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Jenseits von Größe 42

Nadja Baeva4. Februar 2005

Die durchschnittliche europäische Frau ist 1,70 Meter groß, 68 Kilogramm schwer und sieht sich von Models und TV-Moderatoren umgeben, die eine Karotte als üppige Mahlzeit ansehen. Doch der Trend kippt.

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"Normale" ModelsBild: dpa

Vorhang auf, Scheinwerfer an und über den Laufsteg schreitet eine wunderschöne Frau - mit betörender Ausstrahlung und Kleidergröße 44. Das gibt es nicht? Doch! Iris Schain zum Beispiel. Sie arbeitet in der Kölner Agentur für mollige Models "Bella Donna". Die 42-Jährige steht zu ihren Pfunden und ist froh, dass endlich "normale" Frauen auf den Laufstegen und im Fernsehen Beachtung finden. "Mir fällt immer wieder auf, dass wenn ich durch die Geschäfte gehe, bestimmte Größen liegen bleiben: 36, 38 und 40. Das sagt doch alles."

Die, "die was drauf haben", sind bei "Bella Donna" genau richtig. Die Kölner Agentur vermittelt ausschließlich üppige Models. Alle zehn Frauen, die hier arbeiten, befinden sich jenseits der Größe 42. Renate Schmidt gründete ihre Agentur, weil sie eine Marktlücke gesehen hatte.

Die Chefinnen von Bella Donna, Agentur für dicke Models
Julia Wolters und Renate Schmidt sind die Chefinnen der Kölner Model-Agentur "Bella Donna"Bild: dpa

Die Frauen mit realistischen Maßen - sprich mit Kurven - erobern in der Öffentlichkeit immer mehr Platz. Dennoch gibt es nicht genug professionelle Models, die diesem Vorbild entsprechen. Schmidt geht deshalb mit offenen Augen durchs Leben. "Ich schaue mich auf der Straße hier in Köln um und denke, es gibt einfach genug Frauen, die gute Maße, super Proportionen und Ausstrahlung haben, schön sind und durchaus für den Modelberuf geeignet wären."

XL direkt

Kunden zu finden, die sich für die molligen Schönheiten interessieren, ist mittlerweile kein Problem, sagt die Agentur-Chefin. Die XL-Models von "Bella Donna" erhalten Anfragen für Foto-Shootings und Modenschauen. Die Unternehmen wollen nicht mehr nur mit den mageren Schönheiten, mit denen sich keine durchschnittliche Frau identifizieren kann, werben. Sie wollen jetzt ihre Kundinnen direkt ansprechen.

Die Mehrheit passe nun mal nicht in die Idealgrößen, so Jens Hofmann, Geschäftsdirektor eines Modeladens in Köln. "Ich denke, man muss dieses Weltbild ein bißchen gerade rücken." Statistisch gesehen pendelt die deutsche Frau zwischen 40 und 46.

Casting für dicke Models
Casting für dicke ModelsBild: dpa

Der neue Trend zur Üppigkeit wirkt auf viele Frauen wie ein Befreiungsschlag. Endlich darf man dazu stehen, ein bißchen moppelig zu sein. Wie lange jedoch die Rubenskurven in Mode bleiben werden, wird sich zeigen. Wenn man auf die Geschichte zurückblickt, sieht man, dass XL-Frauen immer wieder ikonisiert wurden. Das letzte Mal galten runde Formen in den 1950er Jahren als besonders schön und sexy.

Mollig nicht fett

Die modernen Frauen werden selbstsicherer und stehen mittlerweile dazu, wie sie nun mal aussehen. Jens Hofmann aus dem Kölner Modegeschäft hat ein neues Selbstbewusstsein beobachtet. "Wenn Sie heute die jungen Frauen sehen, die auch nicht super mager sind, die haben ein anderes Körperbewußtsein und Gefühl als noch vor ein paar Jahren. Heute geht man sehr wohl figurbetont durch die Straße."

Die üppigen Frauen wollen sich immer seltener mit Diäten und Sport quälen, um das superschlanke Ideal zu erreichen. Sie stehen zu ihren Speckröllchen, freut sich Renate Schmidt. Dennoch: Ganz ohne 90-60-90 möchte sie nun doch nicht auskommen: "Unser Wunsch ist nicht, dass sich das Schönheitsbild ausschließlich auf die Frauen mit etwas mehr konzentriert, sondern dass es neben den Schlanken gleichberechtigt ein zweites Bild gibt."