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Karstadt-Beschäftigte bangen weiter

30. Mai 2010

Das Tauziehen um die insolvente Warenhauskette Karstadt ist wieder offen: Am Sonntag meldete sich ein vierter Bieter. Am Freitag hatte der Gläubigerausschuss eine Entscheidung über drei Offerten bis 7. Juni angekündigt.

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Fassade des Düsseldorfer-Karstadt-Warenhauses (Foto: AP)
Gläubiger: Qual der WahlBild: DW

Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg hat am Sonntag (30.05.2010) überraschend das Angebot eines vierten Bieters zur Übernahme der Kaufhauskette erhalten. Der St. Petersburger Unternehmer Artur Pachomow wolle 100 Prozent der Karstadt-Geschäftsanteile für einen "mittleren zweistelligen Millionenbetrag" erwerben, berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Ein Sprecher von Insolvenzverwalter Görg habe den Eingang eines offiziellen Schreibens der russischen Firmengruppe bestätigt. Das Konsortium, das von ehemaligen Karstadt-Managern beraten werde, wolle der Warenhauskette schon für das Weihnachtsgeschäft 2010 Liquiditätshilfen geben. Ab 2011 sollten dann jährlich rund 80 Millionen Euro investiert werden, um Karstadt langfristig zu sanieren. Dabei sei auch an zusätzliche Standorte außerhalb Deutschlands gedacht – laut "Spiegel" verwies das russische Konsortium in seinem Schreiben darauf, dass in St. Petersburg bereits eine geeignete Immobile zur Verfügung stehe.

Wieder alles offen?

Am Freitag hatte sich der Gläubigerausschuss darauf verständigt, bis zum 7. Juni über die vorgelegten Rettungsofferten der Investoren Highstreet, Berggruen und Triton zu entscheiden. Unmittelbar im Anschluss an die mehr als siebenstündigen Beratungen hatte Görg bekräftigt, es gebe keine weitere Terminverschiebung, am 9. Juni werde der Kaufvertrag unterschrieben. Nun zitiert "Bild am Sonntag" Görg allerdings mit den Worten, Bieter, Vermieter und Gewerkschaft müssten sich bald "zusammenraufen, sonst war's das."

Symbolbild Karstadt Rettung. (DW-Grafik: Per Sander)
Kommt die Rettung - und wenn ja, wann und wie?Bild: DW/BilderBox/AP
Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg (Foto: AP)
Bei ihm laufen alle Fäden zusammen: Insolvenzverwalter Klaus Hubert GörgBild: AP

Der Vorsitzende des Karstadt-Gesamtbetriebsrates, Hellmut Patzelt, umriss am Sonntag im Deutschlandradio Kultur seine Präferenz so: Der Investor, der nachhaltig eine mittel- und langfristige Zukunft und vor allem die Arbeitsplätze sichere, solle Karstadt dann auch haben. Patzelt sitzt als Belegschaftsvertreter im elfköpfigen Gläubigerausschuss, der die Rettungskonzepte der Investoren zu prüfen hat.

Schwierige Entscheidung


Während der Investor Triton bis zu 5000 Arbeitsplätze abbauen will, setzt die Berggruen-Holding vor allem auf niedrigere Mieten. Das Highstreet-Konsortium, das rund zwei Drittel der 120 Karstadt-Warenhäuser vermietet, plant keine gravierenden Veränderungen an den Standorten. Das Angebot war erst wenige Stunden vor den Beratungen am Freitag bekannt geworden und bietet den 25 000 Beschäftigtenn eine Beteiligung am Unternehmen als Gegenleistung für längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich. So soll die wöchentliche Arbeitszeit von derzeit 37,5 auf 39,5 Stunden erhöht werden.

Die Beschäftigten bangen um ihre Zukunft


Demonstrierende Karstadt-Mitarbeiter (Foto: AP)
Demonstrierende Karstadt-MitarbeiterBild: AP

Karstadt war 2009 zusammen mit seinem Mutterkonzern Arcandor Pleite gegangen, zu dem auch das traditionsreiche Versandhaus Quelle gehörte. Der Insolvenzverwalter will die 120 Karstadt-Filialen im Paket an einen Bieter verkaufen und so eine Zerschlagung des Unternehmens vermeiden. Karstadt hat rund 25.000 Mitarbeiter.

Die Bieter

Hinter dem Vermieter-Konsortium Highstreet, dem die Mehrzahl der Karstadt-Immobilien gehört, steht mehrheitlich die Investmentbank Goldman Sachs. Weitere Partner sind die Deutsche Bank und die italienischen Unternehmen Borletti, Generali und Pirelli. Borletti hat bereits Warenhaus-Erfahrung mit der italienischen Kette La Rinascente und dem französischen Kaufhaus Printemps gesammelt. Das Vermieter-Konsortium ist zugleich auch einer der Hauptgläubiger Karstadts.

Nicolas Berggruen brachte sich mit seiner Grundstücksgesellschaft Berggruen Holdings Ltd vergangene Woche überraschend als Karstadt-Retter ins Spiel. Der 48-jährige Sohn des 2007 verstorbenen Kunstsammlers Heinz Berggruen hat in verschiedenen Zeitungsinterviews betont, mit Karstadt kein "schnelles Geld" machen zu wollen, sondern langfristig zu investieren. Ein ausgewiesener Handelsexperte ist Berggruen nicht.

Der deutsch-skandinavische Investor Triton hat bislang durch die Übernahme von Unternehmen wie dem Autozulieferer Stabilus, Rütgers Chemie oder dem Fertighausbauer Kampa von sich Reden gemacht.

Autoren: Hartmut Lüning, Ulrike Quast (dpa, rtr, apn, afp)
Redaktion: Hajo Felten