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Politik

Johnson richtet Londons Außenpolitik neu aus

16. März 2021

Den Anti-EU-Premier zieht es nach dem Brexit mehr denn je in die weite Welt hinaus. Beobachter sprechen von der größten Kursänderung seit Ende des Kalten Krieges.

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Die neue Außenpolitik - konkreter: das entsprechende Dokument dazu - in den Händen von Boris Johnson
Die neue Außenpolitik - konkreter: das entsprechende Dokument dazu - in den Händen von Boris Johnson Bild: Justin Ng/Avalon/Photoshot/picture alliance

Großbritannien richtet nach dem Austritt aus der Europäischen Union seine Außen- und Verteidigungspolitik neu aus. Angesichts gestiegener Risiken weltweit will Premierminister Boris Johnson das Arsenal an Atomwaffen ausbauen. Zudem will Großbritannien seinen Einfluss im indopazifischen Raum erweitern, um die Dominanz von China zu schmälern. Die USA sollen der wichtigste Verbündete des Landes bleiben, wie aus Dokumenten der Regierung zur künftigen Strategie hervorgeht. Russland wird hingegen als derzeit größtes Risiko in der Region ausgemacht.

Nun maximal 260 Atomsprengköpfe möglich 

"Wir müssen die Kunst neu lernen, wie man mit Staaten mit gegensätzlichen Wertevorstellungen umgeht", erklärte Johnson bei der Vorstellung eines Dokuments zur strategischen Neuausrichtung Großbritanniens im Parlament in London. Es ist die weitreichendste Änderung der Außenpolitik des Vereinigten Königreichs seit Ende des Kalten Krieges. Johnson hob eine 2010 beschlossen Deckelung von maximal 180 Atomsprengköpfen auf und erhöhte sie auf 260. Die Sprengköpfe sollen zudem durch neuere ersetzt werden. Diese Erneuerung der Kapazitäten zur nuklearen Abschreckung sei Teil einer umgerechnet knapp 28 Milliarden Euro schweren Investition in die Streitkräfte.

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson im Unterhaus in London
Der konservative Premierminister im Unterhaus in LondonBild: House of Commons/PA/picture alliance

Einige Staaten steigerten und veränderten ihr Atomwaffen-Arsenal deutlich, heiß es in dem Strategiepapier. "Der schärfere globale Wettbewerb, Herausforderungen die internationale Ordnung betreffend und die Ausbreitung von möglicherweise zerstörerischen Technologien sind alles Gefahren für die Stabilität." Die Sicherheit des Landes müsse aber gewährleistet werden.

"China und das Vereinigte Königreich"

Als geopolitisches Zentrum der Welt kristallisiert sich der britischen Regierung zufolge immer mehr der indopazifische Raum heraus. "China und das Vereinigte Königreich profitieren beide vom gegenseitigen Handel", heißt es in dem Bericht. Aber China - zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt - sei auch die größte Gefahr für die wirtschaftliche Sicherheit Großbritanniens, weltweit die Nummer sechs.

Hongkong Proteste
Protest in Hongkong mit Union Jack und noch junger Queen (Archivfoto von September 2019)Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Yu

Nicht zuletzt der Umgang der Volksrepublik mit der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong belastet die Beziehung der beiden Länder. Investitionen chinesischer Firmen riefen zudem Sicherheitsbedenken hervor. "Es besteht kein Zweifel, dass China eine große Herausforderung für eine offene Gesellschaft wie die unsrige ist. Aber wenn es mit unseren Werten und Interessen vereinbar ist, werden wir auch mit China zusammenarbeiten", sagte Johnson im Unterhaus weiter.

Mit Flugzeugträger und Reisediplomatie

Der Neuausrichtung in diesem Bereich solle auch mit der Entsendung des Flugzeugträgers "HMS Queen Elizabeth" in den Pazifik und einer Reise Johnsons nach Indien später in diesem Jahr Rechnung getragen werden. Teil dieser Strategie sei ferner die Einladung Südkoreas, Australiens und Indiens zum G7-Gipfel, der im Juni im englischen Cornwall stattfinden soll, und der Beginn von Beitrittsgesprächen zum transpazifischen Handelsabkommen TPP. Großbritannien bleibe zugleich der NATO und der als "Five Eyes" bezeichneten Geheimdienstkooperation mit den englischsprachigen Ländern USA, Australien, Kanada und Neuseeland verbunden, betonte der Premier.

Der britische Flugzeugträger "HMS Queen Elizabeth" - hier vor der westschottischen Küste
Der britische Flugzeugträger "HMS Queen Elizabeth" - hier vor der westschottischen Küste Bild: Jane Barlow/PA/picture alliance

Diplomatie stünde für ihn an oberster Stelle, so Johnson. Großbritannien bleibe auch nach dem Austritt aus der EU in Europa engagiert. Der Brexit ermögliche dem Land eine eigenständige Außenpolitik. Sollten sich Interessen überschneiden, will Großbritannien auch weiterhin mit der EU zusammenarbeiten. Dazu gehöre Stabilität und Sicherheit des europäischen Kontinents sowie Klimapolitik und Artenvielfalt.

Oppositionsführer Keir Starmer warf Johnson vor, das Fundament für die neue Strategie geschwächt zu haben. "Von Europa bis zum Indischen Ozean hat diese Regierung nun den Ruf, internationales Recht zu brechen, nicht es zu verteidigen", sagte der Labour-Chef. Er bezog sich auf eine einseitig verlängerte Schonfrist für Nordirland nach dem Brexit. Die EU sieht in dem britischen Vorgehen eine Verletzung des Vertrages und leitete am Montag rechtliche Schritte ein.

sti/uh (ap, dpa, rtr)