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Japanische Aktien wieder populär

Martin Fritz
15. Januar 2018

Dividendentitel aus Nippon sind dank hoher Gewinne, einer stärkeren Berücksichtigung der Aktionäre und billigem Notenbankgeld so gefragt wie schon lange nicht mehr. Martin Fritz aus Tokio.

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Tokyo Stock Exchange TSE Börse
Bild: Imago/AFLO

Japans Aktienmarkt ist ein starker Jahresstart gelungen. Der bekannteste Leitindex Nikkei 225 verzeichnete am ersten Handelstag den größten Auftaktgewinn seit 1996. Seitdem steigerte sich der Index auf mehrere neue 26-Jahreshochs. Damit setzte der Nikkei seinen mächtigen Anstieg von fast 18 Prozent aus dem Vorjahr fort. Der breiter gefasste Index Topix, der alle rund 2 000 Titel der ersten Sektion der Tokioter Börse umfasst, rückte 2017 sogar um 21 Prozent vor. Überrascht notierte der Finanzdienst Bloomberg, erstmals seit vielen Jahren würde eine breite Mehrheit von Anlegern und Analysten Japan ganz oben auf ihre Kauflisten setzen.

Die Rally hatte im September begonnen, als Premierminister Shinzo Abe vorzeitige Neuwahlen für das Unterhaus des Parlaments ansetzte. Darauf ließen vor allem ausländische Anleger viel Kapital an die Tokioter Börse strömen, nachdem sie sich in der ersten Jahreshälfte stark zurückgehalten hatten. Doch nun erwarteten sie einen Wahlsieg von Abe und damit die Fortsetzung seiner Wirtschaftspolitik der Abenomics. Diese ultralockere Geld- und Haushaltspolitik soll die Deflation verscheuchen, unter anderem durch eine Schwächung des Yen. Im Nebeneffekt treibt dies die Aktienkurse hoch.

Japan Börse
Japans Nikkei-Index kennt seit September 2017 nur eine Richtung nach obenBild: Getty Images/AFP/K. Nogi

Comeback nach 40 Jahren

Das Comeback von Nikkei und Topix ist keine Selbstverständlichkeit. Kein nationaler Markt wurde als Folge einer Spekulationsblase jemals so hoch bewertet wie Japan. Ende der 1980er Jahre notierte der Nikkei bei knapp 39 000, also immer noch knapp zwei Drittel höher als am Freitag. Damals, vor 39 Jahren, wurde das Grundstück des Kaiserpalastes im Zentrum von Tokio genauso hoch bewertet wie alle Immobilien vom US-Bundesstaat Kalifornien zusammen. Als die Notenbank die Zinsen erhöhte, wich langsam die Luft aus der Blase, so dass die 1990er Jahre zum verlorenen Jahrzehnt wurden.

Erst im November 2017 erreichte der Nikkei wieder den Stand vom Januar 1992. Die Dimensionen dieses Comebacks werden erst richtig verständlich, wenn man den historischen Kontext sieht. In jenem Monat war nämlich gerade der Roman "Nippon Connection" (Englisch: "Rising Sun", verfilmt als "Die Wiege der Sonne") erschienen, in dem Autor Michael Crichton vor einer japanischen Verschwörung gegen die USA warnte. Was für das damalige Publikum plausibel war und daher zum Bestseller wurde, ist heute kaum noch nachzuvollziehen. Vielmehr sorgte Japan in den nächsten zwanzig Jahren mit steigenden Schulden und abstürzenden Aktienkursen für weltweite Schlagzeilen.

Konjunktur in Japan
Ein zyklisches ComebackBild: Picture alliance/dpa/F. Robichon/EPA

Längere zyklische Erholung

Doch zwei Jahrzehnte nach der Finanzkrise von 1998 in Asien mit dem Zusammenbruch des Wertpapierhauses Yamaichi und der Hokkaido Takushoku Bank erlebt Japans Wirtschaft seit 2013 unter der Regierung Abe ein zyklisches Comeback. Vor allem wegen der robusten Weltkonjunktur läuft Japans Wirtschaft auf Hochtouren und ist inzwischen sieben Quartale hintereinander gewachsen. Das ist der zweitlängste Aufschwung der Nachkriegszeit. Für konjunkturellen Auftrieb sorgte auch Japans Zentralbank, Bank of Japan, mit ihren extremen Wertpapierkäufen. In knapp fünf Jahren erwarb sie mehr als 40 Prozent aller Staatsanleihen, schwächte dabei den Yen, erhöhte dadurch die Gewinne der japanischen Exportunternehmen und wandte zugleich die Gefahr einer Schuldenkrise ab.

Verlangsamung in 2018

Allerdings sind sich die Analysten einig, dass sich das wirtschaftliche Wachstum im neuen Jahr verlangsamen wird. Nach einer Zuwachsrate von +1,5 Prozent im laufenden Fiskaljahr (bis 31. März) rechnet etwa Japans führende Investmentbank Nomura mit einem Rückgang auf +1,0 Prozent. Der Aufschwung sei zu schwach, um von der Bevölkerung gespürt zu werden, schrieb ihre Analysten. Ohne eine höhere Produktivität werde es keine höheren Löhne geben. Zudem beruhten die starken Exporte auf Ersatzinvestitionen im Ausland und nicht auf einer Steigerung der Produktionskapazität.

"Das neue Jahr wird den Erfolg des aktuellen kaum wiederholen können", meint Japan-Analyst Stefan Große von der Norddeutschen Landesbank (NordLB). Von der bislang robusten globalen Konjunktur abgesehen fehlten auf dem japanischen Binnenmarkt die großen Impulse für den privaten Konsum, der 60 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht. Nach +1,7 Prozent Wachstum im abgelaufenen Jahr erwartet Große eine Verlangsamung auf +0,7 Prozent in diesem Jahr. Die Regierung plane zwar Steuererleichterungen für Unternehmen, die höhere Löhne zahlten, aber die Umsetzung dieser Idee dürfte kompliziert sein.

Japan Premierminister Shinzo Abe
Japans Premier Shinzo Abe präsentierte drei Tragsäulen seiner Wirtschaftspolitik, Abenomics genannt, im Jahr 2015Bild: Reuters/I. Kato

Währungsrisiko für Aktienmarkt

Vor allem wegen der extremen Haltung der Bank of Japan herrscht unter Analysten dennoch überwiegend Optimismus für den japanischen Aktienmarkt. Der Indexfonds-Anbieter Wisdom Tree nennt das niedrige Bewertungsniveau, die positive Gewinnentwicklung und den schwachen Yen als Basis für weitere Kurssteigerungen und plädiert für Exporttitel aus Japan. Der deutsche Vermögensverwalter Lingohr & Partner spricht von einem Markt "voller Value-Gelegenheiten" und verweist auf hohe Cashreserven und Rentabilität der Unternehmen als Chancen.

Die US-Investmentbank Lazard sieht Japan-Anlagen "zurück auf der Tagesordnung". Japan sei der einzige Aktienmarkt, der auf 10-Jahres-Sicht nicht über seinem Bewertungsmittel liege. Damit ist gemeint: Die Gewinne der Unternehmen in Japan sind im vergangenen Jahr schneller gestiegen als Kurse. Die Bewertung ist also trotz Kurssteigerungen gesunken. Die US-Fondsgesellschaft Janus Henderson plädiert für unterbewertete kleine Unternehmen, die potenzielle Ziele von Übernahmen seien.

Auch die Schweizer Bank UBS nimmt eine vorsichtige Haltung ein. Der Yen sei bereits stark unterbewertet, schrieb das UBS-Team in Japan. Daher liege das Risiko eher auf der Aufwertungsseite, etwa durch einen EU-kritischen Ausgang der Wahl in Italien. Als weiteres Risiko gilt eine stärker als erwartete Reduzierung der Wertpapierkäufe der japanischen Notenbank. Der Chefvolkswirt von Morgan Stanley sagt eine Verringerung der Indexfondskäufe und für das dritte Quartal eine Anhebung der Zielrendite für 10-jährige Staatsanleihen auf 0,25 Prozent voraus. Dies begrenzt die Wahrscheinlichkeit einer höheren Aktienbewertung und könnte Gewinnmitnahmen auslösen. Anders gesagt: Die ausländischen Großanleger könnten genauso schnell wieder verschwinden, wie sie im Herbst vergangenen Jahres nach Japan gekommen sind.