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Kabilas neues Interesse am Ostkongo

Philipp Sandner15. August 2016

Nach einem Massaker im Bezirk Beni herrscht Staatstrauer im Kongo. Das offene Interesse der Regierung in Kinshasa am Konflikt im Osten überrascht viele Beobachter. Doch das Land steckt im Wahlkampf.

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Trauer um die Opfer eines Massakers in Beni im Jahr 2015 Foto: AFP PHOTO/ Kudra Maliro
Archivbild: Trauer um die Opfer eines Massakers in Beni im Jahr 2015Bild: Getty Images/AFP/K. Mailro

Für Bürgermeister Edmond Masumbuko war es traurige Routine: Wieder musste er am Sonntag vor die Öffentlichkeit treten, um von einem Massaker zu berichten. Mindestens 42 Menschen seien bei einem Angriff auf den Vorort Rwangoma getötet worden, verkündete am Sonntag der Mann, dessen Kisuaheli-Name "Leid" bedeutet. Seit 2014 wurden bei Massakern in Beni vorsichtigen Schätzungen zufolge rund 600 Menschen umgebracht. Und dennoch kommt die neue Gewalt als Schock für die leidgeprüfte Bevölkerung im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Die Opfer waren unbewaffnete Bürger. Mit Macheten und Gewehren wurden sie niedergemetzelt.

Die Regierung in Kinshasa hat bereits einen Schuldigen gefunden: Das Massaker vom Samstagabend sei ein Racheakt der Rebellengruppe "Vereinte Demokratische Kräfte", kurz ADF, gewesen, hieß es aus Kreisen der Armee. Die kongolesische Armee habe bereits zwei der Angreifer gefasst und drei weitere zur Strecke gebracht, sagte Kommunikationsminister und Regierungssprecher Lambert Mende im DW-Gespräch: "Die lokale Kommandantur hat sie als ADF-Elemente identifiziert, die Uniformen ähnlich denen der kongolesischen Armee trugen."

Die Rebellengruppe, die sich einst als Widerstandsgruppe gegen die ugandische Regierung unter Yoweri Museveni gegründet hatte, steht im Fokus gemeinsamer Militäroperationen der kongolesischen Armee (FARDC) und der UN-Stabilisierungsmission im Kongo (MONUSCO). Sie wird auch für frühere Massaker verantwortlich gemacht.

Kongolesische Symbolpolitik?

Präsident Joseph Kabila machte das Massaker in Beni gleich zur obersten Staatssache und verordnete eine dreitägige Staatstrauer. Kurz nach Bekanntwerden der Gewalttat reiste er in die Provinzhauptstadt Goma. Zwei seiner Minister reisten von dort aus weiter nach Beni. Verteidigungsminister Atama Tabe bat die Internationale Gemeinschaft um Mithilfe. Die ADF-Rebellen machten gemeinsame Sache mit der Terrormiliz Boko Haram, die in Nigeria, Kamerun, Tschad und Niger ihr Unwesen treibe, sagte Tabe. Man habe es hier mit Terroristen der schlimmsten Art zu tun.

Karte Demokratische Republik Kongo
Mehr als 2000 Kilometer trennen Beni von der Hauptstadt Kinshasa

Es ist ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit, die der Ostkongo zurzeit in der fernen Hauptstadt Kinshasa erfährt. Kabilas letzter Besuch in Beni fand nur wenige Tage vor dem Massaker statt. Bei einem Treffen mit dem ruandischen Präsidenten Paul Kagame am vergangenen Freitag beschworen beide die Erfolge im Kampf gegen die "negativen Kräfte" der Region. Zu ihnen zählen neben den ADF auch die ruandischen FDLR-Rebellen - die Intimfeinde der ruandischen Regierung. Anfang des Monats traf Kabila den ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni, um mit ihm über den Konflikt in der Region zu beraten.

Séverine Autesserre bezweifelt dennoch, dass sich Kabila ernsthaft den Problemen im Ostkongo widmet wird. Die Politikwissenschaftlerin forscht an der Columbia University zu Bürgerkriegen und afrikanischer Politik. "Ein paar Besuche nach einem Massaker bedeuten noch nicht, dass der Osten auf einmal eine Priorität für Kinshasa hat", sagt Autesserre im DW-Gespräch. Seit Jahren fühle sich die Bevölkerung im Osten vernachlässigt. "Dies ist eines von vielen Massakern, die in den vergangenen Monaten und Jahren stattgefunden haben. Normalerweise ist die Antwort aus Kinshasa eine rein symbolische."

Ringen um die Deutungshoheit in der Hauptstadt

Wenn Kongos Präsident wirklich mehr Interesse am Osten seines Landes zeigen wolle, müsse er dafür sorgen, dass die Armee den Kampf gegen die Rebellen wirklich ernst nehme, so Autesserre. Das bedeute auch, fähige Soldaten in die Region zu schicken. Kongolesische Militärs bekämen oft keine Bezahlung, vielen fehle eine grundlegende militärische Ausbildung. Einem Bericht der Congo Research Group zufolge sollen einige Massaker in der Region auf das Konto von Regierungssoldaten gehen - eine Tatsache, die konsequent verschleiert werde, sagt Autesserre.

Treffen zwischen Präsidenten Joseph Kabila und Yoweri Museveni Foto: KUDRA MALIRO/AFP/Getty Images
Kongos Präsident Kabila mit seinem ugandischen Amtskollegen MuseveniBild: Getty Images/AFP/K. Maliro

Unangenehme Wahrheiten, etwa über den Zustand seiner Armee, kommen dem Präsidenten aber ungelegen. Denn im Kongo stehen Wahlen an, bei denen Joseph Kabila laut Verfassung nicht mehr antreten darf. So lange kein Wahltermin angesetzt wird, darf Kabila aber weitermachen.

Je bedeutender die Krise im Osten wird, desto leichter dürfte es dem Präsidenten fallen, den bisher offenen Wahltermin weiter nach hinten zu verschieben. Präsident Kabila mache sich den Konflikt zu Nutzen, sagen Kritiker. Der Aktivist Emery Damien Kalwira von der Koalition der Kongolesen für den Übergang (CCT) spricht von einer "Strategie des Chaos": Der Präsident lasse die Verbrechen geschehen, um den Ausnahmezustand verhängen und länger regieren zu können.

Unabhängige Experten und Menschenrechtsaktivisten könnten helfen, Licht ins Dunkel zu bringen. Eine bessere Faktenlage käme dem Präsidenten bei seinen Bemühungen zugute, den vielschichtigen Konflikt im Osten anzupacken. Doch die Experten haben es zurzeit im Kongo schwer. Vergangene Woche musste die Amerikanerin Ida Sawyer von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch das Land verlassen, nachdem ihr Visum nicht verlängert wurde. Das gleiche Schicksal ereilte andere vor ihr, darunter zwei Mitarbeiter von Global Witness und einen Forscher der Congo Research Group.

Mitarbeit: John Kanyunyu, Eric Topona