigkeit von Kohle, um Gas zu ersetzen, würde bedeuten, dass Europa irgendwann aufstocken muss. Dann wird die russische Kohle wegen des Importverbots wohl fehlen", sagte Dart der "Financial Times".

Brian Ricketts vom Branchenverband Euracoal erwartet, dass die EU mehr Kohle als bisher importieren wird, um Gaskraftwerke zu ersetzen. "Wir glauben, dass das so kommen wird, weil bis zu 120 Terawattstunden Stromproduktion aus Gas durch Steinkohle und Braunkohle abgelöst werden sollen. Das würde rund 22 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr einsparen, weit mehr als jede andere einzelne Maßnahme."

Wird das Embargo eingehalten?

Nach Angaben von Kohlehändlern in Rotterdam, Amsterdam und Antwerpen sind bis zum Juni mehr Kohlefrachter aus Russland an den Kais gelöscht worden als im Jahr zuvor. "Vor dem Inkraftreten des Embargos haben sich alle noch einmal eingedeckt", so einer der Händler. Seit Juni gehen die Zahlen für russische Kohle aber drastisch zurück. Von Mittwoch an müssten sie ja auf Null sinken. Aus dem Hafen in Rotterdam heißt es, dort liege kein einziges Schiff mehr mit Steinkohle oder Braunkohle aus Russland. 

Grafik Wichtigste Abnehmer russischer Kohle weltweit: Japan, Niederlande, China, Deutschland auf Rang sieben
Japan ganz vorne bei der Abnahme von russischer Kohle

Ob das Embargo vollständig eingehalten wird, könne man aber erst sagen, wenn die Zollbehörden ihre Zahlen und Statistiken vorlegen, meint Ricketts vom Branchenverband Euracoal. "Der Zoll ist mit seinen Zahlen ziemlich weit hinterher", so Ricketts. Zuständig für eine Kontrolle der Einfuhren und der Häfen sind die Mitgliedsstaaten der EU. "Das waren Entscheidungen, die einstimmig vom Rat der EU gefällt wurden. Da erwartet man natürlich auch, dass die Mitgliedsstaaten das implementieren, was sie selbst beschlossen haben. Wir werden die Lage natürlich beobachten, aber wir haben keine Zweifel, dass die Mitgliedsstaaten das Embargo umsetzen", sagte Eric Mamer, der Sprecher der EU-Kommission, vergangenen Freitag in Brüssel.

Grafik Kohleimporte aus Russland in Deutschland
Vor dem Ukraine-Krieg kam die Hälfte der deutschen Kohleimporte aus Russland

Russland will die Kohle, die es jetzt nicht mehr nach Europa verkaufen kann, verstärkt in Asien losschlagen. Die größten Abnehmer dort sind Indien und China, das alleine 56 Prozent sämtlicher Kohle verbrennt, die auf der Welt gefördert wird. Der Anteil der EU am weltweiten Kohleverbrauch liegt bei nur etwa 8 Prozent. Langfristig will die EU bis 2050 aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen, also auch Kohle, aussteigen. Im Moment steigt der Verbrauch aber eher an, weil russisches Gas bei der Strom- und Wärmeerzeugung ersetzt werden soll. In Deutschland ist Kohle der wichtigste einzelne Energieträger bei der Stromerzeugung, gefolgt von Windkraft. Die Förderung von eigener Kohle ist in den EU-Mitgliedsstaaten in den vergangenen Jahren stark rückläufig gewesen, nur Polen und Tschechien bauen noch Steinkohle in der EU ab.

Das Kohle-Embargo gegen Russland lässt die Preise für Kohle weiter steigen. Das schwarze Gold ist heute dreimal so teuer wir vor einem Jahr. Pro Tonne werden 316 Euro fällig. Der Spitzenpreis lag im April bei 400 Euro.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union