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Kamerun: Separatisten drohen Journalisten

Isaac Mugabi
14. Mai 2023

Drei Journalisten sind im anglophonen Kamerun seit Jahresbeginn ermordet worden. Weil Medienschaffende protestieren, drohen Separatisten jetzt mit Lösegelderpressung.

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Kamerun: Polizisten beobachten eine Straßenkreuzung in Buea (Foto: Getty Images/AFP/M. Longari)
Polizei-Patrouille 2018 in Buea: Der Befreiungskampf der Separatisten hat das Leben im anglophonen Kamerun verschlimmertBild: Getty Images/AFP/M. Longari

Es ist eine eindringliche Warnung, die Capo Daniel, der Anführer einer separatistischen Gruppe in Kamerun, vor Kurzem auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat: Jeder Journalist, der verhaftet wird, müsse 2 Millionen zentralafrikanische CFA-Francs (rund 3000 Euro) zahlen, um seine Freilassung zu erwirken.

Daniel reagierte damit auf die Proteste von Journalisten gegen die Ermordung eines ihrer Kollegen, Anye Nde Nsoh, Leiter des Regionalbüros der Zeitung The Advocate. Daniels Gruppe, die "Ambazonians", hatte Nsoh wenige Tage zuvor in einer Bar in der Regionalhauptstadt Bamenda erschossen. Die Separatisten hatten 2017 in der Region die Unabhängigkeit der englischsprachigen Regionen Kameruns als "Ambazonien" ausgerufen.

Separatistenführer: "Aus Versehen getötet"

"Es handelte sich um eine Verwechslung", sagte Capo Daniel in einem auf seiner Facebook-Seite geposteten Video und gab zu, dass es sich bei der Zielperson um einen kommandierenden Offizier der Armee handelte, "der die Bar regelmäßig besuchte".

Kamerun: Journalisten protestieren gegen Mord an Journalisten in Bamenda (Foto: Mbuh Stella/DW)
"Journalismus ist kein Verbrechen": Journalisten in Bamenda fordern Gerechtigkeit für den ermordeten Anye Nde NsohBild: Mbuh Stella/DW

"Diese Journalisten müssen daran erinnert werden, dass die Amba-Jungs für sie kämpfen. Wir müssen Eier zerbrechen, um ein Omelett zu machen", sagte der Separatistenführer - und fügte hinzu: "Der Tod eines Journalisten kann die Revolution nicht aufhalten."

"Deshalb habe ich die Amba Dark Forces angewiesen, alle diese so genannten Journalisten zu verhaften und jeweils zwei Millionen CFA-Francs einzutreiben, die zur Finanzierung des Kampfes verwendet werden sollen", schrieb Daniel.

Gewerkschafter beklagt "Schreckensherrschaft"

Ein Armeeoffizier, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte der Nachrichtenagentur AFP, Daniel bezeichne sich selbst als "Kommandeur" der "Dunklen Kräfte" der Gruppe und sei einer der ranghöchsten Separatistenführer, die im Exil leben. Die kamerunischen Behörden stufen die Separatisten als "Terroristen" ein.

Infografik Karte Kamerun mit Nord-West-Kamerun und Süd-West Kamerun DE

Ignatius Njie, Vorsitzender der kamerunischen Journalistengewerkschaft in Bamenda, verurteilte die Morde und die "Schreckensherrschaft", die die Separatisten den lokalen englischsprachigen Gemeinschaften aufzwingen würden.

"Wenn ein Separatistenführer behauptet, dass es sich bei der Ermordung von Anye um eine Verwechslung gehandelt habe, ist das verachtenswert. Man kann nicht einfach Menschen umbringen und dann sagen, dass es sich um eine Verwechslung gehandelt hat", sagte Njie der DW.

"Wir wissen nicht, wer der nächste ist"

Raymond, ein Reporter in Bamenda, der seinen Nachnamen aus Sicherheitsgründen nicht nennen wollte, sagte der DW, er mache sich Sorgen um seine Sicherheit, da die Separatisten nun auch Journalisten ins Visier nehmen würden.

"Wir sind jetzt zur Zielscheibe geworden - und nach Nsohs Tod wissen wir nicht, wer der nächste ist. Die Kämpfer haben die Waffen, und unsere Waffen sind Stifte und Mikrofone. Die Drohungen bedeuten, dass wir aus dem Untergrund heraus und nicht frei agieren werden", so Raymond gegenüber der DW.

"Wundern Sie sich nicht, wenn Sie hören, dass ein Journalist entführt wurde, um Lösegeld zu erpressen", fügte er hinzu. "Wir leben in Angst, weil niemand weiß, was in den nächsten Tagen mit ihnen passieren wird."

Menschenrechtler und Journalisten fordern Untersuchung

Die Menschenrechtsorganisation Committee to Protect Journalists (CPJ) fordert eine umfassende Aufarbeitung. "Die kamerunischen Behörden müssen sicherstellen, dass die Ermordung des Journalisten Anye Nde Nsoh gründlich untersucht wird, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden und dass sein Tod nicht zu Propagandazwecken missbraucht wird", sagte Angela Quintal, Koordinatorin des CPJ-Programms für Afrika.

Reporter - Kamerun: Schulen unter Beschuss

"Journalisten in Kameruns anglophonen Regionen werden sowohl von der Regierung als auch von separatistischen Kämpfern angegriffen", sagte sie. "Beide Seiten müssen das Recht der Journalisten auf freie Berichterstattung respektieren und ihre Sicherheit gewährleisten." Nsoh berichtete aus der Region Northwest über Sport, Kultur und aktuelle Themen. Neben dem Advocate war er auch als Korrespondent für andere Medien tätig.

Auch der kamerunische Verband englischsprachiger Journalisten (CAMASEJ) verurteilte die Ermordung von Nsoh. "Dieser jüngste Angriff auf einen Journalisten ist einer zu viel. Der langwierige Konflikt in den Regionen Northwest und Southwest hat Journalisten in große Gefahr gebracht", sagte der CAMASEJ-Vorsitzende Jude Viban.

Gleiche Rechte für anglophone Minderheit?

Nsoh ist der dritte Journalist, der seit Beginn dieses Jahres in Kamerun getötet wurde. Im Januar wurde der Journalist Martinez Zogo gefoltert und ermordet, und Jean-Jacques Ola Bebe wurde einen Monat später erschossen.

Der Konflikt hatte sich zugespitzt, als Separatisten 2017 die Unabhängigkeit der mehrheitlich englischsprachigen Regionen Northwest und Southwest erklärten und der langjährige Präsident Paul Biya mit hartem Durchgreifen reagierte.

Lebensgefährlicher Schulbesuch

Der Vorwurf, die anglophone Bevölkerung habe nicht die gleichen Rechte, steht aber schon seit Jahrzehnten im Raum. So beklagten Einwohner, an Schulen nicht auf Englisch unterrichtet zu werden. Eigentlich waren den anglophonen Gebieten, die sich 1961 nach einem Referendum dem frankophonen Kamerun anschlossen, Autonomierechte eingeräumt worden - diese wurden jedoch über die Jahre zurückgefahren.

Nach Angaben der Denkfabrik International Crisis Group hat der Konflikt in der ehemaligen französischen Kolonie über 6000 Menschenleben gefordert und mehr als eine Million Menschen zur Flucht gezwungen.

Adaptiert aus dem Englischen von Philipp Sandner.