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GesellschaftJapan

Japan: Tierquälerei versus religiöse Tradition

Julian Ryall
3. Juni 2023

In Zentraljapan sollen Pferde beim Traditionsfest Ageuma gequält worden sein. Tierschützer bezichtigen den Veranstalter der Gier nach Geld unter dem Deckmantel der Traditionspflege. Julian Ryall aus Tokio.

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Japan | Ageuma Festival
Das Ageuma Festival in Kuwana zieht Schaulustige anBild: Philbert Ono

"Lasst die Pferde los!" Nach der dreijährigen Corona-Pause feierte Anfang Mai die zentraljapanische Stadt Kuwana wieder das "Ageuma"-Fest, das Fest der "aufsteigenden Pferde". In der landwirtschaftlich geprägten Präfektur Mie gelten Pferde seit Jahrhunderten als Boten zwischen Menschen und Gott.

Sechs junge Männer im Alter von 16 bis 29 Jahren wurden dieses Jahr als Reiter ausgewählt. Sie trugen aufwendige bunte Kostüme und führten die Pferde. Ihr Ziel: der Tado-Taisha-Schrein, das schintoistische Gotteshaus der "Transzendenz", das vermutlich vor 1200 Jahren gebaut wurde.

Zuerst mussten sie auf einer 100 Meter langen Strecke mit dem Pferd sprinten, bevor Ross und Reiter über eine zwei Meter hohe Lehmmauer zum Schrein sprangen. Anschließend folgte das Gebet für eine gute Ernte. Und jeder Reiter hatte drei Versuche. So die Routine, die 700 Jahre alt sein soll.

Dieses Jahr zog das Event, wie schon in den vergangenen Jahren, zahlreiche Schaulustige aus Nah und Fern an. Die religiöse Bedeutung des Opferritts gerät in Vergessenheit. Alle wollten sehen, ob und wie die Pferde es schaffen, über die Mauer zu springen.

Japan | Ageuma Festival am Inabe Schrein
Pferde müssen über eine Lehmmauer zum Schrein springenBild: Philbert Ono

Die traurige Nachricht von diesem Jahr: Nur drei Pferden gelang der Sprung. Ein Schimmel verunglückte tödlich, als er an der letzten Hürde das Bein brach und vor Ort eingeschläfert werden musste.

"Grausam und unnötig"

Diese Quälerei ruft japanische Tierschützer auf den Plan. "Es ist grausam und unnötig. Aber der Schrein verteidigt die Veranstaltung und behauptet, es handele sich um eine Tradition", sagte Yuki Arawaka der Tierschutzorganisation Life Investigation Agency. Arawaka sagt der DW, dass die Lehmmauer beim Ageuma-Fest nicht zur Tradition gehöre. Sie sei deswegen hinzugefügt worden, um mehr Touristen in die Region zu holen.

Die Aussage teilt auch Keiko Yamazaki, Vorstandsmitglied der japanischen Tierschutzkoalition: "Die Lehmmauer entstand erst nach Kriegsende." Nach Angaben der Tierschutzorganisation starben schon viele Pferde an dieser Mauer. "Früher wurden die Pferde noch gedopt, damit ihr Adrenalinspiegel steigt", sagt Yamazaki.

Wer ist schuld?

Ein weiterer Tierschutzverein reichte deswegen Klage wegen Tierquälerei ein. Allerdings wies die lokale Staatsanwaltschaft die Klage zurück. Die Stadt Kuwana räumte lediglich ein, dass dieses Jahr viele Menschen gegen das Fest protestiert hätten. Allerdings sei die Stadt nicht der Veranstalter. Der Schrein wies die Vorwürfe der Tierquälerei zurück. Die Pferde seien "angemessen behandelt" und vor dem Festival "liebevoll rund um die Uhr versorgt" worden.

Dass nun das Ageuma-Fest auf der Medienagenda steht, freut die Aktivisten und Tierfreunde sehr. "Bilder von der Veranstaltung wurden in den sozialen Medien verbreitet und haben Tierquälerei in Japan in ein negatives Licht gerückt", sagt Yamazaki. Auch Yuki Arawaka begrüßt das riesige mediale Echo: "Noch nie zuvor hat es so viel Wut über die Veranstaltung gegeben. Ich glaube, dass dies der Anfang vom Ende des Festivals ist." 

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