Japan vor Neuwahlen
19. November 2012Die Opposition in Japan hatte seit Monaten die Regierung von Ministerpräsident Yoshihiko Noda zu vorgezogenen Neuwahlen gedrängt. Vergangene Woche (14.11.2012) überraschte Noda den politischen Gegner mit dem Angebot, das Parlament aufzulösen und schon am 16. Dezember Neuwahlen abzuhalten.
Noda wandte sich im Parlament direkt an Shinzo Abe, Führer der oppositionellen Liberaldemokraten (LDP), und bot die Auflösung des Unterhauses an, falls die LDP im neuen Parlament einem Gesetz zur Wahlrechtsreform zustimmen würde. Nach Beratungen mit der Parteiführung stimmte Abe dem Vorschlag zu.
Angesichts der schlechten Umfrageergebnisse seiner Demokratischen Partei (DPJ) hätte Noda durchaus bis zur letzten Minute, nämlich bis Mitte 2013, warten können, um Neuwahlen anzusetzen. Das hätte andererseits der neuen "dritten Kraft", die sich in Japan derzeit abseits des politischen Mainstreams herauszubilden beginnt, mehr Zeit gegeben, sich zu einer ernstzunehmenden politischen Alternative zu entwickeln.
Die "dritte Kraft"
Zwei der bekanntesten Politiker der "dritten Kraft" haben schnell reagiert und am Samstag (17.11.2012), einen Tag nach der Parlamentsauflösung, den Zusammenschluss ihrer Parteien bekanntgegeben. Es handelt sich um den Bürgermeister von Osaka, Toru Hashimoto, und den früheren Gouverneur von Tokio, Shintaro Ishihara. Der 80-jährige Politiker hatte erst vor kurzem seine Partei "Sonnenaufgang" gegründet. Die geht jetzt in Hashimotos Partei "Japans Wiedergeburt" auf, künftig unter Vorsitz von Ishihara. Bisher war allerdings die einzige politische Gemeinsamkeit beider Männer ihr prononciert nationalistisches Auftreten. Die fusionierte Partei liegt nach jüngsten Umfragen zwischen sieben und elf Prozent der Wählerstimmen.
"Für die Regierung bleibt es schwierig, aber ich denke, dass Noda jetzt besser dasteht, nachdem er die Neuwahlen aus eigener Initiative angeleiert hat, anstatt dazu gezwungen worden zu sein", meint Politikexperte Jun Okumura von der Beraterfirma Eurasia Group. Tatsächlich haben Nodas Beliebtheitswerte in Umfragen, die am Montag (19.11.2012) veröffentlicht wurden, zugelegt. Abe und seine LDP liegen in der Wählergunst aber mit rund 25 Prozent weiterhin vorne, eine eigene Mehrheit scheint für beide Parteien außer Reichweite zu sein.
Kampf um die Unentschlossenen
Nach der Wahl von 2009 hatte die DPJ 308 der 480 Sitze im Unterhaus gewonnen. Damit verwies sie die LDP, die dominierende Kraft in der japanischen Politik seit den 50er Jahren, zum ersten Mal auf den zweiten Platz.
Die Wählergruppe der Unentschlossenen bleibt auch nach den jüngsten Umfragen die weitaus größte, nämlich zwischen 36 und 44 Prozent der Wähler.
Um diese Unentschlossenen buhlen nicht nur die beiden Großen, LDP und DPJ, sowie "Japans Wiedergeburt", sondern noch eine Reihe kleinerer Parteien. Dazu gehören die beiden Mitte-Rechts-Parteien "Your Party" und New Komeito, die sich auf die buddhistische Gemeinschaft Soka Gakkai stützt, Sozialdemokraten, Kommunisten und andere.
Sorgen der Wähler
Alle Parteien müssen Positionen zu den Fragen finden, die den Normalbürger beschäftigen. Das ist vor allem die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer, mit der unter anderem der Wiederaufbau der von Tsunami und Reaktorunfall verwüsteten Regionen Japans finanziert werden soll. Aber auch die Frage nach der Zukunft der Atomenergie in Japan und ob die Atomkraftwerke des Landes wieder ans Netz gehen sollen, beschäftigt die Menschen. Schließlich ist die Bauern-Lobby gegen Japans Beitritt zu einem von den USA unterstützten Freihandelspakt namens "Trans-Pacific Partnership", während Chinas zunehmend nationalistisches Auftreten bei Territorialstreitigkeiten Sorgen erweckt.
Große gegen Kleine
"Angesichts der knappen Frist bis zur Wahl wird es für die kleinen Parteien schwierig sein, die Auswahl der Kandidaten für die verschiedenen Wahlkreise abzustimmen und eine Zersplitterung der Wählerstimmen zu verhindern", vermutet Okumara. "Ich denke, die LDP wird die meisten Stimmen bekommen, aber für eine eigene Regierungsmehrheit wird es weder bei der LDP noch bei der DJP reichen."
Sollten die beiden traditionellen Rivalen also nicht genügend Gemeinsamkeiten für eine große Koalition finden, könnte eine neue Partei mit radikal anderen Vorstellungen über Japans Weg den Ausschlag geben. Ein solches Wahlergebnis will aber weder die LDP noch die DJP.