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Kunst

Künstler Opolka: "Wir müssen Hass und Gewalt ächten"

Klaus Krämer (Interview)23. März 2016

Ein Rudel von 66 Wolfsmenschen stand eine Woche lang vor der Dresdner Frauenkirche. Mit der Aktion "Die Wölfe sind zurück" wollte Rainer Opolka Rassisten und Angstmachern den Spiegel vorhalten. Ist das gelungen?

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Deutschland Dresden Ausstellung "Die Wölfe sind zurück"
Bild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

DW: Herr Opolka, wofür genau stehen die von Ihnen entworfenen Skulpturen der Wolfsmenschen?

Opolka: Die sollen zeigen, was passiert, wenn sich in einer Gesellschaft Hass und Gewalt ausbreiten. Sie wirken düster, aggressiv, bedrohlich - und genau das würde mit der Gesellschaft passieren.

Die Wolfsmenschen standen eine Woche lang in Dresden (bis zum 23.03.2016). Was war das Ziel?

Zwei Dinge: Das eine ist provokative Kunst, die anregt, die die Menschen herausfordert. Auf der anderen Seite haben wir hier ein Forum der Diskussion geschaffen. Am Wochenende hatten wir rund um die Uhr etwa 500 Leute hier. Die haben dann Gruppen gebildet und diskutiert über Demokratie und Rechtsentwicklung. Das war mein Anliegen - und dieses Ziel haben wir auch erreicht.

Sie und ein Team von vier Leuten waren während der gesamten Zeit vor Ort. Warum diese Präsenz?

Zeitweise sind hier auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche mehr als tausend Menschen gewesen. Die Grundidee war, dass wir als Team mehr Menschen zu Diskussionen anregen können. Außerdem haben wir eine 40-seitige Broschüre gedruckt, die wir verteilt haben. Allerdings waren die 10.000 Broschüren schon am Montag vergriffen.

Was ist ihre Botschaft?

Die Botschaft ist doppelter Natur: Wir müssen Hass und Gewalt ächten, egal, von welcher Seite sie kommen. Die andere Botschaft ist die, dass wir in unserem Land gemeinsam darüber nachdenken, wie man Bedingungen schaffen kann, unter denen Hass und Gewalt nicht mehr entstehen.

Es gibt ja Ursachen, die beides hervorgerufen haben. Dazu gehören sicher soziale Gründe, dass ein Teil der Menschen an die Wand gedrückt ist. Ungerechtigkeit ist ein Problem. Außerdem haben sich in Deutschland Ohnmachts-Milieus und Verbitterungs-Kulturen gebildet. Darin leben Menschen, deren Welt wie vernagelt ist. Und diese Menschen muss man da wieder herausholen. Die muss man sozial, aber auch kulturell abholen.

Ausstellung "Die Wölfe sind zurück": Menschen diskutieren zwischen den Wolfsmensch-Skulpturen von Rainer Opolka (Foto: Rainer Opolka)
Provokante Kunst, die zu Diskussionen und Gesprächen anregen sollBild: Rainer Opolka

Hinzu kommen dann die Flüchtlinge, die zu hunderttausenden nach Deutschland einreisen.

Das Problem ist, dass viele Deutsche diejenigen, die Köpfe abschlagen, mit denen verwechseln, die vor ihnen fliehen müssen. Da sind Vernunft und Aufklärung nötig. Dem entgegen stehen das verbitterte Herz, ein Mangel an Herzensbildung, an Solidarität, an Hilfe. Da kommen doch Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen. Das sind doch überwiegend solche, die Verwandte im eigenen Blut haben liegen sehen. Es gibt in Deutschland einen Teil verbitterter Menschen, die das einfach nicht begreifen und teilweise auch nicht begreifen wollen.

Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die die Menschen offener und freier macht. Ein Mensch, der sich entfaltet, der Freunde hat, der sich engagiert, der täglich im Leben steht, wird in der Regel nicht verbittert sein und auch kein Hasser. Ein solcher Mensch wird anderen mit Empathie begegnen.

Mit dieser Form der Aufklärung haben Sie doch eigentlich den Job gemacht, den Politiker machen sollten, oder?

Ja, ich habe hier mit meinem Team 100 Stunden vor der Frauenkirche gefroren bei einer Tätigkeit, die eigentlich Politiker machen müssten. Ich glaube, es gibt so etwas wie eine Bevölkerungsvergessenheit der Politik. Die Politiker gehören wieder auf die Plätze und Märkte. Die müssen zuhören, die müssen mit den Menschen sprechen. Nur dann werden sie erfahren, welche Sorgen und Nöte die Menschen haben.

Nun haben ja bei Ihrer Aktion die Besucher und Passanten die Möglichkeit gehabt, solche persönlichen Stimmungen und Meinungen aufzuschreiben. Was steht denn auf diesen insgesamt sechs großen Wänden?

Das ist bunt. Da stehen geschätzte 1.500 Sprüche, darunter Schlagworte wie "zuhören", "respektieren", "einander lieben", "kulturvoller leben", "Muslime verstehen". Dann haben Kinder Herzen und kleine Bilder darauf gemalt. Manche haben geschrieben: "Hass gehört nicht in diese Welt", andere fordern: "Lebt toleranter". Wir haben aber auch solche Botschaften: "Wer an den Islam glaubt, ist gefährlich." Kritische Statements waren durchaus erwünscht.

Die Aktion fand nur hundert Meter entfernt vom montäglichen Pegida-Aufmarschort statt. Wie haben die Demonstranten auf die Wolfsmensch-Skulpturen reagiert?

Ich habe mit vielleicht 100 sogenannten "Pegidisten" gesprochen. Ich begegne diesen Menschen zunächst mit Achtung und Respekt. Ich finde, man muss jede Meinung achten. Wir haben gute Gespräche geführt. Es gab aber auch Leute, die sofort rassistische Äußerungen gemacht haben. Ich habe dann klargestellt: Wer sich rassistisch äußert, mit dem spreche ich nicht.

Ausstellung "Die Wölfe sind zurück": Beschriftete weiße Fläche mit Statements der Besucher (Foto: Rainer Opolka)
Vormals weiße Wände - die Meinung der Menschen zu Hass und Gewalt war gefragtBild: Rainer Opolka

Wie haben die ihre Kunst bewertet?

Unterschiedlich. Es gab Pegida-Leute, die Respekt hatten vor der künstlerischen Ausführung, aber sagten, wir sehen das anders. Es gab aber auch Leute, die hier hineingelaufen sind und laut geschrien haben: "Der Dreck muss weg." Es gab auch Äußerungen, das sei entartete Kunst oder ein Bulldozer sollte hineinfahren.

Ich persönlich bin vielleicht 25 Mal angeschrien worden in zehn Tagen. Das hält sich also noch in Grenzen. Das waren verbitterte Leute. Nicht ganz so schön war ein Brief, der mich gestern erreichte. Da stand unter anderem drin: "Muslime muss man mit Benzin übergießen und anzünden." Und dann stand da auch: "Sie und ihre dreckige Ausstellung gehören entsorgt."

Gab es auch Reaktionen ausländischer Besucher?

Ja, wir hatten hier Franzosen, Italiener Spanier, US-Amerikaner. Am Dienstag war eine 40-köpfige Studentengruppe aus Philadelphia da. Man bat mich darum, ihnen einen Vortrag zu halten über die Aktion. Das habe ich dann gemacht. Die waren tief beeindruckt von der Ausstellung.

Wie geht es jetzt weiter mit dem Wolfsrudel?

Die Wölfe werden jetzt von Sattelschleppern abgeholt. Die ruhen dann ein paar Tage in Brandenburg aus und am 14. April eröffnen wir die nächste Ausstellung in der Landeshauptstadt Potsdam, gleich neben dem Landtag.

Das Interview führte Klaus Krämer.

Rainer Opolka wurde 1955 in Bottrop geboren. Die Erfindung und Weiterentwicklung von LED-Taschenlampen machten ihn und seinen Bruder Harald zu vermögenden Menschen. Inzwischen hat sich Opolka aus dem operativen Geschäft seiner Elektronik-Firma zurückgezogen und widmet sich der Kunst. So ist der millionenschwere Künstler gemeinsam mit seinem Bruder dabei, aus Schloss Hubertushöhe in Brandenburg einen Ort der Kunst und der Kultur zu machen.