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Karadzic gibt Muslimen Kriegsschuld

1. März 2010

Er gilt als der Hauptverursacher im Bosnienkrieg: der ehemalige Serbenführer Radovan Karadzic. Vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal ist der Prozess gegen ihn fortgesetzt worden. Für ihn ist klar: Die anderen waren Schuld.

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Karadzic in der Verhandlung vor dem Strafgerichtshof in Den Haag (Foto: AP)
Für den Angeklagten Ex-Serbenführer ist klar: die Anderen sind für den Bosnienkrieg verantwortlichBild: AP

Viele Jahre hat es gedauert, bis die serbische Regierung ihn an den internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert hat: Der wegen Völkermordes angeklagte ehemalige Serbenführer Radovan Karadzic. Jetzt hat er den bosnischen Muslimen die Schuld am Bosnienkrieg zwischen 1992 bis 1995 und am Tod Zehntausender Menschen zugewiesen. Die bosnischen Muslime "wollten 100 Prozent Kontrolle über Bosnien und das war die Hauptursache des Konflikts", sagte Karadzic am Montag (01.03.2010) bei der Darlegung seiner Verteidigungsstrategie vor dem UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag.

Schatten einer Frau über einer Gedenktafel für die Opfer von Srebrenica (Foto: dpa)
Die Erinnerung an den Völkermord in Srebrenica ist lebendigBild: dpa

Karadzic gibt Westmächten Mitschuld an Bürgerkriegen

Vor dem Gericht schilderte Karadzic seine Sichtweise der Dinge. Die Muslimführer hätten die Serben in Bosnien-Herzegowina provoziert und zu deren Tötung aufgerufen. Die Westmächte und auch der damalige US-Sonderbeauftragte für den Balkan, Richard Holbrooke, hätten auf ganzer Linie versagt. Den westlichen Staaten, darunter Deutschland und den USA, wies Karadzic eine Mitschuld an den Bürgerkriegen auf dem Balkan zu.

Insbesondere die Rolle Deutschlands kritisiert Karadzic mit scharfen Worten. Als folgenschwer habe sich in diesem Zusammenhang die maßgeblich von Deutschland unterstützte, wie er meint "voreilige" Anerkennung der einst zu Jugoslawien gehörenden Teilrepubliken Slowenien, Kroatien und Bosnien erwiesen. In seiner Argumentation behauptet der Angeklagte, einer der Beweggründe für Deutschland sei gewesen, dass es im Zweiten Weltkrieg mit den Kroaten verbündet war.

Karadzic argumentierte in seiner Verteidigungsrede teilweise mit nationalistischen Untertönen. "Ich werde unsere Nation und ihre gerechte und heilige Sache verteidigen", sagte der 64-Jährige, der auf nicht schuldig plädiert. Bei dem Krieg sei es einzig um den Schutz "unserer Köpfe, unseres Eigentums und unserer Gebiete" gegangen. Die bosnischen Serben hätten "500 Jahre gelitten". Karadzic war erstmals 1995 in Abwesenheit angeklagt worden. Nach jahrelanger Flucht war der studierte Psychiater im Juli 2008 festgenommen und an das UN-Tribunal in Den Haag überstellt worden. Ihm droht lebenslange Haft. Bislang hatte er sich stets geweigert, sich zu den Vorwürfen zu äußern und stattdessen die Zuständigkeit des Tribunals bestritten.

Karadzic gilt als Hauptverantwortlicher für Srebrenica-Massaker

Das Gebäude des internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (Foto: AP)
Karadzic verteidigt sich zurzeit am internationalen Strafgerichtshof in Den HaagBild: AP

Eine komplett andere Sichtweise als Karadzic vertritt Staatsanwalt Alan Tieger. Er hatte dem Ex-Serbenführer bei der Eröffnung des Prozesses im Oktober vergangenen Jahres vorgeworfen, er habe "die Kräfte des Nationalismus, des Hasses und der Angst zielgerichtet eingesetzt, um seine Vision eines ethnisch geteilten Bosnien zu verwirklichen". Radovan Karadzic gilt unter anderem als Hauptverantwortlicher für das Massaker von Srebrenica, bei dem 1995 fast 8000 muslimische Männer getötet wurden.

Autor: Marcus Bölz (dpa, afp, rtr)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot