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Bundesverfassungsgericht billigt CETA-Verfahren

13. Oktober 2016

Das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada kann wie geplant vorläufig in Kraft gesetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht verwarf Eilanträge von Tausenden von Klägern - allerdings mit Vorbehalten.

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Karlsruhe Bundesverfassungsgericht CETA Entscheidung
Bild: picture-alliances/dpa/U. Deck

Die Verfassungsrichter hatten zu entscheiden, ob Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel für die deutsche Regierung CETA am 18. Oktober wie angekündigt zustimmen darf. Dann treffen sich die Handelsminister beider Seiten, um Grünes Licht für das Abkommen zwischen der EU und Kanada zu geben. Das Abkommen soll am 27. Oktober in Brüssel unterzeichnet werden. Hätten die Karlsruher Richter der Klage stattgegeben, wäre es kaum mehr möglich, CETA wie geplant Anfang 2017 vorläufig in Kraft zu setzen.

In dem Verfahren ging es zunächst nur um die Zustimmung zum vorläufigen Start des Freihandelsabkommens. Die Hauptverhandlung um die Frage, ob das ganze Abkommen womöglich dem deutschen Grundgesetz widerspricht, wird längere Zeit in Anspruch nehmen. Ein Urteil in der Hauptsache wird erst in ein, zwei Jahren erwartet. Aber auch der Ratifizierungsprozess des Vertrags selbst braucht Zeit. CETA kann erst dann vollständig in Kraft treten, wenn zuvor die nationalen Parlamente ihre Zustimmung gegeben haben. Dieses Verfahren dürfte sich mindestens über ein Jahr hinziehen.

190.000 Kläger

Dem Eilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht war die größte Klage in der Geschichte des Gerichts vorausgegangen. Mehr als 190.000 Menschen wandten sich an die Richter in Karlsruhe. Angestoßen wurde die Klage von Organisationen wie Foodwatch, Campact oder Mehr Demokratie, auch Politiker der Partei Die Linke klagten. Eine Musiklehrerin aus Nordrhein-Westfalen allein sammelte mehr als 68.000 Unterschriften von weiteren Klägern.

Ein Nein der Bundesregierung zu CETA, das sich später als verfassungsrechtlich zulässig erweisen würde, hätte schwerere Nachteile als der Fall, dass sich das Abkommen nach eingehender Prüfung des Gerichts als verfassungswidrig erweise, erklärte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung würde sich negativ und irreparabel auf die internationale Stellung der Europäischen Union auswirken.

Zentraler Punkt der Verhandlung war die Frage, ob Deutschland aus dem Abkommen nach dessen vorläufigem Inkrafttreten überhaupt wieder herauskäme. Dazu stellten die Richter nun fest, die Bundesregierung könne das Abkommen unterzeichnen, wenn sichergestellt ist, dass Deutschland aus Ceta wieder aussteigen kann, falls es dazu durch ein späteres Karlsruher Urteil gezwungen wird. Die Bundesregierung hatte am Vortag die Auffassung vertreten, dass die Kündigung auch durch einen Einzelstaat möglich sei. Bundeswirtschaftsminister Gabriel sagte dem Gericht zu, dies auch verbindlich festzuhalten.

Berlin Anti-Ceta-Protest
Anti-Ceta-Proteste am Mittwoch in Berlin Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

“Gigantischer Schaden”

Die Gegner des Abkommens befürchten durch CETA negative Folgen für Verbraucherschutz, Sozial- und Umweltstandards. Außerdem sehen sie demokratische Prinzipien ausgehöhlt. Der Chef der Bundestagsfraktion der Grünen, Anton Hofreiter, fasste diese Kritik so zusammen: "CETA bedeutet Dumpingstandards bei Umwelt- und Verbraucherschutz, es verschafft Konzernen Klageprivilegien vor Schiedsgerichten, es gefährdet unsere öffentliche Daseinsvorsorge und untergräbt das Vorsorgeprinzip."

Dagegen sagte der Ökonom Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für  Wirtschaftsforschung: "Das Ceta-Abkommen wird sich positiv auf die Exporte und die deutsche Wirtschaft auswirken." Auch der ifo-Experte für Außenhandel, Gabriel Felbermayr, lobte das Abkommen und die Karlsruher Richter: "CETA ist ein modernes Abkommen, das das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 0,19 Prozent steigen lassen könnte“, so Feldmayer. "Das Abkommen ist auf demokratischen Wegen zu Stande gekommen. Wie kein anderes berücksichtigt es die Ängste und Befürchtungen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen."  

Minister Gabriel, der auch Vizekanzler der Bundesregierung ist, hatte vor Gericht argumentiert, "der Schaden für das Ansehen der EU und der Bundesregierung wäre gigantisch", würde dem Eilantrag stattgegeben werden. "Für Europa wäre das eine Katastrophe", so Gabriel.

Die Karlsruher Richter legten in ihrer Entscheidung vom Donnerstag nun fest, die Bundesregierung müsse sicherstellen, dass ab dem kommenden Jahr ausschließlich Teile des Abkommens gelten, die in die Zuständigkeit der EU fallen. Das von den Klägern beanstandete besondere Investitionsgericht für Schadensersatzklagen von Unternehmen dürfte damit erst nach der vollständigen Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente eingerichtet werden.

Gabriel “sehr zufrieden”

Teil des Freihandels-Abkommens ist ein sogenannter CETA-Ausschuss, besetzt durch Vertreter Kanadas und der EU, nicht aber der einzelnen EU-Mitglieder. Er soll die Bestimmungen des Vertrags laufend überprüfen und gegebenenfalls ändern können. Die Bundesrichter verlangen nun in ihrem Urteil, eine Rückbindung des CETA-Ausschusses zur Auslegung des Abkommens an den Bundestag müsse gesichert sein.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel äußerte nach Bekanntgabe der Entscheidung, zum Teil seien aus seiner Sicht die Bedingungen des Karlsruher Gerichts bereits erfüllt. "Insofern bin ich sehr zufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens", sagte Gabriel in Berlin. Die anderen vom Gericht formulierten Auflagen würden ebenfalls erfüllt werden. Gabriel hatte sich sehr für das Abkommen eingesetzt, auch gegen Widerstand in der eigenen Partei, der SPD.

ar/se (BVerfG, dpa, rtr)