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Kallstadt: Trumpville in Deutschland

Sertan Sanderson
3. September 2018

Egal, ob man ihn hasst oder liebt, die Welt wird sich in den nächsten Jahren an Donald Trump als US-Präsidenten gewöhnen müssen. Das Dorf Kallstadt in Rheinland-Pfalz tut sich damit besonders schwer.

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Ortsschild von Kallstadt im Bundesland Rheinland-Pfalz (Foto: DW/S. Sanderson)
Bild: DW/S. Sanderson

Eine Idylle wie aus dem Bilderbuch: Herbstblätter, Weinreben, blauer Himmel und frische Luft. Wenn man nicht genau hinschaut, könnte man fast meinen, man sei in Connecticut oder Maine. Doch hat Kallstadt (in der Nähe von Ludwigshafen gelegen) mit Neuengland noch etwas gemeinsam: Donald Trump. Die Vorfahren des Immobilienmoguls, der sich bald als der 45. Präsident der USA wird behaupten müssen, kommen ursprünglich aus der verschlafenen Ortschaft in Rheinland-Pfalz. Doch ist das Dorf nicht gerade besonders glücklich über diese Verbindung.

Weinstöcke in Kallstadt in der Pfalz (Foto: DW/J.Martens)
In vino veritas? Kallstadt ist nicht mehr nur für seinen Wein bekanntBild: DW/J.Martens

Nach der Ankündigung von Donald Trumps Kandidatur 2015 sind die ersten Journalisten in dem kleinen Dorf aufgetaucht. Als klar wurde, dass er und kein anderer für die Republikaner antreten würde, folgten Nachrichtenteams aus Nah und Fern.

Und als Sieger der US-Präsidentschaftswahlen vom 8. November 2016 kann Trump fast von sich behaupten, dass er Kallstadt bekannter gemacht hat als die Weinstraße, die mitten durchs Dorf führt.

Glücklich macht das aber niemanden in der kleinen Gemeinde. In der Bäckerei  Sippel zum Beispiel, die für Ihre Dampfnudeln, ein regionales Gebäck, bekannt ist, dampft es auch woanders. "Die kamen mitten in der Nacht mit ihren Kameras hierher und schelten um sechs Uhr früh schon an den Türen, als das mit den Wahlen feststand", klagt die Dame hinter der Theke mit Pfälzer Dialekt. Von Journalisten hat sie die Nase voll und verweist nur auf ihr Namensschild, wenn man sie nach Ihrem Name fragt - "Frau Rüde" steht dort.

Schweigen zum Thema Trump

Man ist versucht zu denken, dass der Name passt. Dabei ist man geneigt, ihr zuzustimmen, vor allem, wenn sie berichtet, wie der Medienrummel ihr die Kundschaft auch noch verscheucht hat. "Die standen hier vor der Tür, weil die den Kirchturm da im Bild haben wollten", sagt Frau Rüde und zeigt mit dem Finger nach draußen.

Der Kirchturm ist der höchste Bau im Dorf, wie das so bei Tausend-Seelen-Ortschaften fast immer der Fall ist. Ob hier Großvater Trump Hochzeit gefeiert hat?

Die Lebzeiten der Trump-Vorfahren sind in Amerika um einiges besser dokumentiert als hier. Aber auch in Kallstadt wird man fündig, zumindest auf dem Friedhof. Dort liegen die letzten Trumps der Gemeinde. Inwiefern die Toten hier aber mit dem künftigen US-Präsidenten verwandt sind, ist nicht bekannt.

Illegal und Wehrdienstverweigerer

Der Leiter der Urlaubsregion Freinsheim, Jörg Dörr, erläutert Trumps Stammbaum: "Die Verbindung zu Donald Trump ist für Kallstadt schon gut 100 Jahre her. Das letzte Mal war ein direkter Verwandter von Trump 1905 in Kallstadt, als sein Großvater wieder aus Kallstadt und aus Deutschland ausreisen musste." Der sei damals als illegaler Auswanderer nach Amerika gegangen, habe sich der Wehrpflicht im damals bayrischen Kallstadt entzogen und habe dementsprechend nicht wieder einreisen dürfen, schildert Dörr die damaligen Verhältnisse im Hause Trump. Dabei legt er Wert darauf, dass die deutsche Aussprache des Namens für die Vorfahren des Millionärs benutzt wird.

Dass ein illegaler Auswanderer in der eigenen Familie Donald Trumps so eine große Rolle spielt, hätte man bei dem polemischen Politiker, der am liebsten Mexikaner wieder zurückschicken und Muslime nicht einreisen lassen würde, doch nicht zugetraut. Und dann noch ein Wehrdienstverweigerer. Vielleicht ist der Name auch deswegen mitunter so unbeliebt in der kleinen Ortschaft.

"Bitte nicht klingeln"

Vielleicht bieten die Lebenden doch mehr Einblicke in Trumps Wurzeln als die Toten. Doch an der Tür des kleinen Anwesens, das einst dem berüchtigten Trump-Großvater gehörte, braucht man gar nicht zu klingeln: Das Haus soll verkauft werden, damit die Eigentümer "wieder ohne Presse- und Medienrummel" leben können. Das besagt zumindest ein Schild. Ob es ein Scherz sein soll ist ungewiss.

Kirche in Kallstadt (Foto: DW/S. Sanderson)
Das ganze Dorf will lieber beim Thema Trump schweigen Bild: DW/S. Sanderson

Wenn Donald Trump immer noch der Eigentümer wäre, wäre der Bau wahrscheinlich schon längst in ein Trump-Museum umgewandelt worden, oder vielleicht doch eher ein Trump Casino? Nebenan wird fleißig an einem Luxusheim gebaut, so dass man sich den Gedanken, ob Trump vielleicht doch in Kallstadt die Finger im Spiel hat, nicht ganz verkneifen kann.

Zwei Bauarbeiter in orangener Arbeitskleidung sind im Vorgarten beschäftigt. Das Interesse an dem berühmten Haus nebenan ist auch an ihnen nicht vorbeigegangen. Einer von den beiden gibt sich diplomatisch und sagt, dass er nicht viel über Trump weiß, während der andere sich kaum zurückhalten kann: "Nee, den können wir hier nicht leiden", sagt er.

Späterer Stolz nicht ausgeschlossen

Ob an der Baustelle, in der Bäckerei oder im Restaurant - überall sind die Meinungen fast gleich. Eine Kellnerin sagt zwar, dass der Tourismus einen Aufschwung durch Trump erlebt, "aber ob das langfristig gut ist, weiß ich nicht." Auch sie ist zurückhaltend, möchte nicht gefilmt werden, und findet, dass "das alles zu viel Aufmerksamkeit verursacht" hat.

Woanders im Dorf kippt sogar gleich die Stimmung, sobald der Name Trump fällt: "Damit will ich nichts zu tun haben. Das gab jetzt so viel Rummel hier und wahrscheinlich war das erst der Anfang. Das wollen wir hier nicht haben", sagt die Empfangsdame in einem Hotel vor Ort. Der einzige, der sich Mühe gibt, Fragen zu beantworten, ist immer noch Jörg Dörr, zuständig für die Urlaubsregion. Er sagt, dass so viel wie in diesem Jahr noch nie in Kallstadt los gewesen sei. Ob Trump sich langfristig als Kallstädter behaupten kann, sei noch ungewiss: "Er herrscht auch in Kallstadt allgemeine Zurückhaltung, da die Wahrnehmung von Trump vorwiegend durch die Berichterstattung aus den Wahlkampfauftritten herrührt. Und die war ja zumindest kontrovers. Er polarisiert, und wird durch seine Amtsführung überzeugen müssen: Wenn er ein guter Präsident wird, dann wird in Kallstadt vielleicht ein gewisser Stolz darüber aufkommen, dass er seinen Ursprung hier hat."