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Kampf mit Worten und Bildern

Rainer Sollich13. Februar 2003

Wenn ein Krieg ausbricht, dann ist es mit der "objektiven Berichterstattung" schnell vorbei. Unbequeme Wahrheiten werden vertuscht oder verschwiegen. Wieviel "Presse" wird es im Fall eines Irakkriegs geben?

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Bild: AP

Im Kriegsfall sind die irakischen Bürger unmittelbar betroffen, haben aber kaum Möglichkeiten, sich ein umfassendes Bild zu machen. Die Medien sind staatlich kontrolliert und veröffentlichen nur, was Saddam Hussein und seinem Clan in den Kram passt - also Propaganda. Internationale Zeitungen oder TV-Sender wie CNN oder der arabisch-sprachige Fernsehsender El Dschasira sind für einfache irakische Bürger fast unzugänglich und auch das Internet ist kaum verbreitet. Und selbst wenn: Das Angebot läuft über einen staatlichen Server - die wichtigsten westlichen Online-Quellen sind damit blockiert.

Wissen, was vor sich geht

Die noch am besten zugänglichen neutralen Informationsquellen sind Kurz- und Mittelwellenprogramme von internationalen Radiostationen wie Deutsche Welle, Radio Monte Carlo oder BBC. Sie können von der irakischen Zensur zwar mit Funksignalen gestört, aber nicht völlig unterbunden werden. Abdul Rahman Othman, Redakteur im Arabischen Programm der Deutschen Welle, hat vergangenen Oktober bei einem Besuch in Bagdad den Eindruck gewonnen, dass viele Iraker solche Programme hören.

"Die Menschen wissen was los ist. Es ist nicht so, dass sie keine Ahnung haben. Sie wissen, welche Argumente die Amerikaner und der Westen insgesamt haben", sagt Othman. Und weiter: "Anders als bei meinem Besuch 1991 war jetzt mein Eindruck: Die Menschen sind sehr, sehr wütend auf die Amerikaner. Denn die Sanktionen haben die Bevölkerung getroffen - und nicht die Regierung. Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Menschen die amerikanischen Argumente glauben." Die US-Regierung weiß das natürlich und versucht gegenzusteuern. Im Irak geschieht dies schon jetzt durch Anti-Saddam-Propaganda in Form von Radiosendungen und Flugblättern.

Meinungsbildung à la George W. Bush

Washington will auch die Öffentlichkeit im eigenen Land und anderen westlichen Staaten beeinflussen. Und die Regierung verfolgt dafür im wesentlichen zwei Strategien:

Strategie Nummer 1: Washington versucht erstmals in größerem Ausmaß Journalisten einzubinden, indem es einen Teil von ihnen mit an die Front ziehen lässt und bereits jetzt für diesen Einsatz ausbildet. Das Kalkül dabei: Die Journalisten könnten weniger zu kritischen Eigen-Recherchen neigen, wenn sie live dabei sein dürfen, wenn sie obendrein in eine gewisse Verantwortung - etwa für die Sicherheit der US-Soldaten - eingebunden werden, aber trotzdem schnell die dringend benötigten Bilder und Töne von der Kriegsfront bekommen.

Peter Philipp, Nahost-Experte, erfahrener Kriegsreporter und Chefkorrespondent der Deutschen Welle, sieht die neue amerikanische "Transparenz" gegenüber den Medien denn auch sehr kritisch. "Ich glaube, man sollte sich da keinen allzu großen Illusionen hingeben. Das werden sehr ausgewählte Journalisten sein - und vermutlich in erster Linie auch amerikanische Journalisten", sagt Philipp, "damit eben in den amerikanischen Medien und in der amerikanischen Öffentlichkeit die 'richtige' Stimmung und die 'richtige' Haltung gegenüber diesem Krieg erweckt wird."

Strategie Nr. 2 lautet: Psychologische Kriegsführung. Der viel kritisierte US-Plan, die Weltöffentlichkeit bewusst auch mit Falschmeldungen zu versorgen, ist offiziell zwar vom Tisch. Doch anstelle des dafür geplanten "Büros für strategische Einflussnahme" wurde in Washington inzwischen ein "Büro für globale Kommunikation" eingerichtet. Und offenbar ist es diesem Büro zu verdanken, dass viele amerikanische Medien inzwischen entgegen ihrer früheren Darstellung behaupten, Saddam Hussein hätte 1998 die UNO-Inspektoren widerrechtlich aus dem Irak geworfen. Diese Version ist zumindest umstritten. Laut anderen Quellen soll nämlich der damalige Chefinspektor Richard Butler von den bevorstehenden US-Angriffen erfahren und sein Team deshalb freiwillig abgezogen haben.

Hausgemachte Wahrheiten

Im Kuwait-Krieg Anfang der 1990er Jahre hat nicht nur der Irak die Weltöffentlichkeit mit irreführenden Propaganda-Meldungen gefüttert. Auch den allierten Kräften gelang ein Propaganda-Erfolg mit der angeblichen Ermordung hunderter kuweitischer Babys durch irakische Besatzungstruppen. Wie sich später herausstellte: eine frei erfundene Story, ausgeheckt von einer Public-Relations-Agentur. Ein anderes Beispiel: Der Irak behauptete 1991, die USA hätten Zivilisten bombardiert. Die USA dagegen erklären, der Irak habe absichtlich schwere Waffen in Wohngebieten platziert und so seine eigenen Bürger als menschliche Schutzschilde missbraucht.

Mitten im Kriegsgeschehen haben Journalisten oft weder die Zeit noch die Möglichkeit, solche Informationen zu überprüfen. Und wenn die Information direkt von einer der kriegsführenden Parteien kommt, können die Medien sie auch nicht ignorieren - sondern nur als nicht-überprüfbare Behauptung kenntlich machen. Allerdings stellt sich hier die Frage, in welchem Ausmaß der durchschnittliche Medienkonsument den feinen Unterschied überhaupt wahrnimmt.

Im Vergleich zu den Irakis können sich Bürger in Ländern mit Pressefreiheit zwar aus zahlreichen Quellen über den Konflikt informieren: Sie können eher pro-amerikanische mit US-kritischen Medien vergleichen und bekommen Informationen sowohl von der amerikanischen Seite, als auch von Mitarbeitern in Bagdad. Nur: Die Bewegungsfreiheit der Journalisten ist hier wie dort eingeschränkt, weiß Peter Philipp aus Erfahrung - und die Vielzahl unterschiedlicher Quellen ergibt oft erst recht ein unklares Bild: "Dennoch: Das ist mehr, als wenn man nur im Konferenzraum in Doha oder in Washington sitzt. Überhaupt ist es eine Illusion, wenn man denkt, man könnte in einer solchen Situation ein ausgewogenes, 'objektives' Bild haben."