1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Auge in Auge mit Tieren

Larry Buhl
18. Oktober 2016

Der Klimawandel treibt das Artensterben an. Darum hat der National Geographic-Fotograf Joel Sartore das Arche-Album geschaffen, ein Projekt, für das er Tausende Arten porträtiert hat, bevor sie endgültig verschwinden.

https://p.dw.com/p/2RMRW
Ein Rotaugenlaubfrosch (Agalychnis calidryas) National Geographic
Der Rotaugenlaubfrosch ist nur eines von vielen Amphibien in der National Geographic Photo Ark Bild: JOEL SARTORE/National Geographic Creative

Das Artensterben ist für viele Menschen nur schwer zu begreifen, das Thema einfach zu abstrakt. Der "National Geographic"-Fotograf Joel Sartore wollte es verständlicher und persönlicher machen. Alle 12.000 bedrohten Arten auf unserem Planeten will er für die "National Geographic Photo Ark", das Arche-Album, porträtieren. Mehr als 11 Jahre war Sartore für seine einzigartige Dokumentation in Zoos und Aquarien weltweit unterwegs. Einige der porträtierten Arten sind heute schon sehr selten, einige werden womöglich noch in diesem Jahrhundert aussterben.

Bis jetzt hat Sartore 6200 Arten fotografiert, weitere 6000 will er in den nächsten 15 Jahren ablichten. Sartore hofft, dass seine Dokumentation die Betrachter emotional packt und sie sich stärker mit dem Artenschutz auseinander setzen.

Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Zeit den Tieren des Arche-Albums davonläuft. Nur wenige Stunden nach dem Gespräch mit Sartore, habe ich erfahren, dass eines seiner Motive, Toughie, der letzte Rabbs Fransenzehen-Laubfrosch, im Botanischen Garten von Atlanta gestorben war. Das Ende einer Spezies. Sein Ende ist bezeichnend für die Dringlichkeit des Projekts, umso mehr, wenn man weiß, wie fasziniert der Fotograf von Fröschen ist.

Joel Sartore: Frösche sind eine uralte Tiergruppe und doch so empfindlich. Sie absorbieren Gifte über ihre Haut und brauchen immer die richtige Umgebungstemperatur, Regen und Feuchtigkeit, um zu gedeihen und sich fortzupflanzen. Durch den Klimawandel, Umweltverschmutzung und nun auch noch einen Pilz, der sich rund um den Globus ausbreitet, sind viele Amphibien stark bedroht. Ich hoffe, dass ich die Menschen darauf aufmerksam machen und sensibilisieren kann. Das ist es, was ich mit dem Arche-Album erreichen will.

Deutsche Welle: Wie ist die Idee zum Arche-Album entstanden?

Joel Sartore: Meine Frau bekam Brustkrebs und wurde behandelt, während dieser Zeit war ich ein Jahr lang nicht als "National Geographic"-Fotograf in der Welt unterwegs. Das brachte mich dazu, darüber nachzudenken, mit welchem Projekt ich nachhaltig etwas verändern könnte. Der Zweck des Arche-Albums war, die Menschen dazu zu bewegen, den Tieren in die Augen zu schauen und sich mit dem Artensterben auseinander zu setzen, sich zu engagieren. Das ist jetzt 11 Jahre her, und ich habe mich seitdem komplett auf dieses Projekt fokussiert.

Der Umfang hat sich in dieser Zeit dramatisch erhöht. Was als eine Handvoll Porträts im Kinderzoo von Lincoln begann, hat sich zu einem weltweiten Phänomen entwickelt - meine Bilder wurden an das Gebäude der Vereinten Nationen und an das Empire State Building projiziert, ebenso an den Petersdom im Vatikan. Die Fotos wurden für den Kampf gegen Elfenbeinhandel benutzt und auch in Spielfilmen. Ich hoffe meine Bilder können etwas bewirken und wenigstens einige der Arten retten.

Wie war die erste Fotosession? Und wie hat sich der Ansatz über die Zeit verändert?

Das allererste Bild habe ich von einem Nacktmull im Kinderzoo von Lincoln gemacht. Der Kurator holte ein weißes Schneidbrett aus der Zooküche, das wir als Hintergrund benutzten. An diesem Tag habe ich auch noch einige blaue und schwarze Pfeilgiftfrösche fotografiert.

Ein drei Monate alter Baby-Schimpanse
Auch Primaten sind unter den Tausenden von Tieren, Vögeln, Insekten und Amphibien, die bisher schon für die National Geographic Photo Ark abgelichtet wurden.Bild: Joel Sartore/National Geographic Photo Ark
Toughie der Frosch National Geographic
Toughi war der weltweit letzte Rabbs Fransenzehen-Laubfrosch, er ist auch in der National Geographic Photo Ark abgebildet.Bild: Joel Sartore/National Geographic Photo Ark

Die jetzigen Fotosessions sind viel besser vorbereitet und gut recherchiert. Mein Ziel ist es, schnell und effizient zu arbeiten, um dem Tier nicht so viel Stress zu bereiten und es nicht zu lange aus seiner gewohnten Umgebung zu reißen.

Warum haben Sie sich entschieden die Tiere im Studio zu fotografieren?

Es ist ein mobiles Studio, die meisten Tiere fotografiere ich direkt in den Zoos, Aquarien oder Auffangstationen, wo sie leben. Ich bringe Hintergründe und Licht mit, um so klare und detailreiche Fotos zu bekommen, wie irgend möglich.

Wie sieht die Vorbereitung auf so einen Fototermin aus?

Wir arbeiten im Vorfeld über viele Wochen und Monate hinweg mit den Zoos, in denen wir Tiere fotografieren wollen. Wir recherchieren, welche Arten es dort gibt, die wir an Bord des Arche-Albums bringen könnten. Mit den Zoos besprechen wir dann, welche Arten wir tatsächlich fotografieren können. Viele der Tiere wurden mit der Hand aufgezogen und stören sich nicht an den Umständen einer Fotosession, andere hingegen sind zu unruhig, Huftiere beispielsweise.

Haben wir einmal unsere Liste mit Tieren, die abgelichtet werden sollen, erstellt, bereiten wir zwei einfache Aufbauten vor: einen Tisch mit einer zeltartigen Stoffabdeckung, um kleine Tiere, wie Frösche, Vögel oder Nagetiere zu fotografieren. Für größere Tiere bereiten wir einen Raum mit schwarzem oder weißem Hintergrund vor. Die Zoomitarbeiter bringen die Tiere rein, manchmal locken wir sie mit etwas Futter in unser temporäres Studio. Das Fotografieren  selbst dauert nur ein paar Minuten.

Ich habe beim Betrachten der Bilder zwei verschiedene Emotionen gehabt: wie schön und wie traurig. Es könnte auch an der Studioumgebung liegen. Da die Tiere aus ihrer natürlichen Umgebung herausgerissen sind, ist das Gefühl des Verlusts allgegenwärtig und führt auch zu der Frage: Diese wunderschönen Kreaturen wird es bald nicht mehr geben? Welche Reaktionen wollen sie bei den Betrachtern wecken?

Die schwarzen und weißen Hintergründe dienen zwei Zwecken: sie sollen verhindern, dass der Blick des Betrachters abgelenkt wird und sie helfen uns, das Tier möglichst deutlich abzubilden, auch wenn es sehr klein oder gut getarnt ist. Vor allem schafft es gleiche Bedingungen für alle Tiere, ob groß oder klein.
Eine Maus ist genauso wichtig wie ein Tiger und ein kleiner Fisch ein ebenso komplexes Wesen wie ein Elefant. Für das Arche-Album sind sie alle von gleicher Größe und Relevanz. Die kleinsten Kreaturen halten unser Ökosystem am Laufen, daher ist es an der Zeit, ihnen Respekt zu zollen.

Ordnen Sie ihre Motive nach der Priorität, wie stark sie vom Aussterben bedroht sind?

Ja, ich setze die ganze Zeit über Prioritäten. Wenn ein Tier schon extrem selten geworden ist, beeile ich mich sehr mit meiner Arbeit. Das Nördliche Breitmaulnashorn im Dvur Kralove Zoo in der Tschechischen Republik war so ein dringender Fall. Und es ist gestorben. Jetzt gibt es nur drei Tiere dieser Art weltweit.

Ein Chacofrosch (Lepidobatrachus laevis)  National Geographic Photo Ark Joel Sartore
Joel Sartore hat sich zum Ziel gesetzt für die National Geographic Photo Ark 12.000 gefährdete Arten zu fotografieren.Bild: JOEL SARTORE, NATIONAL GEOGRAPHIC PHOTO ARK/National Geographic Creative

Um mehr über die "National Geographic Photo Ark" herauszufinden und sie gegebenenfalls zu unterstützen, klicken sie hier: donate.nationalgeographic.org/photo-ark