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Keine Entschädigung für Eon

4. Juli 2016

Deutschlands größter Energieversorger Eon wollte vor Gericht Schadensersatz erstreiten wegen des Atom-Moratoriums - und scheiterte. Doch die Klagewelle der Energieversorger ist noch nicht vorbei.

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Eon Logo, Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gerten

Der Energiekonzern Eon hat mit seiner Atomklage gegen den Bund und zwei Länder eine Schlappe erlitten. Das Landgericht Hannover wies die Klage auf rund 382 Millionen Euro Schadenersatz am Montag ab. Das Unternehmen hatte Entschädigung dafür gefordert, dass es 2011 nach der Atomkatastrophe von Fukushima die Atommeiler Isar 1 und Unterweser für drei Monate abschalten musste.

Das Moratorium für die ältesten deutschen Blöcke hatten die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Atomländer wenige Tage nach Fukushima vereinbart. Kurz danach folgte die Änderung des Atomgesetzes mit dem endgültigen Aus für zunächst acht Kraftwerke und dem Ausstiegsszenario für die übrigen Anlagen bis Ende 2022.

Deutschland: Kernkraftwerk Unterweser, Foto: dpa
Kernkraftwerk Unterweser von Eon war von dem Moratorium betroffenBild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Eon sieht sich bei Isar 1 und Unterweser enteignet und verlangt vom Bund sowie den Ländern Bayern und Niedersachsen eine Entschädigung. "Ich erwarte Gerechtigkeit", hatte Konzernchef Johannes Teyssen im Frühjahr zu den Atomklagen gesagt, als er seine Jahreszahlen vorlegte. Diese waren - nicht zuletzt wegen der Energiewende - tiefrot.

Anfechtungsklage wurde unterlassen

Der Vorsitzende Richter Martin Schulz begründete die Entscheidung gegen einen Ausgleich damit, dass das Unternehmen den Stopp der Meiler mit einer sofortigen Anfechtungsklage hätte verhindern können - dies aber unterlassen habe. Eon hatte dem in einer Verhandlung im April unter anderem entgegengehalten, dass ein solches Verfahren länger gedauert hätte als die Zwangspause selbst.

Klagewelle bislang abgewehrt

Nach dem abrupten deutschen Atomausstieg 2011 haben die Energiekonzerne eine Welle von Klagen gestartet, um Entschädigung für finanzielle Einbußen vor Gericht zu erstreiten. Dem Fiskus drohen Schadenersatzansprüche in Milliardenhöhe, doch bisher zeigten sich die Gerichte zugeknöpft. In Essen korrigierte das Gericht Ende 2015 den Schadenersatzanspruch von RWE noch vor der Entscheidung deutlich nach unten, in Bonn kassierte der EnBW-Konzern im Februar 2016 sogar eine glatte Abweisung.

2013 bekam RWE Recht

Alle Kläger stützen sich auf eine Entscheidung des hessischen Verwaltungsgerichtshofes von Anfang 2013. Das Gericht hatte das Moratorium für die beiden RWE-Kraftwerksblöcke von Biblis an der Bergstraße für rechtswidrig erklärt - unter anderem, weil RWE vor der Entscheidung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Entscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt.

Den großen Energiekonzernen geht es jedoch nicht nur um das Moratorium: RWE, Eon und Vattenfall haben in Karlsruhe mehrere Verfassungsbeschwerden gegen den gesamten beschleunigten Atomausstieg eingelegt. Die Unternehmen behaupten, ohne Entschädigung enteignet worden zu sein - das wäre verfassungswidrig. Da die Regierung ihnen die Kraftwerke nicht weggenommen sondern lediglich die Reststrommengen reduziert hat, müssen die Verfassungsrichter nun entscheiden, ob man auch zugesagte Strommengen enteignen kann.

Sollte das Gericht den Unternehmen Recht geben, müssten diese den Schadensersatz in weiteren Verfahren erstreiten. Hier geht es um die richtig großen Summen: Eon fordert mehr als acht Milliarden Euro, bei RWE gehen Analysten von sechs Milliarden aus. Vattenfall will 4,7 Milliarden Euro und klagt zusätzlich auch vor einem US-amerikanischen Schiedsgericht. Der vierte große Energieversorger in Deutschland, EnBW, hat keine Verfassungsklage erhoben.

Geht es in Wirklichkeit um Atom-Altlasten?

Allerdings bezweifeln manche Beobachter, ob es am Ende selbst bei einem Sieg der Konzerne wirklich zu Zahlungen kommt. Schließlich steht der milliardenschwere Atomausstieg an - und die Industrie will dringend die kaum kalkulierbaren Lasten für die Endlagerung loswerden. Nach dem Vorschlag der Atom-Kommission von Ende April sollen Eon, RWE, Vattenfall und EnBW dafür insgesamt 23,3 Milliarden Euro in einen Fonds überweisen. Über Details wird derzeit heftig hinter den Kulissen gerungen. Das Fallenlassen aller Klagen seitens der Industrie könnte zur Verhandlungsmasse in diesem Poker um Milliarden zählen, wird vermutet.

Im März 2011 hatte die Politik unter dem Eindruck der Fukushima-Katastrophe sieben deutsche Atommeiler herunterfahren lassen. Die Energieriesen kämpfen seit dem Start des Atomausstiegs um neue Geschäftsmodelle.

iw/ul (dpa, rtrs)