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Politik

Kauf dir Zugang zur Macht

23. November 2016

Die "Rent a Sozi"-Affäre der SPD wirft ein Schlaglicht darauf, wie Parteien ihre Einnahmen verbessern und Lobbyisten mit Politikern zusammenbringen: in einer Grauzone der Legalität.

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Parteienfinanzierung Symbolbild
Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Rechtens oder nicht rechtens? Oder 'nur' moralisch falsch, vielleicht auch politisch ungeschickt? Geht es allein nach dem Buchstaben des Parteiengesetzes und den Regeln der Parteienfinanzierung, hat sich niemand etwas zuschulden kommen lassen. Zu diesem vorläufigen Schluss kommt jedenfalls die Bundestagsverwaltung.

Was ist geschehen? Nach Recherchen des ZDF-Magazins "Frontal 21" bekamen Firmen und Lobbyisten gegen eine Zahlung von 3000 bis 7000 Euro Treffen mit SPD-Politikern vermittelt. Unter ihnen waren keineswegs nur kleine Fische, sondern unter anderen Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, Bundesjustizminister Heike Maas und der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Thomas Oppermann. Vermittelt hat die Treffen die PR-Agentur Network Media GmbH. Sie gehört zum Verlagshaus der SPD-Parteizeitung "Vorwärts", ist also praktisch Teil der Familie.

Auch wenn rein rechtlich gesehen an dem Vorgehen wohl nichts zu beanstanden ist, weiß die SPD um die verheerende Wirkung der Affäre: den Eindruck der Käuflichkeit. Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel will von den Vorfällen nichts gewusst haben und soll entsetzt sein. Die Partei trat sofort die Flucht nach vorn an. Sie hat die vermittelten Treffen sofort eingestellt, spricht von "schwerwiegenden Vorwürfen" gegen die Agentur und will die bisherigen Begegnungen zwischen Politikern und Lobbyisten prüfen lassen.

Sigmar Gabriel SPD
Weiß um die verheerende Wirkung der Affäre: SPD-Parteichef Sigmar GabrielBild: Getty Images/S.Gallup

Sitzen im Glashaus

Besonders pikant ist die Situation für Gabriel: Er selbst hatte die Praxis lauthals angeprangert, als die CDU sie anwandte: 2010 wurde bekannt, dass die damals regierende nordrhein-westfälische CDU Ministerpräsident Jürgen Rüttgers gegen Geld für Gesprächstermine 'vermietete'. Gabriel ereiferte sich beim SPD-Landesparteitag im Februar 2010: "Jeder Bürger, egal, wie viel er verdient, der kann mit uns reden. Wir verkaufen keine Amtsträger - auch nicht die Partei an andere Leute, die genug Geld haben." Genau dies scheint bei den Genossen über den Umweg einer Agentur aber passiert zu sein.

Bundestagspräsident Norbert Lammert nennt die jüngsten Vorfälle "selten dämlich", lässt aber offen, ob sie illegal waren. Andere gehen in ihrem Urteil allerdings schon heute weiter. Für sie spielt es auch keine Rolle, wenn die vermittelten Politiker, wie sie selbst sagen, persönlich kein Geld erhalten haben und auch nicht über die Umstände des Zustandekommens der Treffen informiert waren.

Die Konstanzer Verwaltungsrechtlerin Sophie Schöneberger etwa kommt in dem "Frontal-21"-Bericht zu dem Schluss, die Art des Sponsorings sei "eine sehr intelligente, aber im Endeffekt trotzdem rechtswidrige Umgehung der Parteienfinanzierung". Hätte die SPD gegen Geld ein Ministertreffen angeboten, wäre das ein Verstoß gegen das Parteienfinanzierungsrecht. Es könne nicht sein, dass "durch die Zwischenschaltung einer GmbH legal wird, was sonst illegal wäre", so Schöneberger.

CDU Parteien Sponsoring Affäre
2010 kritisierte die SPD die Praxis der NRW-CDU, den Ministerpräsidenten für Gespräche zu 'vermieten'Bild: dpa

Parteispender und Sponsoren

Bei Parteispendern müssen die Geldgeber in den Rechenschaftsberichten der Parteien auftauchen, Sponsoren dagegen nicht. Sponsoren sind zum Beispiel bei Parteitagen mit ihren Firmennamen präsent. Ziel ist, für sich zu werben. Wie viel die einzelnen Sponsoren zahlen, muss die Partei nicht angeben. Zusätzlich attraktiv ist das Sponsoring für die Firmen, weil sie die Zuwendungen steuerlich absetzen können. Solange es bei der bloßen Werbung bleibt, hält sich eine Partei, die daraus Einnahmen erzielt, an die Regeln. Doch wenn ein Sponsor sich mit Geld vor allem Zugang zur Macht verschafft, wäre eine Grenze überschritten. Diese Grenze dürfte allerdings fließend sein.

Den Graubereich will die Organisation LobbyControl durch eine gesetzliche Lösung beenden. Die Initiative dazu solle von der SPD kommen. Es müsse mehr Transparenz herrschen, damit für die Bürger ersichtlich sei, ob Geldzuwendungen zu politischen Entscheidungen zugunsten der Sponsoren führten. Annette Sawatzky von LobbyControl sagte im ZDF-Morgenmagazin: "Der eigentliche Skandal ist, dass diese Praxis derzeit nicht eindeutig illegal ist." Sawatzky macht sich vor allem Sorgen um den öffentlichen Eindruck in einer Zeit der Politikverdrossenheit und der politischen Radikalisierung: "Politik darf nicht mal den Anschein erwecken, käuflich zu sein. So etwas ist Gift für eine Demokratie."