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Kein Netz im Knast

Silke Wünsch23. Juli 2013

Im Strafvollzug ist das Internet höchst umstritten. Die Gefahr des Missbrauchs ist groß, die komplette digitale Abschottung von "draußen" aber auch bedenklich. Einige Gefängnisse suchen nun nach einem Mittelweg.

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Insasse blickt aus vergittertem Zellenfenster (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wer eingesperrt ist, kann nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Der Kontakt nach außen wird streng reguliert und überwacht. Seit 1998 dürfen in Deutschland Fernseher in den Zellen der Gefangenen stehen. Unter Beachtung genauer Regeln dürfen die Gefangenen auch telefonieren. Bei der Internetnutzung gibt es in Deutschland allerdings keine einheitlichen Regeln. Internet im Knast ist nur in ganz wenigen Bundesländern eingeschränkt erlaubt.

In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Gera in Thüringen ist es zum Beispiel möglich, ausgewählte Angebote im Netz zu sehen. Allerdings nur Seiten, die den Insassen im späteren Leben nach der Entlassung nützlich sein können. "Die freigegeben Seiten dienen alle der Resozialisierung, so sind beispielsweise die Seiten der Arbeitsagentur und der Bewährungs- und Straffälligenhilfe abrufbar", heißt es aus dem thüringischen Justizministerium.

Weiterführende Links funktionieren nicht, ebenso wenig kommen lustige Youtube-Videos in Frage, Soziale Netzwerke sind tabu. In einzelnen Fällen ist E-Mail-Verkehr erlaubt, der wird allerdings genau kontrolliert.

Spezial-PC für die Zelle

Die nötige Technik dafür liefert unter anderem eine Firma aus Hamburg. Sie hat sich auf Kommunikationsanlagen im Justizvollzug spezialisiert. Ihre Philosophie lautet: "Kommunikation und Information sind menschliche Grundbedürfnisse, die auch im Vollzug nicht mehr als Privileg gelten sollten."

So baut die Firma das sogenannte "Multio"-System: einen Computer, der Radio- und Fernsehempfang hat, mit dem man auch telefonieren und - eingeschränkt - ins Internet kann. Was auf diesen Geräten passiert, kann von der Gefängnisleitung genau beobachtet und nachvollzogen werden.

Gefängnis in Halberstadt (Foto: dpa)
Immer mehr Gefängnisse erlauben zumindest einen eingeschränkten Zugang zum NetzBild: picture-alliance/ZB

Seit Anfang Juni probiert die JVA Gera das Gerät aus, zwei weitere Gefängnisse in Thüringen haben mittlerweile auch "Multio-fähige" Haftplätze eingerichtet. In einer der Haftanstalten wird sogar darüber nachgedacht, richtige Computerarbeitsplätze einzurichten, an denen ein kontrollierter Internetzugang zur Verfügung steht. Die Nutzer könnten so auch ein Fernstudium absolvieren.

Schneller ins normale Leben zurück

Herbert Windmiller leitet die Abteilung Strafvollzug im thüringischen Justizministerium. Er hat sich für dieses Projekt eingesetzt, weil das digitale Zeitalter rasante gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringt, die Inhaftierte nicht mitbekommen. "Das sehe ich auch als ein großes Problem an. Wenn ein Insasse eine lange Haftzeit hinter sich hat, findet er eine Gesellschaft vor, in der er kaum zurechtkommen kann", sagt Windmiller. "Daher sollte auch beim Thema Internet der Angleichungsgrundsatz gelten."

Dieser Grundsatz ist im Strafvollzugsgesetz verankert und besagt, dass die Verhältnisse innerhalb der JVA weitestgehend an die Außenwelt angeglichen werden sollen. Dahinter steckt der Gedanke, dass entlassene Häftlinge viel schneller wieder ins normale Leben finden können, wenn sie noch während der Haftzeit an die Verhältnisse "draußen" gewöhnt werden.

Und da kommt man am Thema Internet nicht mehr vorbei. Immer mehr Bundesländer machen daher den eingeschränkten Internetzugang für ihre Strafgefangenen möglich.

Kinderpornos gefunden

In Nordrhein-Westfalen will man nicht so weit gehen. Denn hier hat man schon vor Jahren schlechte Erfahrungen gemacht. Detlef Feige vom Landesjustizministerium erzählt von einem Beispiel aus der JVA Geldern. Hier war es früher im Studienzentrum möglich, an Studiengängen einer Fern-Universität teilzunehmen. Das wurde 2006 eingestellt, da es, so Feige, zu "Vorfällen" gekommen sei: "In sämtlichen von Gefangenen genutzten Rechnern wurde manipulierte oder unzulässige Hardware gefunden, außerdem nicht genehmigte Software, sowie illegal kopierte Filme und Musikdateien." In einem der Rechner habe man sogar eine Vielzahl von Bildern mit kinderpornographischem Inhalt sichergestellt.

Daraufhin hat der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen ein striktes Computerverbot für Gefängnisse beschlossen. "Die Nutzung von Computern im geschlossenen Vollzug", so Detlef Feige, "bringt erhebliche Sicherheitsrisiken mit sich, insbesondere im Bereich der Internetkriminalität." Auch IT-Fachkräfte könnten da nicht viel ausrichten.

Computerraum in Gefängnis (Foto: picture alliance)
Geht meist nur offline: PC-Unterricht im GefängnisBild: picture-alliance/JOKER

Gefangene finden trotz Verboten immer wieder neue Wege, ins Internet zu kommen. Der thüringische Strafvollzugsleiter Windmiller kennt Fälle, in denen Smartphones einfach über die Mauer in den Gefängnishof geworfen werden. Auch Detlef Feige kennt die Smartphone-Tricks: "Es ist einigen schon gelungen, über eingeschmuggelte Smartphones Filme ins Internet zu stellen."

Nicht alle Häftlinge entwickeln direkt kriminelle Energie, sobald sie vor einem Computer sitzen. Viele wollen einfach nur die Möglichkeit haben, sich zu informieren oder ihren Freunden und Familien Mails zu schreiben.

Zurück in die Kommunikations-Steinzeit

Das Land Nordrhein-Westfalen verbietet zwar den Zugang zum Internet, doch gibt es beispielsweise in Köln für Langzeit-Häftlinge gegen Ende der Haftzeit Computerkurse, in der Gefangene im "Offline-Modus" den Umgang mit dem Internet üben können. Damit sie nicht ganz ahnungslos sind, wenn sie entlassen werden.

Doch auch umgekehrt ist das Thema Internet nicht ganz einfach. Wie geht es einem Menschen, der aus dem prallen Leben plötzlich von der modernen Kommunikation abgekoppelt wird? Rechtsanwalt Steffen Lindberg vertritt in Hessen einen Mann, der durch Betrügereien Millionen gemacht hat. Der Fall hatte großes Aufsehen in Deutschland erregt. Nun sitzt der berühmte Anlagebetrüger für acht Jahre hinter Gittern. Auch in Hessen gibt es kein Internet im Strafvollzug.

Aus der Sicht seines Anwalts Lindberg sei das Internetverbot ein "erheblicher Einschnitt" in das Leben der Insassen. Und dann formuliert er noch vorsichtig: "Die staatliche Justiz hat da einen gewissen Aufholbedarf."