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Kino aus Osteuropa

Dmitry Vachedin / Emily Sherwin12. April 2013

Osteuropäisches Kino liegt im Trend: Das Filmfestival goEast in Wiesbaden zeigt, wie unkonventionell Filme aus den postkommunistischen Gesellschaften sind. Gezeigt werden 132 Werke aus 30 Ländern.

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goEast Filmfestival in Wiesbaden
goEast Filmfestival in WiesbadenBild: filmfestival-goeast.de

In Deutschland haben Filme aus dem Osten oft den Ruf, schwere Kost zu bieten. Mit dieser Vorstellung räumen die Organisatoren von goEast auf. "Autorenkino ist weltweit ein ernstes Kino", sagt die Leiterin des Festivals, Gaby Babić. "Nur den Osteuropäern macht man das gerne zum Vorwurf. Aber wenn wir andere Beispiele nehmen, große Autorenfilmer, die sehr populär sind, wie Lars von Trier, der nicht gerade heitere Filme macht, oder Michael Haneke, dann wird es nicht als Vorwurf formuliert."

Auch wenn Gaby Babić osteuropäische Melancholie verteidigt, dem goEast-Festival in seiner dreizehnten Ausgabe kann man gewiss keine übertriebene Schwermut vorwerfen. Das Motto des Festivals lautet: "Jetzt schlägt es 13". Denn seit 13 Jahren gibt es schon das Festival. Nirgendwo sonst in Deutschland präsentiert sich osteuropäisches Kino so lebendig. Es soll der Filmindustrie aus Mittel- und Osteuropa den Zugang zum deutschen Markt erleichtern. Es dient aber auch dem Austausch zwischen Filmemachern und Publikum in Ost und West.

Auf Anregung der Organisatoren enthält das Programm ein breites Angebot, das auch schwarze Komödien und Horrorfilme mit absurden Elementen bis hin zu kultigem Trash bietet.

Koproduktionen als Überlebensstrategie

Der Eröffnungsfilm "Eine Dame in Paris" erinnert an die französische Komödie "Ziemlich beste Freunde", die im letzten Jahr auch in Deutschland ein Kassenschlager war. In dem Film "Eine Dame in Paris" des Regisseurs Ilmar Raag zieht eine einsame Frau aus Estland nach Paris, um dort als Krankenpflegerin bei einer streitsüchtigen alten Dame zu arbeiten. Am Anfang steht Fremdenfeindlichkeit zwischen den beiden Frauen, dann aber schließen sie Freundschaft. Der Film ist eine gemeinsame Produktion aus Estland, Frankreich und Belgien.

Eine Szene aus dem Film "Eine Dame in Paris"
Eine Szene aus dem Film "Eine Dame in Paris"Bild: goEast 2013

Gemeinsame Projekte sind nicht nur ein Trend, sondern auch eine Überlebensstrategie für die nationale Filmindustrie kleiner Länder. Plattformen wie goEast bieten hier die Gelegenheit, auf sich aufmerksam zu machen und internationale Produktionspartner zu finden.

Länderquoten gibt es nicht

Drei der 16 Filme im Wettbewerb des Festivals sind aus Russland. Länderquoten gibt es laut Gaby Babić nicht. Aber aus Russland werden jedes Jahr mehr als 60 Filme angeboten. Und einige schaffen es eigentlich immer in den Wettbewerb.

Russische Filme haben bei den Festivals der letzten zwei Jahre auch gewonnen. Aber dieses Jahr geben sie nicht den Ton an. Außerhalb des Wettbewerbs werden nur ganz wenige Produktionen aus Russland gezeigt.

Dafür wird den Zuschauern in Wiesbaden dieses Jahr eine Retrospektive zum Werk des bekannten ungarischen Regisseurs Miklosch Jantscho geboten. Außerdem werden Produktionen der jugoslawischen "Schwarzen Welle" gezeigt. Das sind Filme, die auf kritische und manchmal auch komische Weise die Lebensrealitäten in sozialistischer und postsozialistischer Zeit darstellen.

Junges Kino trifft auf alte Meister

Schon am ersten Tag wurde in Wiesbaden klar, wie interessant es ist, wenn Filme zeitgenössischer Regisseure parallel zu Klassikern aus den 60er und 70er Jahren gezeigt werden. So wirkte der Michael Jantscho Film "So kam ich" aus dem Jahre 1965, der tagsüber und damit gar nicht zur Primetime gezeigt wurde, radikaler und überzeugender als der neue serbische Film "Kreise", der abends und deshalb in einem rappelvollen Saal vorgeführt wurde.

Beim goEast Festival wird der Klassiker "So kam ich" des ungarischen Regisseurs Michael Jantscho gezeigt
Beim goEast Festival wird der Klassiker "So kam ich" des ungarischen Regisseurs Michael Jantscho gezeigtBild: Magyar Filmunió

Der siebzehnjährige Protagonist des Films "So kam ich" streift zur Zeit des Zweiten Weltkriegs im von sowjetischen Truppen besetzten Ungarn umher. Er schafft es im ganzen Film, nicht mal zehn Worte zu sprechen. Die sowjetischen Soldaten versteht er nicht und mit den ungarischen Kriegsgefangenen findet er auch keinen Anknüpfungspunkt. Trotz der Sprachlosigkeit verstehen wir den Protagonisten. Wir fühlen mit ihm. Die Darsteller des serbischen Films "Kreise" hingegen sprechen viel, vielleicht sogar zu viel. Aber eine emotionale Verbindung zwischen den Personen im Film und dem Zuschauer im Saal entsteht nicht. "Kreise" erzählt die Geschichte von Schuld und Vergebung nach dem Bosnien-Krieg. Hauptperson ist ein serbischer Soldat. Der Film ist berührend, aber an Klassiker des osteuropäischen Films kommt er trotzdem nicht heran.

Beim Filmfestival goEast trifft junges Kino auf alte Meister. Dabei zeigt sich, welche Nachwuchsregisseure vielleicht schon bald den großen Vorbildern Konkurrenz machen könnten.