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EU diskutiert Fluggastkontrollen

2. Februar 2010

Versuchter Anschlag in den USA, Sicherheitspannen in München und Bratislava. Die Diskussion, wie die Kontrollen der Fluggäste verbessert werden können, ist in der EU in vollem Gange. Scanner oder mehr Personal?

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Passagiere auf dem Flughafen München nach Sperrung der Flugsteige.Foto: Andreas Gebert dpa/lby +++(c) dpa - Bildfunk+++
Falscher Alarm in München legte am 20.01.2010 den Flughafen lahmBild: dpa

Am Flughafen Schipol in Amsterdam sind bereits 15 so genannte schrankgroße Körperscanner im Einsatz, die auch am Körper verborgene Waffen und Sprengsätze erkennen sollen. Günter von Adrich ist als Projektmanager für die Einführung der neuen Sicherheitstechnik verantwortlich. Ungewohnt ist für Reisende nur, dass sie in dem Durchgang die Armen über den Kopf heben müssen, als ob jemand gesagt hätte: 'Hände hoch!'" Die Durchleuchtung dauert nur wenige Sekunden. Das Ergebnis erscheint auf einem Bildschirm: Die Körperumrisse des Reisenden sind deutlich zu sehen, aber keine Einzelheiten, wie Genitalien oder Prothesen.

Ein Mitarbeiter demonstriert in Amsterdam wie der Körperscanner funktioniert. (AP Photo/Cynthia Boll, File)
Hände hoch zum Durchleuchten!Bild: AP

Keine einheitlichen Regeln für Scanner

Noch ist die Benutzung der Geräte für die Fluggäste auf dem Flughafen Schipol freiwillig, denn es handelt sich um einen Feldversuch. Die Innenminister der Europäischen Union konnten sich bislang nicht auf ein einheitliches Vorgehen einigen. Die EU-Kommission empfiehlt die flächendeckende Einführung der Scanner. Die designierte EU-Kommissarin für Justiz, Viviane Reding, mahnt aber, die Persönlichkeitsrechte bei der Durchleuchtung bis auf die Haut zu achten: "Unser Wunsch nach Sicherheit kann nicht jeden Eingriff in die Privatsphäre rechtfertigen. Unser Bürger sind keine Objekte, sondern menschliche Wesen", sagt sie. Auch viele viele Abgeordnete im Europäischen Parlament haben Bedenken.

Mehr Technik oder mehr Personal?

Die niederländische Regierung will die neuen Scanner trotzdem so schnell wie möglich vor jedem Flugterminal aufstellen. In Italien sind Nackt- oder Körperscanner auf den beiden größten Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa geplant. Nur die Passagiere mit den Zielen USA oder Israel sollen durchleuchtet werden. In Großbritannien sollen in wenigen Tagen die ersten Scanner auf dem Flughafen London-Heathrow installiert werden. Frankreich möchte die Sanner zunächst einmal prüfen. In Paris sollen einige Geräte für freiwillige Tests aufgestellt werden. Auf kleineren Flughäfen in der EU ist im Moment nicht geplant, die rund 120.000 Euro teuren Scanner aufzustellen.

EU-Antiterrorkoordinator de Kerchove redet über Schutzmaßnahmen Foto: Corentin Fohlen +++(c) dpa - Report+++
Gilles de Kerchove soll die Schutzmaßnahmen der EU-Mitglieder koordinierenBild: picture-alliance / dpa

Man dürfe die Debatte auch nicht auf die Bodyscanner verkürzen, mahnt der Anti-Terror-Beauftragte der EU, Gilles de Kerchove: "Es geht um mehr als nur um die Technik auf dem Flughafen. Wir müssen einen vielschichtigen Ansatz wählen: Wir brauchen eine Verknüpfung der Informationen von Geheimdiensten und Polizei. Wir müssen wissen, welche Pässe gestohlen wurden und wer welches Visum besitzt." Denn Sicherheit lasse sich nicht mit immer mehr Technik erreichen. Flächendeckendes Scannen auf jedem Provinzflughafen sei zu aufwändig und zu teuer, meint de Kerchove.

Niedrige Löhne für Sicherheitspersonal

Die Gewerkschaft der Polizei in Deutschland kritisiert, dass Deutschland und viele andere EU-Staaten die Sicherheitskontrollen auf Flughäfen in die Hände von privaten Firmen gegeben haben. Der Kostendruck führe dazu, dass Menschen in unteren Lohngruppen hochsensible Aufgaben zu erfülllen hätten, sagte Josef Scheuring von der Polizeigewerkschaft der Deutschen Welle: "Das ist die sensibelste Stelle überhaupt im Luftsicherheitsbereich, wo gleichzeitig die sozialen Rahmenbedingungen abgesenkt worden sind. Wer sagt, man könne von Menschen immer mehr abverlangen und sie gleichzeitig immer schlechter bezahlen, der vertritt ein System, das mit Menschen und mit Zielen nichts zu tun hat."

Foto: Achim Scheidemann dpa/lnw +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bundespolizisten patroullieren im Flughafen DüsseldorfBild: picture alliance / dpa

Die Gewerkschaft der Polizei setzt sich dafür ein, nicht so sehr auf Technik, sondern auf gut ausgebildete Menschen zu bauen. Auf jedem Flughafen sollten so genannte Profiler eingesetzt werden, die nach psychologischen Kritierien Verdächtige aus dem Strom der Reisenden herausfiltern und befragen. Ähnlich gehen die Sicherheitsbehörden in Israel vor. Zusätzliche Kontrollen nur wegen der Nationalität sind in Deutschland allerdings im Moment rechtlich untersagt. Dem steht auch die Europäische Richtlinie gegen Diskriminierung entgegen.

EU-Agentur ist nicht für Fluggastkontrollen zuständig

Die Europäische Union hat inzwischen eine Behörde gegründet, die für die Sicherheit im europäischen Flugverkehr zuständig ist. Die EASA mit Sitz in Köln kümmert sich allerdings nur um die Zulassung von Flugzeugen, die Länge von Landebahnen und die Ausbildung von Piloten. Für Sicherheitskontrollen sei die Behörde nicht zuständig, erklärte eine Sprecherin. Das sei alleinige Aufgaben der Nationalstaaten und der Flughafenbetreiber.

Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Alvaro (Foto: picture-alliance/ZB)
Technik ist nicht alles, sagt der Europaabgeordnete AlvaroBild: picture-alliance/ZB

Der deutsche Europaabgeordnete Alexander Alvaro (FDP) kritisiert, dass die Mühlen in der EU viel zu langsam mahlten und man zu sehr auf Vereinheitlichung und Technik fixiert sei. Was fehle, sei die Verknüpfung von vorhandenen Erkenntnissen, sagte er in einer Anhörung des Parlaments: "Seit dem 11. September 2001 hören wir immer wieder, das Problem sei es, die einzelnen Komponenten zu verbinden. Wenn man nun fast zehn Jahre braucht, um Strukturen zu entwickeln, die diese Verbindungen schaffen, dann ist in den vergangenen zehn Jahren etwas schief gelaufen. Die Antwort war immer: Wir brauchen noch mehr Daten und noch mehr Datenaustausch. Aber das funktioniert ja scheinbar nicht."

In Moskau wird gescannt

In Russland versteht man die jüngste Debatte über Nacktscanner in Europa kaum. Auf den Flughäfen in Moskau werden schon seit Jahren Scanner eingesetzt - meist ohne dass die Passagiere davon überhaupt Notiz nehmen.

Das Europäische Parlament hatte übrigens nach dem 11. September 2001 für die eigenen Zugangskontrollen zu den Parlamentsgebäuden sechs Scanner angeschafft. Sie wurden aber wegen der umständlichen Handhabung und anderer Bedenken nie eingesetzt. Die Scanner stehen jetzt zum Verkauf. Kostenpunkt 725.000 Euro.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Julia Kuckelkorn