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Reise

Kairo - Großstadtchaos und Touristenattraktion

Eesha Kheny
8. Dezember 2019

Der renommierte Reiseverlag Lonely Planet zählt Kairo zu den Top-Städte-Reisezielen 2020. DW-Reporterin Eesha Kheny hat sich auf den Weg nach Ägypten gemacht, um zu testen, was die Stadt so besonders macht.

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Ägypten Reisereportage Kairo
Bild: DW/E. Kheny

Vor mir liegt ein enger Tunnel. Er führt mich in Ägyptens zweitgrößte Pyramide hinein. Die Chephren-Pyramide ist 136 Meter hoch. Die Luft ist dünn, und es wird deutlich wärmer, je weiter ich dem schmalen, 54 Meter langen Tunnel folge, der in einer schwach beleuchteten Grabkammer endet. Hier versuche ich, nicht an die unzähligen Steinblöcke über mir zu denken, sondern den massiven Granitsarkophag zu bewundern. Und dann atme ich tief ein und mache mich auf den Rückweg ans Tageslicht.

Eine Sound- und Lichtershow vor den Pyramiden und der Sphinx in Kairo
Die Pyramiden und die Sphinx spektakulär in Szene gesetzt durch eine Sound- und LichtershowBild: DW/E. Kheny

Drei Generationen - drei Pyramiden

Am Vorabend bin ich angereist und wurde gleich Zeugin einer spektakulären Sound- und Lichtershow. Tanzende Hieroglyphen und bunte Farben tauchten die drei berühmten Pyramiden von Gizeh, zu denen auch die Chephren-Pyramide zählt, in ein magisches Licht. Die Stimmen der Erzähler, die die Show begleiteten, hallten durch die Wüste. Ich war verzaubert von den Geschichten der Pharaonen, ihrer Familien und Untertanen. 

Von 3100 - 332 v. Chr. hatten 30 Herrscher-Dynastien Pyramiden, Tempel und Statuen im ganzen Land gebaut, in ihrem Glauben an die vielen Götter und Göttinnen des Alten Ägyptens.

Die Chephren-Pyramide
Die Chephren-PyramideBild: DW/E. Kheny

In der 4. Dynastie wurden die großen, weltweit bekannten Pyramiden mit quadratischem Grundriss und glatt zur Spitze hin zulaufenden Flächen gebaut. Zu dieser Gattung gehören auch die drei Pyramiden von Gizeh, rund 15 Kilometer vom Kairoer Stadtzentrum entfernt. Die größte ist die Cheops-Pyramide, die mittlere die Chephren-Pyramide, die ich besichtigt habe, und die kleinste der drei ist die Pyramide des Pharaos Mykerinos. In dieser Reihenfolge haben auch die drei Namensgeber der Bauwerke regiert. Cheops war der Vater von Chephren, Mykerinos sein Enkel.

Im Schatten der großen Cheops-Pyramide

Die Autorin Eesha Kheny nimmt einen Selfie mit den Pyramiden von Gisa.
Ein Selfie vor den PyramidenBild: DW/E. Kheny

Die moderne Stadt Gizeh gehört zum Großraum Kairo und rückt immer näher an die drei Pyramiden heran, so dass sie die Illusion, in die Geschichte einzutauchen, fast zerstört. Nur noch stark befahrene Straßen trennen die wachsende Stadt von der Wüste rund um die Pyramiden. Überall sind Busse und Autos unterwegs, Menschen auf Kamelen und Pferden drängen zu den drei großen Sehenswürdigkeiten, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen.

Es ist Hochsaison in Ägypten, und das merkt man auch an den Touristenmassen. Ich lasse mich von der Menge treiben und lande im Schatten der großen Cheops-Pyramide. Wohltuend, denn die ägyptische Sonne brennt unerbittlich vom Himmel herab. Das Bauwerk ragt 139 Meter in die Höhe, die großen Steinblöcke aus Kalkstein und Granit erscheinen endlos aufeinandergeschichtet worden zu sein. Die Pyramide soll aus über 2 Millionen dieser Blöcke bestehen!

Ich lasse meine Hand über einen der glatten Steinquader streifen und stelle mir vor, wie er im Steinbruch abgebaut und über den Nil transportiert wurde. Das ist mehr als 4600 Jahr her! Bei ihrer Fertigstellung war die Pyramide komplett mit weiß poliertem Kalkstein verkleidet. Heute ist diese Schicht nicht mehr zu sehen, die Besucher können nur versuchen, sich den vergangenen Glanz dieses auch heute noch beeindruckenden Bauwerks vorzustellen.

In den nächsten Stunden erfahre ich, dass die Pharaonen, die in den Pyramiden bestattet wurden, mit allem ausgestattet wurden, um ins Jenseits zu reisen. Im Alten Ägypten glaubten die Menschen, dass der blaue Himmel ein Meer sei, das es nach dem Tod zu überqueren gilt, um in Ewigkeit weiterzuleben. Und dafür brauchten die Pharaonen Schiffe, die rund um die Cheops-Pyramiden in versiegelten Gruben gelagert wurden. Ein solches Schiff, 1954 gefunden und mit 1224 Holzstücken rekonstruiert, kann im Museum neben der Pyramide besichtigt werden. Es gibt Besuchern einen Eindruck, wie genau die Ägypter eine Bestattung planten.

Ägyptens Revolutionen schadeten dem Tourismus

Ein Blick auf die Pyramiden von Gizeh am südwestlichen Stadtrand der ägyptischen Hauptstadt Kair
Die Pyramiden sind nicht weit vom Stadtzentrum entferntBild: Getty Images/K. Desouki

Nach einem spannenden Vormittag in Gizeh mache ich mich auf den Weg in die Innenstadt von Kairo, zum Tahrir-Platz. Er war das Epizentrum der Demonstrationen während der Revolution 2011. Sie führten dazu, dass Ägyptens damaliger Präsident Muhammad Husni Mubarak aus dem Amt verdrängt wurde.

Heute beherrscht Alltagsleben den Platz, aber es patroullieren auch schwerbewaffnete Polizisten. Der Platz steht unter genauer Beobachtung. Ebenso wie alle touristischen Sehenswürdigkeiten in und um Kairo. Es gibt viele Sicherheitsvorkehrungen wie Autokontrollen, Metalldetektoren, Sicherheitskräfte und Kameras. Ich fühle mich sicher. Noch mehr Sicherheit geben mir aber die Schilder in Englisch, die freundlichen Menschen und die Reiseleiter, die mir helfen, die Sprachbarrieren zu überwinden.

Der 35-jährige Reiseführer Muhammad Samara erzählt mir die jüngste Geschichte Ägyptens: "Wir hatten nicht nur eine Revolution 2011, sondern auch eine im Jahr 2013. Beide haben sich stark auf den Tourismus ausgewirkt. Während dieser Zeit kamen nur wenige Besucher hierher, etwa drei bis vier Millionen. Drei Jahre lang konnte ich in der Branche nicht arbeiten, sondern musste in einem Call Center mein Geld verdienen. Jetzt ist es wieder wie früher. Jedes Jahr haben wir hier etwa 14 Millionen Touristen." Muhammad blickt zuversichtlich in die Zukunft. Derzeit würden vor allem deutsche und französische Besucher in Ägypten Urlaub machen, aber es kommen auch immer mehr Chinesen. Muhammad ist leidenschaftlicher Touristenführer, er liebt sein Land, seine Arbeit. Er hat Geschichte studiert und ist seit 2007 englischer Reiseleiter - sein Traumjob.

Gold und Mumien

Der Stuhl von Tutanchamun ist aus Holz gefertigt und mit reinem Gold beschichtet
Dieser Stuhl des Tutenchamun besteht aus vergoldetem HolzBild: DW/E. Kheny

Nur ein paar Schritte vom Tahrir-Platz entfernt befindet sich das berühmte Ägyptische Museum mit rund 120.000 Ausstellungsstücken. Muhammad führt mich von einem Raum zum nächsten und zeigt mir Artefakte, erzählt Geschichten und erklärt Symbole. Wir laufen vorbei an einer kleinen Elfenbeinfigur von Cheops, an der weltbekannten Narmer-Palette - ein Prunkstück aus Schiefer mit Reliefs - und anderen Jahrtausende alten Kunstwerken. 

Ich könnte noch viele weitere Ausstellungsstücke aufzählen, aber mein absoluter Höhepunkt sind die Objekte rund um den Pharao Tutenchamun. Er war Mitglied der 18. Dynastie und regierte zehn Jahre lang. Er starb mit nur 19 Jahren. Sein eigentlicher Ruhm erwartete ihn nach seinem Tod. Im November 1922 entdeckte der britische Archäologe Howard Carter sein komplett erhaltenes Grab im Tal der Könige in Luxor. Besonders spektakulär und berühmt ist seine Totenmaske aus rund zehn Kilogramm massivem Gold, die im Ägyptischen Museum ausgestellt wird. Voller Ehrfurcht blicke ich auf die Vitrine voller Gold, Silber und Edelsteine. 

Die Mumie von Yuya wurde 1905 im Tal der Könige, Luxor, entdeckt.
Die Mumie von Yuya wurde 1905 im Tal der Könige in Luxor entdecktBild: DW/E. Kheny

Ein Highlight folgt dem nächsten. Ich stehe jetzt vor Tutenchamuns Urgroßeltern: Yuya und Thuja. Ihre gut erhaltenen Haare, Lippen, Nägel und Wangenknochen lassen mir einen Schauer über den Rücken fahren. Die beiden Mumien wurden in einem sehr guten Zustand entdeckt, was auf eine hochwertige Mumifizierung hinweist. 70 Tage lang dauerte dieses altägyptische Ritual zur Bewahrung des toten Körpers. Systematisch wurden das Gehirn und die inneren Organe entfernt, dann wurde der Verstorbene mit Palmwein und aromatischen Essenzen eingerieben. Mit Natron entzog man dem Körper Wasser, balsamierte die trockene Haut und wickelte den Toten von Kopf bis Fuß in Bandagen.

Bummeln auf dem Chan el-Chalili Markt

Nach einem Tag geballter Information will ich etwas bummeln gehen und stürze mich in das Labyrinth der Geschäfte vom Chan el-Chalili Markt. Der alte Souk stammt aus dem späten 14. Jahrhundert und ist eine beliebte Touristenattraktion. Hier drängeln sich die Massen - Besucher wie Händler, die ihre Ware anpreisen. Ich finde Papyrusrollen, handgewebte Teppiche, bemalte Alabasterbecher und duftende Gewürze. Um den Preis zu feilschen ist hier oberstes Gebot - von der Medizin bis zur Kleidung. Ich habe mich vorbereitet und schlage mich gar nicht so schlecht. Aber ich bin immer auf der Hut vor Langfingern, die in dem Gedränge ein leichtes Spiel haben, Touristen um ihre Portemonnaies zu erleichtern. Ansonsten aber fühle ich mich auch hier zwischen den englischsprachigen Touristen und den Einheimischen sicher. 

Khan Khalili ist ein historischer alter Souk in Alt-Kairo.
Orientalisch, bunt: der Chan el-Chalili MarktBild: DW/E. Kheny

Als ich in Kairo angekommen bin, habe ich sofort gemerkt, wie chaotisch und laut die Stadt ist. Ein ständiger Wüstenstaub liegt in der Luft, fünfmal am Tag rufen die Muezzine von den Minaretten, und die Straßen ersticken am Berufsverkehr. Ein Besuch ist daher anstrengend, aber auch sehr spannend. In nur kurzer Zeit habe ich von meinem Hotelfenster aus den Sonnenaufgang über dem Nil gesehen, war tief im Inneren einer Pyramide, stand vor Mumien und bin ins trubelige Stadtleben eingetaucht. In Kairo trifft antike Geschichte auf Gegenwart - eine hochinteressante Mischung!