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500 Milliarden für den Juncker-Fonds

29. November 2016

Auf eine halbe Milliarde Euro will die EU-Kommission ihren Investitions-Fonds aufpumpen. Läuft doch super, findet EU-Kommissar Katainen. Der Rechnungshof hat da seine Zweifel. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Symbolbild Finanzen - Geld anlegen
Bild: picture alliance/dpa Themendienst/Wuestenhagen

Nehmen wir an, Sie suchen eine lukrative Anlage für ein, zwei Millionen Euro oder auch mehr, dann könnten Sie auf der Internetseite "Portal für Europäische Investitionsprojekte" fündig werden. Auf dieser Seite mit dem etwas sperrigen Namen bietet die Europäische Kommission derzeit 131 Bauvorhaben und Geschäftsideen quer durch die EU an, für die Geldgeber gesucht werden. Diese Projekte sind Teil des großen Investitionsfonds mit einem Volumen von 315 Milliarden Euro im Endausbau, den der EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker zu seinem wichtigsten Vorhaben ausgerufen hat. Darum wird das Ganze auch kurz "Juncker-Fonds" genannt, obwohl der offizielle Titel "European Fund for Strategic Investments" (EFSI) lautet.

Der EFSI hat nach eigenen Angaben bis heute 154 Milliarden Euro an Investitionen locker gemacht. 151 Projekte für Infrastruktur seien genehmigt und 234 Finanzierungen für kleinere und mittlere Unternehmen, teilte der oberste Fondsverwalter und Chefverkäufer, EU-Kommissar Jyrki Katainen, am Dienstag in Brüssel mit. Insgesamt würden 377 000 Unternehmen von den Wohltaten des Investitionsfonds profitieren, sagte Katainen, wenn am Ende diese Projekte alle umgesetzt sein werden.

Bildergalerie EU Kommissare Jyrki Katainen
Optimistisch von Amts wegen: Jyrki Katainen bringt den Investitionsfonds unter die LeuteBild: Reuters/Yves Herman

Noch keine Wirkung auf die Konjunktur nachweisbar

Das sei alles sehr ermutigend, heißt es in einer Mitteilung der EU-Kommission, aber "es ist zu früh, um akkurat erfassen zu können, welche makro-ökonomische Wirkung der Investment-Plan hat." Gerade Infrastrukturprojekte bräuchten Zeit, um Ergebnisse zu zeitigen und würde über viele Jahre abgewickelt. Am Ende erwarte die Kommission aber, dass sich die vielen Milliarden auch in realem Wirtschaftswachstum und in bis zu 1,3 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen niederschlagen.

Weil er so erfolgreich und die Nachfrage nach europäisch gestütztem Risikokapital so hoch sei, will Jyrki Katainen den Juncker-Fonds über 2018 hinaus betreiben und auf 500 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 aufpumpen. Der EU-Kommissar wies bei der Vorstellung seiner positiven Bilanz noch einmal darauf hin, dass der Fonds nur Vorhaben finanzieren soll, die normalen Geschäftsbanken zu risikoreich erscheinen. "Wir korrgieren hier einen Fehler des Marktes und ermöglichen auch kleineren Firmen, an Kapital zu gelangen", meinte Katainen. Der Fonds sei nicht dazu da, normale staatliche Infrastrukturprogramme zu finanzieren.

Der Rechnungshof prüft kritisch

Genau an diesem Punkt setzt die Kritik des Europäischen Rechnungshofes an. Der hatte kürzlich dem EFSI vorgeworfen, auch Projekte zu finanzieren, deren Risiko so niedrig ist, dass normale Banken sie übernehmen könnten. Mihail Kozlovs vom Europäischen Rechnungshof schrieb am 11. November, die geplante Ausweitung des Fonds auf 500 Milliarden Euro sei übereilt. "Es ist zu früh, um die wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Auswirkungen zu beurteilen und den Schluss ziehen zu können, dass der EFSI ausgeweitet werden sollte", meint Mihail Kozlovs. Außerdem bestehe die Gefahr, dass der EFSI die erreichte Mobilisierung von privaten Geldgebern übertreibe.

EU-Kommissar Katainen hat dagegen einen externen und zwei interne Prüfberichte aufgefahren, die ihm die Aufstockung des Juncker-Fonds wärmstens empfehlen. Der Ausweitung des Fonds müsste auch das Europäische Parlament zustimmen, das den Fonds bereits im Juni eher kritisch beurteilt hat. Bislang haben die Staaten der EU nicht gleichwertig von den Projekten profitiert. Das räumt auch EU-Kommissar Katainen ein. Die reichsten 15 EU-Staaten haben die meisten Gelder für Investitionen angezogen. Allerdings ist auch das eher ärmere Bulgarien ganz vorne mit dabei, während das wirtschaftlich ebenfalls schwache Rumänien nur sehr wenige Juncker-Fonds-Projekte vorweisen kann. "Das liegt an den rumänischen Banken, die erklären, sie bräuchten unser Geld nicht", gab Fonds-Verwalter Katainen zu Protokoll. Oft seien die Staaten aber auch nicht in der Lage, sinnvolle Projekte zu entwickeln. "Der EFSI ist Nachfrage-gesteuert. Wer nichts beantragt, bekommt auch nichts."

Fehler am Markt?

Italien Banca Monte dei Paschi di Siena BMPS
Zögerliche Kreditvergabe durch "normale" Banken zum Beispiel in ItalienBild: picture-alliance/dpa/L. Halbauer

Kleine und mittlere Unternehmen in den drei größten EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Italien haben laut einer Studie der Europäischen Investitionsbank (EIB) vom September am meisten von dem Investitionsfonds profitiert. Die kriselnden Länder wie Spanien oder Griechenland würden aber aufholen, sagte EU-Kommissar Katainen in Brüssel. Insgesamt würden die Aktivitäten dazu führen, dass mehr Geld an Unternehmen flösse, die auf dem freien Markt wenig Chancen hätten. "Wir nehmen uns der Fehler des Marktes an", so Katainen. Die Risiken sichern die EU-Mitgliedsstaaten mit ihren Einlagen im Fonds ab, die im Moment bei 16 Milliarden Euro liegen. Fünf Milliarden kommen von der EU-eigenen Investitionsbank (EIB).

Der Europäische Rechnungshof bleibt skeptisch und hat für das nächste Frühjahr eine umfassende Prüfung des Juncker-Fonds und seiner finanziellen Auswirkungen angekündigt. Der EU-Kommissar Jyrki Katainen, der die Fondsgelder an den Mann bringen muss, hat sich vorgenommen, dieses in seinen Augen wunderbare Instrument bekannter zu machen. "Wir müssen die Botschaft besser transportieren. Noch immer kennen die meisten Unternehmen, zu denen ich komme, den Juncker-Fonds nicht. Sie wissen nicht, was das ist und wie das funktioniert."

Kreuzfahrtschiff Brilliance of The Seas
Im Angebot: Kai für Kreuzfahrer in VenedigBild: Imago/R. Wölk

Wer mehr wissen will, kann seit ein paar Monaten auf dem Informationsportal für die Projekte im Netz stöbern. Dort werden zum Beispiel die Beteiligung an einer Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe in Venedig oder die Beteiligung an einer deutschen Medizintechnik-Firma feilgeboten. Auch die Beteiligung an einer Autobahn im Vereinigten Königreich ist dabei. Der Brexit ist hier noch nicht angekommen.

 

 

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union