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"Das Recht auf Rückkehr"

25. September 2009

Der Nahostkonflikt, die Angst vor dem Verlust des eigenen Kindes, die Beziehung von Vater und Sohn: In seinem neuen Roman "Das Recht auf Rückkehr" verwebt Leon de Winter seine Themen zu einer düsteren Zukunftsgeschichte.

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Leon de Winter, Foto: dpa
Erfolgsautor Leon de WinterBild: DPA

Man schreibt das Jahr 2024. Israel ist beinahe von der Landkarte verschwunden. Was noch existiert, ist ein Rumpfstaat von der Fläche Groß-Tel Avivs, ein Ländchen kurz vor dem Kollaps. Aus Angst vor den fanatischen antisemitischen Nachbarn hat es sich selbst haushoch eingezäunt und überwacht jeden Schritt seiner Bewohner akribisch. Jeden Schritt dieser Übriggebliebenen, der Kriminellen, Armen und Alten, die den Absprung verpasst haben und nun zwischen bröckelnden Mauern, Unrat und Hoffnungslosigkeit vor sich hin vegetieren.

Nahe ferne Zukunft

Siedlung in Jerusalem, Foto: AP
Israel, immer wieder IsraelBild: AP

"Hoffentlich gibt es Entwicklungen, die das alles unmöglich machen", sagt Leon de Winter. "Aber im Moment denke ich wirklich, dass das hier Realität sein könnte. Leider." Sein neues Buch versteht er denn auch keineswegs als Science-Fiction-Roman, sondern vielmehr als eine Warnung aus der Zukunft an die Gegenwart. 15 Jahre nur trennen uns von dieser Zukunft, in der Zentralasien längst von islamischen Fanatikern regiert wird, Putin immer noch an der Macht ist und die USA sich resigniert aus der Weltpolitik verabschiedet haben. Was aus dem Irak geworden ist, verrät de Winter leider nicht, aber das mag auch daran liegen, dass er eigentlich ja keinen politischen Roman schreiben wollte, sondern einen Thriller, eine menschliche Tragödie, die mit den komplizierten Zeitläuften allerdings unheilvoll verstrickt ist.

Ein Moment nur

Buchtitel, Bild: diogenes
Leon de Winters neues Buch "Das Recht auf Rückkehr"Bild: Amazon

"Das Recht auf Rückkehr" erzählt die Geschichte eines Mannes, der eigentlich nicht weiter leben kann, weil sein Sohn nicht mehr da ist. Nur einen Augenblick hat Bram nicht auf den Vierjährigen geachtet, dann ist das Kind plötzlich weg, wie vom Erdboden verschwunden. Und alles bricht ein, nichts ist mehr wie zuvor.

Abraham "Bram" Mannheim ist niederländischer Jude. Nach Israel ist er erst nach dem Abitur eingewandert. Spezialist für die Geschichte des Nahen Ostens wurde er dort, arbeitete in einer Friedensgruppe mit und hielt den Dialog mit den Arabern für möglich. Bram hatte eine wunderschöne Frau und mit ihr den Sohn, Bennie. Und er kümmerte sich um seinen Vater, einen Geizkragen, der Biochemiker war und Nobelpreisträger und zu Liebesbekundungen kaum fähig. Bram war einer, mit dem es das Leben im Großen und Ganzen gut meinte. Bis dann, kurz nachdem er einen Ruf nach Princeton angenommen hatte, sein Kind verschwand.

Überleben, aber wie?

Das, sagt Leon de Winter, sei sein Auftrag gewesen: Hearuszufinden, wie das ist, wenn so etwas passiert. "Wie könnte ich mich benehmen? Wie könnte ich überhaupt atmen? Leben? Um mich herum gucken? Weil, mein Kind ist nicht mehr da, mein Sohn. Und es ist meine Schuld. Ich hätte ihn festhalten sollen."

Bram jedenfalls verliert kurzzeitig den Verstand und langfristig alles, was ihm bisher im Leben wichtig war. Das erfährt der Leser aus klug einmontierten Rückblenden, die sich schließlich wie Mosaiksteinchen zusammenfügen. Im Jahre 2024, dem Jahr, in dem dieser souverän erzählte Roman einsetzt, aber lebt Bram längst wieder in Israel, betreibt eine Agentur zur Wiederauffindung verschwundener Kinder und ist regelmäßig als Rettungssanitäter im Einsatz. Denn es gibt viel zu tun, die Palästinenser attackieren das am Boden liegende Land heftig. Und dabei bedienen sie sich auch eines perfiden Mittels: Sie instrumentalisieren Juden, die nicht wissen, dass sie Juden sind, und lassen sie als Selbstmordattentäter Juden töten. Diese Männer lösen an keinem Kontrollposten Alarm aus, denn laut DNA-Analyse sind sie Juden und damit nicht gefährlich.

Keine Fiktion

Eine Technologie, die derartige DNA-Analysen möglich macht, gibt es schon, sagt Leon de Winter. "Und so kann man ziemlich genau – nicht bei allen Juden, aber es gibt eine große Menge – feststellen, wer mit wem verwandt ist. Also, faktisch stimmt es."

Die DNA-Analyse ist es schließlich auch, die Bram auf die Spur seines verschwundenen Sohnes führt und offenbart, dass der Hass islamischer Fanatiker die Familie Mannheim zum Spielball der blutigen Nahost-Politik gemacht hat. Mit überbordender Phantasie treibt de Winter diese düstere, spannungsgeladene Geschichte voran, um den Leser schließlich mit einer bitteren Botschaft zurückzulassen: dass Frieden im Nahen Osten ein schöner Traum ist und es dort wahrscheinlich nur Sieger und Besiegte geben kann.

Autorin: Silke Bartlik
Redaktion: Elena Singer