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Katastrophen planen

Christopher Brott14. September 2005

Bei Naturkatastrophen läuft die Hilfe oft erst nach Tagen an. Muss nicht sein, meinen Berliner Logistiker. Sie entwickelten ein Modell, um bei Katastrophen schneller reagieren zu können.

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Späte Hilfe durch mangelndes SzenarioBild: AP

Auch Logistik-Fachleute können nur schwer verstehen, warum die Helfer in und um New Orleans so überfordert waren. Nur langsam waren nach dem Hurrikan "Katrina" im US-Bundesstaat Louisiana die Hilfs- und Rettungsmaßnahmen angelaufen. Nicht nur die Hurrikan-Opfer waren hilflos, auch die Rettungskräfte. Es gibt viele Vorwürfe an das amerikanische Katastrophenmanagement - denn im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der Welt sind die USA ein reiches Land mit guter Infrastruktur und gut ausgebildeten Hilfskräften.

Mangelndes Szenario

"Das Ausmaß wurde offenbar nicht erkannt", meint der Logistiker Phillipe Tufingki von der Technischen Universität in Berlin. Der Grund: Ein mangelndes Szenario. Logistiker bauen um den Bedarf in einer bestimmten Situation abzuschätzen, Szenarien auf. Auf diesen basieren alle folgenden Maßnahmen wie Versorgung oder Evakuierung. "Anscheinend ist dieses Szenario, wie es jetzt eingetroffen ist, nicht gebildet worden", sagt Tufingki.

In vielen Krisengebieten der Welt sei die Soforthilfe vor allem in den ersten Tagen ein Problem, weil die Logistik nicht gut genug strukturiert sei, so Tufingki. In einer Studie zur Logistik bei der Katastrophenhilfe haben er und seine Kollegen untersucht, wie sich gefährdete Regionen besser auf potentielle Naturkatastrophen vorbereiten können. Im Zentrum dieser Untersuchung standen Entwicklungsländer, die von Katastrophen oft viel härter getroffen werden, so zum Beispiel bei dem Tsunami in Südostasien oder der Hungersnot im Niger. "Ein internationales Katastrophenhilfesystem setzt eigentlich immer dann ein, wenn es sich in Ländern abspielt, wo es nur ein geringes Potenzial zur Selbsthilfe gibt", sagt Tufingki. "Und das ist auch im Ansatz ganz richtig, weil neun von zehn Katastrophen in der Regel in Entwicklungsländern stattfinden."

Orientierungsrahmen bei Katastrophen

Tufingki und seine Kollegen entwickelten ein zweistufiges Modell, mit dem ein "Orientierungsrahmen" für Logistik-Manager in Katastrophengebieten geschaffen werden kann. Aus diesem Modell leiteten sie Handlungsempfehlungen für Logistiker in solchen Situationen ab. Damit sollen eine bessere Planung möglich und der Bedarf bei Naturkatastrophen besser abgeschätzt werden können. So analysierten die Wissenschaftler zunächst eine gefährdete Region, zum Beispiel Südostasien, um zu erfahren, wie folgenreich eine Naturkatastrophe ausfallen könnte. Daraus ergab sich dann, welche Medikamente und Lebensmittel die Region im Falle einer Katastrophe benötigt und - damit verbunden -, wohin diese Hilfsgüter vor Ort gebracht werden und wie sie dorthin kommen könnten.

Alle Annahmen basieren auf dem, was die Wissenschaftler über die Logistik von großen Unternehmen wie zum Beispiel der Deutschen Post wissen. Eben dieses Wissen versuchten Tufingki und seine Kollegen auf die Logistik von Katastrophen zu übertragen. So müsse vor allem die rechtzeitige Planung im Vordergrund stehen, um im Bedarfsfall angemessen reagieren zu können. Heute lägen Gelder meistens nur für den zweckgebundenen Fall der Hilfe im Katastrophenfall vor. "Es gibt Organisationen, die sich davon ein bisschen unabhängig gemacht haben und Fonds gegründet haben. So hat zum Beispiel das Rote Kreuz eine Software entwickelt, um ihre logistischen Strukturen zu verfolgen, um zu wissen, wo sind die Güter. Das sind sehr kostenintensive Maßnahmen, die aber im Bedarfsfall die Hilfe bedeutend schneller und effizienter gestalten."

"Arbeitet zusammen"

Hilfsorganisationen müssten aber nicht nur gut planen, vielmehr müsste eine übergeordnete Instanz abstimmen, welche Hilfsorganisation wann und wo aktiv wird. Die Organisationen müssten schlicht besser miteinander zusammenarbeiten, sich besser vernetzen. "Diese organisationsübergreifende Arbeit ist eigentlich überhaupt nicht vorhanden", beklagt Tufingki. Der Wissenschaftler appelliert daher eindringlich an die Organisation endlich besser zusammen zu arbeiten. "Es gibt tausend Vorteile, die sich daraus ergeben, auch was Effizienz und Effektivität betrifft. Wenn man immer mehr Katastrophen hat, ist es umso wichtiger die Ressourcen ideal einzusetzen. Wenn jeder konkurriert, entsteht automatisch eine künstliche Knappheit, die auch die Preise hochtreibt."