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Kampf ums Öl im Sudan

2. Februar 2011

Fast 99 Prozent der Südsudanesen stimmten im Referendum für ihre Unabhängigkeit. Die Bevölkerung blickt optimistisch in die Zukunft. Doch bringt diese auch den ersehnten wirtschaftlichen Erfolg?

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Ölförderung im Sudan (Foto: AP)
Bei der Ölförderung sind Nord- und Südsudan aufeinander angewiesenBild: AP

Nord- und Südsudan sind wirtschaftlich voneinander abhängig. Die größten Ölvorkommen liegen im Süden, der Norden hat dagegen die Raffinerien, die Pipeline und einen Hafen, um das Öl zu verschiffen. Die Abspaltung des Südsudans hätte weitreichende Konsequenzen für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des ganzen Sudan.

Sudans Präsident Omar al-Bashir (Foto: AP)
Präsident Omar al-Bashir verliert durch die Teilung an EinflussBild: dapd

Der Norden befürchtet, dass er bei der Abspaltung des Südens seine Einkünfte aus der Erdölförderung verlieren wird, denn dort liegen 70 Prozent des Erdöls. Diese Einnahmen machen heute die Hälfte des sudanesischen Budgets aus und sogar 90 Prozent der ausländischen Devisen-Einkünfte. Zurzeit steht laut Friedensvertrag, den Nord- und Südsudan nach dem Bürgerkrieg geschlossen hatten, jedem der beiden Landesteile die Hälfte der Öleinkünfte zu. Abda Yahia Abdul Rahman Al Mahdi, Leiterin der UNICONS Consultancy Ltd. in Khartum und ehemalige Finanzstaatsministerin, meint, dass beide Seiten auch weiterhin an einer einvernehmlichen Teilung der Einnahmen interessiert seien, denn der Norden brauche das Öl und der Süden die Infrastruktur. Der Bau einer alternativen Exportpipeline über Kenia wäre für den Süden sehr teuer und würde mindestens drei Jahre dauern. Deswegen glaubt sie, dass "ein Verteilungsabkommen nach der Abtrennung unabdingbar ist - und sollte es nicht möglich sein, wäre die Alternative schlecht, denn dann könnte es zu einem Krieg kommen".

Verlust für den Norden

Trotz aller Beteuerungen des sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir erscheint es unklar, ob die Spaltung zwischen Süd und Nord friedlich verlaufen wird. Erst 2005 wurde ein 20-jähriger Bürgerkrieg beendet, der schätzungsweise zwei Millionen Tote hinterließ. Aber auch eine friedliche Trennung wird im Norden negativ gesehen. Adel Abdelaziz, Experte im Internationalen Zentrum für Afrikanische Studien in Khartum, glaubt, dass aus wirtschaftlicher Perspektive die Trennung zweifellos Nachteile hätte. "Ein Viertel der Fläche des Sudan würde abgetrennt, mit all ihren Bodenschätzen, den bekannten und noch nicht entdeckten. Es bedeutet auch eine Verringerung der Einwohnerzahl um ungefähr ein Viertel. Das repräsentiert ein wichtiges Arbeitskräftepotenzial." Es sei eben bekannt, dass die Stärke eines Landes von seinen Ressourcen an Rohstoffen und Arbeitskräften abhängt.

Obwohl die sudanesische Wirtschaft nach Weltbankangaben von 1999 bis 2008 - nicht zuletzt wegen der wachsenden Erdölwirtschaft - erheblich gewachsen ist, stehen beide Teile Sudans vor großen Herausforderungen, betont die Finanzexpertin al-Mahdi. Die starke Abhängigkeit vom Öl und die Vernachlässigung des Agrarsektors habe dazu geführt, dass die Jugend keine Arbeit mehr auf dem Lande findet und in die großen Städte des Landes wie Khartum, wo Dienstleistungen vorhanden sind, emigriert.

Nordsudan wappnet sich für die Zukunft

Neben der Ölförderung will der Norden sich auf die Landwirtschaft konzentrieren (Foto: AP)
Neben der Ölförderung will der Norden sich auf die Landwirtschaft konzentrieren

In den nächsten Jahren will Khartum deshalb die landwirtschaftliche Produktion ankurbeln. Nach dem Bau des umstrittenen Merowe-Staudamms sollen weitere Staudämme folgen. Das aufgestaute Nilwasser könnte riesige Flächen trockenen Bodens in fruchtbares Ackerland verwandeln. Adel Abdelaziz zufolge haben bereits viele ausländische Investoren ihr Interesse bekundet. Es gebe eine strategische Kooperation mit Kuwait, das vor kurzer Zeit zugesagt hat, vier Milliarden Dollar im Ostsudan zu investieren. Außerdem soll es ähnliche Kooperationen mit den Regierungen von China und Brasilien geben. Diese Länder scheinen Vertrauen in die sudanesische Regierung zu haben, besonders in ihre Fähigkeit, dass sie zukünftig eine vertrauensvolle Stimmung für Investitionen sichern kann.

Doch insgesamt bleibt das Vertrauen in die Zukunft angesichts der Folgen einer Trennung eher schwach. Deswegen hat das sudanesische Pfund im Vorfeld des Referendums kräftig an Wert eingebüßt. Das hat sich negativ auf das Investitionsklima ausgewirkt, sagt der langjährige Sudan-Beobachter John Ashworth. Er meint, der Nordsudan sei kein attraktiver Ort für Investitionen, "weil die Regierung ein autoritäres Regime führt". Dazu kommen finanzielle Lasten: Die Auslandsschulden beliefen sich Ende 2009 mit 35,7 Milliarden US-Dollar auf zwei Drittel des Bruttoinlandsprodukts. Sudan hat diese Altschulden seit Mitte der 1980er Jahre nicht mehr bedient und in den letzen Jahren vor allem aus China, Indien und den Golfstaaten neue Kredite erhalten.

Entwicklungschancen für den Südsudan

Die Südsudanesen hoffen auf eine bessere Zukunft (Foto: DW)
Die Südsudanesen hoffen auf eine bessere ZukunftBild: DW/Shinger

Im Gegensatz zur Regierung in Khartum hat der Südsudan wenig zu verlieren, denn er wurde ohnehin in der Vergangenheit schon sehr vernachlässigt. Der Süden leidet nach wie vor unter den Folgen des Bürgerkriegs. Es gibt kaum asphaltierte Straßen. Schulen und Krankenhäuser sind in schlechtem Zustand, die Infrastruktur ist mangelhaft, und es fehlt an qualifizierten Arbeitskräften.

Trotzdem findet Manfred van Eckart von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, dass der Südsudan gute Vorraussetzungen hat: "Der Südsudan verfügt über sehr viele Rohstoffe, und es gibt neben Erdöl sehr viele noch nicht bekannte Rohstoffvorkommen im Bereich von Erzen und anderen Mineralien." Darüber hinaus gebe es ein sehr hohes landwirtschaftliches Produktionspotenzial. So stehe der Entwicklung des Südsudans nichts im Wege, vorausgesetzt der neue Staat setzt seine Einnahmen auch verantwortungsvoll und zukunftsweisend ein.

Der erste Schritt zur Unabhängigkeit ist durch die Unterstützung der USA erfolgt, indem sie der südsudanesischen "Bank of Juba" einen eigenen internationalen "Banking Code" ermöglichte. Das erlaubt ausländischen Investoren, Banktransaktionen im Südsudan durchzuführen, ohne über Banken in Khartum zu gehen.

Autorin: Lina Hoffmann

Redaktion: Maja Braun / Katrin Ogunsade