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Gesellschaft

Kampf gegen illegalen Hundehandel

18. September 2019

Viele verbinden den Begriff "Schmuggel" mit Drogen oder Waffen. Mittlerweile erlebt ein anderes Geschäft in Europa einen regelrechten Boom: der illegale Hundehandel. Und die Profite sind vergleichbar.

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Der gelernte Tierpfleger Stefan Klippstein setzt sich für Hunde ein
Der gelernte Tierpfleger Stefan Klippstein setzt sich für Hunde einBild: DW/L. Pitu

Welpenmafia: Das Geschäft mit dem Hund

"Vergiss nicht zu fragen, woher sie kommen." Es sind Stefans letzte Anweisungen an die Freundin Claudia (Name geändert), bevor die beiden auf einer Straße in Berlin mutmaßlichen illegalen Hundehändlern eine Falle stellen. Die Polizei ist bereits informiert. Claudia, die schon mehrmals für Tierschützer Stefan Klippstein den Lockvogel spielte, hat sich als interessierte Käuferin gemeldet. Sie trifft gleich die Händler. Diese haben vor, im Berliner Bezirk Wedding einen kleinen Malteser-Hund zu verkaufen.               

"Wenn ich das abgesprochene Zeichen mache, kommen Sie schnell, ja?", fragt Claudia die Polizisten und versucht dabei, ihr Zittern zu bewältigen. Die Polizisten und Stefan beobachten die Szene aus mehreren Verstecken. Die Spannung steigt. Drei Personen, die angeblich aus Serbien stammen, steigen aus einer schwarzen Luxuskarosse. Sie verlangen 500 Euro für einen sichtbar kranken Welpen. Ob er geimpft ist, wissen sie nicht. Nach weiteren Fragen nimmt Claudia den Hund in die Arme. Die Nervosität wird unerträglich. Sie macht das Zeichen. Die Polizisten rennen los: "Polizei! An die Wand!" Die gewaltbereiten Händler werden festgenommen.    

Fast täglich sucht Klippstein dubiose Anzeigen im Internet und alarmiert die Polizei. Auch den verdächtigen Fall aus Berlin hat er sofort erkannt. Sein Gespür für Betrüger hat sich bestätigt: Die Händler hatten ein beachtliches Vorstrafenregister. 

Hunde wie Drogen?

So ein großer Aufstand für einen kleinen Hund? Der Fall des Maltesers in Berlin ist nur ein Bruchteil dessen, was in der Szene der illegalen Hundehändler in Deutschland und Europa abläuft. Millionen von Hunden werden jährlich illegal durch Europa transportiert - krank, ungeimpft, ohne oder mit gefälschten Papieren. Käufer werden konsequent betrogen, die Tiere sterben oft nach dem Verkauf. 

Dabei verdienen die illegalen Händler unvorstellbare Summen. Tierschützer und einige Politiker warnen davor, dass mittlerweile die Profite der illegalen Hundehändler vergleichbar mit denen der Drogendealer seien. 

Renate Sommer (CDU), ehemalige Europaabgeordnete, bestätigt diese Informationen und sprach in einem DW-Interview von "organisierter Kriminalität", die auf europäischem Niveau gestoppt werden müsse. Das meint auch Lea Schmitz, Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbundes: "Man kann sicherlich von einer organisierten Kriminalität ausgehen, von Menschen, die Hunde hierher nach Deutschland bringen und verkaufen." Laut einer Studie der Europäischen Kommission werden jährlich fast 550.000 Hunde illegal über Europas Grenzen transportiert. Das sind nur die offiziellen Zahlen, also die entdeckten Fälle. Die Realität dürfte viel düsterer sein.

Problem Internet 

Eine konkrete Kalkulation hat die NGO Vier Pfoten vorgelegt: Allein über eBay-Kleinanzeigen würden jährlich 2,3 Millionen Hunde verkauft. Die meisten illegal. Der Profit liege bei 700 Euro pro Hund. Die Summe, die dabei herausschaut: 1,6 Milliarden Euro. Nur über eBay! 

Laut der Tierschutzorganisation "EU Dog & Cat Alliance" findet man europaweit an einem beliebigen Tag auf Dutzenden Online-Plattformen etwa 400.000 Anzeigen für Hunde. Europol-Statistiken belegen, dass die Drogendealer in Europa 24 Milliarden Euro pro Jahr verdienen. Eine einfache Rechnung zeigt: Die Profite der Hundemafia sehen ähnlich aus.

Nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes kommen die meisten illegal importierten Hunde aus Rumänien, gefolgt von Ungarn, Serbien und Bulgarien. Die Geschäfte werden hauptsächlich über das Internet abgewickelt.

Wie arbeitet die Hundemafia? 

Neben den Rassehunden, die unter widrigen Bedingungen von illegalen Züchtern in Südosteuropa vermehrt und für einen vielfachen Preis in Westeuropa verkauft werden, hat sich ein anderes skurriles Geschäft entwickelt.

Der rumänische Tierschützer Marius Chirca
Der rumänische Tierschützer Marius Chirca Bild: DW/L. Pitu

In Südosteuropa sind die Straßenhunde ein bekanntes Bild. Viele werden eingefangen und in staatliche Tierheime gebracht, wo sie nach einer gewissen Zeit laut Gesetz getötet werden dürfen, wenn sie niemand aufnimmt. Einige private lokale und internationale Tierschutzorganisationen kümmern sich um diese Hunde. Trotzdem - oder vielleicht gerade weil die prekäre Situation der Tiere bei vielen Menschen Mitleid hervorruft, hat sich das Geschäft mit den Straßenhunden entwickelt: der illegale Export nach Westeuropa. Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund bestätigt: "Oft wird unter dem Deckmantel des Tierschutzes Geld mit diesen Hunden gemacht."

Stefan Klippstein ist die Situation bekannt: "Man sagt, man rettet Straßenhunde, dann werden 60-70 Tiere gratis aus den Tierheimen geholt und über Facebook an neue Besitzer, die die Tiere gar nicht kennen, gegen Schutzgebühren vermittelt. Einige haben richtige Firmen gegründet, haben sich spezialisiert, diese Tiere in Massen aus Osteuropa nach Deutschland zu bringen."

Im Prinzip eine edle Idee - allein, solchen "Rettern" geht es nicht um das Wohl der Tiere, sondern schlichtweg ums Geld. Involviert sind vermeintliche Tierschützer - zum Beispiel aus Deutschland -, die mit Vermittlern in Osteuropa zusammenarbeiten. Hunde werden teilweise ungeimpft und mit gefälschten Papieren exportiert. Ein paar Hundert Euro pro Hund für Impfungen, legale Pässe und Mikrochip-Markierung auszugeben, würde die Profite vermindern. 

Da helfen korrupte Tierärzte, die falsche Unterlagen ausstellen. Dogs Trust, eine bekannte Tierschutzorganisation im Vereinigten Königreich, konnte durch eine komplexe Recherche zeigen, wie einfach Händler in Rumänien falsche Papiere von Veterinären beschaffen konnten.

Am anderen Ende der Verbrecherspirale 

Was Stefan Klippstein in Deutschland schafft, leistet in Rumänien Marius Chirca. Der ehemalige Bankangestellte hat seinen Job aufgegeben und vor sechs Jahren ein Tierheim gegründet. Er erstattet Anzeigen, kämpft gegen die Schmuggler und versucht, die Gesetze zu ändern. Sowohl Chirca als auch Klippstein wurden mehrmals von Betrügern körperlich angegriffen.   

Die Schmuggler verdienen fünfstellige Summen mit einem einzigen Transport, erzählt Chirca der DW: "Die 'Retter' schreiben dann: 'Wir brauchen Geld für den Transport.' Und der Deutsche, der Italiener, der Engländer beginnt zu zahlen. So kommen ein paar Tausend Euro zusammen. Die Hunde werden in eine Pflegestelle gebracht, wo wieder Sponsoren gesucht werden. Dann folgt die nächste Etappe: Geld für vermeintliche Impfungen, Pässe usw. Und so wird noch einmal kassiert. Wahrscheinlich insgesamt 20.000-25.000 Euro für 30-40 Hunde." 

Ein Ende in Sicht?

"Es ist frustrierend für mich", sagt Klippstein, "dass der Tierhandel im Internet immer noch nicht verboten ist." Ein solches Verbot ist auch nicht in Sicht, obwohl der illegale Hundehandel zum weit verbreiteten Phänomen geworden ist. In Deutschland reagiert die Polizei nur auf Anzeigen, wie im Fall des Maltesers in Berlin. Außerdem werden illegale Hundetransporte wöchentlich auf der Autobahn entdeckt, oft per Zufall.

Anders als in Österreich und der Schweiz, wo der Hundehandel im Internet in den vergangenen Jahren gesetzlich verboten wurde, gibt es weder in Deutschland noch auf gesamteuropäischer Ebene gezielte Maßnahmen, um den Hunde-Schmuggel zu stoppen. Und so werden weiter Monat für Monat Millionen Euro verdient - durch den Schmuggel mit Hunden aus Osteuropa. Während der DW-Recherche hat die Bayerische Polizei erneut einen Hunde-Transport aus Rumänien beschlagnahmt.     

Porträt einer Frau mit langen braunen Haaren, im Hintergrund sind die Dächer einer Stadt, Kirchtürme usw. zu sehen
Lavinia Pitu Video-Redakteurin, Investigativ-Journalistin, TV-Moderatorin