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Zoff, Zores und Stuss sind bekannte deutsche Wörter. Aber wo haben sie ihren Ursprung? Wer genau hinhört, erkennt: Wir alle sprechen ein bisschen Jiddisch – wir wissen nur nicht immer, was wir da eigentlich sagen.
Der Most holende Bartel geistert weiß Gott wie lange schon durch die deutsche Sprache. Aber Bartel ist kein Männer- oder Jungenname. Keine Kurzform von Bartholomäus. Und: Bartel holt auch keinen Most – weder aus dem Keller noch sonst woher. Denn der Bartel ist ein Eisen. Ein Einbrucheisen, eine Art Brechstange.
In aller Munde
Was aber will der Bartel mit dem Most? Er will ihn haben, und es liegt nahe, dass es sich bei Most nicht unbedingt um ein Getränk handelt. Das Wort "Most" ist ein altes jiddisches Wort für Geld. "Wo der Bartel den Most holt" ist eine gängige und gleichermaßen gern gebrauchte Redensart, wenn man jemandem unmissverständlich klar machen will, wo’s langgeht.
Im Deutschen gibt es neben Bartel und Most Hunderte Wörter jiddischen Ursprungs. Deutsch und Jiddisch: eine Wechselbeziehung, die trotz aller Schrecken der Geschichte fortbestanden hat. Derzeit erlebt das Jiddische geradezu eine Renaissance.
Klartext reden – auf Jiddisch
Jiddisch ist eine germanische Sprache, in die Vieles aus dem Hebräischen und Slawischen eingeflossen ist. Wir reden – wenn’s sein muss – Tacheles, also Klartext, nicht selten müssen wir uns den größten Stuss anhören und allzu oft sind wir des Abends vor lauter Maloche völlig geschlaucht.
Das Wort "Maloche" kann zwar dem Ruhrgebietsdeutsch und dem Berlinischen zugerechnet werden, es stammt aber aus dem Hebräischen "m'lach", was "Schwerstarbeit" bedeutet. Geschlaucht hat nichts mit Schlauch zu tun, sondern mit "schlacha", was "zu Boden werfen" heißt; und wenn man da liegt, ist man ziemlich erschöpft: Geschlaucht.
Alles nett gemeint!
Die liebe Familie und die noch liebere Verwandtschaft nennen wir gern vor Dritten, die nicht dazugehören, Mischpoke. Das klingt nicht gerade freundlich und tut dem hebräischen "Mischpacha" insofern Unrecht, weil damit lediglich die Familie gemeint ist. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Jemandem zu wünschen, er möge sich den Hals und gleich noch die Beine brechen, zeugt auch nicht gerade von Menschenfreundlichkeit. Wir tun es aber trotzdem. Forsch klingt das und soll heißen "Nur zu! Du schaffst das schon!". Es lohnt sich, die Geschichte vom Hals- und Beinbruch zu erzählen:
Ein klassisches Missverständnis
Es waren einmal zwei jüdische Geschäftsleute. Der eine war Tuchhändler, der andere hatte eine große Schneiderei. Die beiden hatten sich nach langem Hin und Her über den Kaufpreis mehrerer Ballen Stoff geeinigt. Sie waren zufrieden und wünschten sich beim Auseinandergehen "Hazlacha uwracha", was nichts anderes als "Erfolg und Segen" bedeutet.
Dieser fromme Spruch war – und ist es immer noch – in der jüdischen Geschäftswelt gang und gäbe. Was haben die gesagt? Hazlacha uwracha? Irgendwann wurde der hebräische "Erfolg und Segen" von deutschsprachigen Zuhörern aufgeschnappt und prompt falsch verstanden. Fortan lebte er als Hals- und Beinbruch in der deutschen Sprache. Ein klassischer Fall von Verballhornung. Falsch gehört, falsch geschrieben: andere Bedeutung, die eigentlich völliger Stuss ist. So kann’s gehen.
Von ausgekocht bis Zores
Von A bis Z; von "ausgekocht" bis "Zores", die Liste von Wörtern jiddisch-hebräischen Ursprungs im Deutschen ist lang. Sie reicht von dem ausgekochten Ganoven – jeder deutsche Muttersprachler versteht was gemeint ist – bis zu Zoff und Zores.
Bevor die Sprachbar schon wieder schließt, noch schnell eine witzige und typisch jiddische Anekdote, die auch zeigt, dass wir Jiddisch ganz gut verstehen können. Also: Ein Zeitungsverleger beugt sich aus dem Fenster und sieht einen Trauerzug vorüberziehen. "Oj", sagt er ins Zimmer zu seinen Angestellten, "Oj, morgn drukn mir eins zeitung weiniker."
Fragen und Aufgaben zum Text
Zu welcher Sprachfamilie gehört das Jiddische?
1. zur hebräischen
2. zur germanischen
3. zur slawischen
Was könnte man anstelle von Hals- und Beinbruch auch sagen?
1. Ich wünsch dir viel Glück!
2. Fall bloß nicht hin!
3. Lernen durch Schmerz!
Wenn ein Ganove sehr schlau und geschickt ist, ist er …
1. unverfroren
2. ausgekocht
3. angebrannt
Arbeitsauftrag
Erstellen Sie eine Liste aller Begriffe und Phrasen dieses Artikels, die aus dem Jiddischen oder Hebräischen kommen, und finden Sie jeweils ein Synonym. Recherchieren Sie: Welche jiddischen Wörter und Wendungen gibt es noch im Deutschen? Ergänzen Sie die Liste, so dass sie am Ende zwischen 15 und 20 Einträgen enthält.