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Keine Beitrittsverhandlungen mit Kroatien: Eine zumindest fragwürdige Entscheidung der EU

17. März 2005

Die EU-Außenminister haben entschieden, die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien zu verschieben. Diese Entscheidung lässt politische Weitsicht vermissen, meint Bettina Burkart in ihrem Kommentar.

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Da kann man, wie viele politische Experten, die direkt mit Kroatien zu tun haben, angesichts des Brüsseler Vorgehens während der letzten Wochen nur mit dem Kopf schütteln. Bei allem Verständnis für das Bestehen auf einer Zusammenarbeit mit Den Haag und der Auslieferung des gesuchten Generals - diese Entscheidung lässt den großen Rahmen und die politische Weitsicht vermissen.

Innenpolitische Situation könnte kippen

Kroatien galt bis vor kurzer Zeit als das positive Beispiel, das als Motivator für die übrigen Länder der Region dienen sollte. Kroatiens große Anstrengungen in Hinblick auf die Annäherung an die Union wurden lautstark gelobt. Wirtschaft, Infrastruktur, Minderheitenrechte, Medien - auf vielen Gebieten hat Kroatien große Fortschritte erzielt. Zudem haben die großen Parteien über ihre Grenzen hinweg zu diesem Thema einen innenpolitischen Konsens gefunden. In der Ausrichtung auf Europa hat sich die nationalistische und die Außenwelt abschottende Partei des ehemaligen Autokraten Franjo Tudjman HDZ unter der entschlossenen Führung des jetzigen Ministerpräsidenten Ivo Sanader christ-demokratisch modernisiert und damit die Nationalisten ins politische Abseits gedrängt. Schon jetzt aber erheben diese wieder lautstark ihre Stimme. Es kann kaum richtig sein, dass die EU nun tatsächlich in Kauf nimmt, dass die innenpolitische Situation in Kroatien wieder Richtung Vergangenheit kippt und dass die jetzige Regierung unter Umständen bei den im Mai anstehenden Kommunalwahlenwahlen von rechter Seite aus in Bedrängnis kommt.

Del Pontes Einfluss

Um nicht falsch verstanden zu werden: Es stimmt, dass gewisse Kreise in Politik, Geheimdiensten und Militär den gesuchten General in einem Netzwerk geschützt haben und die Regierungen nicht tatkräftig damit aufgeräumt haben. Das stimmte aber auch schon zu dem Zeitpunkt im vergangenen Juni, als Carla del Ponte mit eben diesem Wissen durch ihr Verdikt, das Land arbeite voll mit dem Tribunal zusammen, Kroatien den Weg zum Kandidaten freimachte. In anderen Fällen hat Kroatien in den letzten Jahren, natürlich auch unter dem anhaltenden Druck des Westens, besser und besser mit dem Haager Tribunal zusammengearbeitet.

So darf man sich mit manchem Kroaten fragen, was denn nun dazu beigetragen hat, diese nicht stimmige Entscheidung zu fällen. Und was hat Kroatien zugewandte Länder wie Deutschland bewogen, auf diesen harten Kurs mit einzusteigen? Vielleicht wäre es für manchen Kroaten, aber auch andere Kritiker der jetzigen Entscheidung, leichter nachzuvollziehen, wenn Carla del Ponte einmal mit dem einen oder anderen Beweis für ihre Behauptung, Kroatien wisse, wo sich Gotovina aufhalte, an die Öffentlichkeit ginge. Ihr immer wiederkehrender nebulöser Bezug auf westliche Geheimdienste dient - Irak sei Dank - nicht wirklich der Glaubwürdigkeit. Und macht es EU-feindlichen, nationalistischen Kreisen umso leichter, auf der Klaviatur von "Seht her, wie ungerecht!" und mancher paranoider Verfolgungstheorie zu spielen.

Unverständnis in Brüssel

Warum also misst man in Brüssel mit mehrerlei Maß, siehe das Beispiel Türkei? Der Druck, mit Den Haag zusammenzuarbeiten, kann auch während der Gespräche aufrechterhalten werden, die bei Zuwiderhandlung jederzeit unterbrochen werden könnten. Logisch ist das alles nicht - aber für Kroatien brandgefährlich. Das hat man in Brüssel offenbar nicht verstanden oder - aus welchem Grund auch immer - nicht verstehen wollen.

Bettina Burkart
DW-RADIO/Kroatisch, 16.3.2005, Fokus Ost-Südost