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Jagland: Europarat für Osten sehr wichtig

Stephanie Höppner1. Juli 2014

Der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, gehört zu den Rednern des Global Media Forums 2014 in Bonn. Im Gespräch mit der DW erklärt er, warum der Europarat außerhalb der EU noch viel wichtiger ist.

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Global Media Forum 2014 , Thorbjörn Jagland . (Foto: DW)
Bild: DW

Deutsche Welle: Wie ist Ihr Eindruck vom Global Media Forum?

Thorbjørn Jagland: Ich war sehr beeindruckt - und froh, dass ich so viele Journalisten und Herausgeber aus der ganzen Welt treffen durfte. Es ist ein sehr wichtiges Forum; ich begrüße es sehr, dass ich als Redner eingeladen war. Wir müssen uns alle den neuen Herausforderungen stellen - neue Technologien beeinflussen nicht nur die Medien sondern auch die politische Landschaft.

Sind Sie als Generalsekretär des Europarates manchmal frustriert, dass die Menschen in Europa so wenig über Ihre Institution wissen - der Europäische Rat hingegen sehr stark von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird?

Das ist nur natürlich. Die Europäische Union bestimmt zum Beispiel für ein Land wie Deutschland etwa 80 Prozent der Gesetze, vor allem im Wirtschaftsbereich. Auf der anderen Seite hat ein Land wie Deutschland kaum Probleme mit der Einhaltung von Menschenrechten. Doch das ist der Bereich, wofür wir als Europarat die Verantwortung tragen. Es ist also klar, dass Deutschland die Rolle der Institutionen der Europäischen Union deutlich stärker wahrnimmt als den Europarat. Hinzu kommt: Es gibt eine große Verwirrung über den Europäischen Rat, der innerhalb der EU angesiedelt ist und den Europarat, der nicht mit der EU verbunden ist. Es ist nicht leicht für die Leute, den Unterschied zu verstehen.

Aber wenn Sie den Blickpunkt der Menschen einnehmen, die in der Russischen Föderation leben, in der Türkei oder anderen Ländern außerhalb der Europäischen Union, sehen Sie, dass für sie der Europarat viel wichtiger ist und viel stärker beachtet wird.

Wie würden Sie den Einfluss des Europarates auf die Demokratie und die Grundrechte in Europa beurteilen?

Es ist sehr wichtig, weil wir so alle 47 Mitgliedsstaaten überwachen können - etwa ob sie ihren Verpflichtungen gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention nachkommen. Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte fließen zudem in die Gesetzgebung aller Länder ein. Das heißt: Wir haben großen Einfluss auf die Gesetzgebung in allen Mitgliedsstaaten. Aber das ist ein stiller Prozess, dem nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Und natürlich ist es in Ländern, die sich noch auf dem Weg hin zur mehr Menschenrechten bewegen, deutlich wichtiger.

Der Europarat hat Russland das Stimmrecht entzogen. Kann man damit Russland wirklich treffen?

Absolut. Das hat viel Aufmerksamkeit in Russland hervorgerufen - sowohl bei den normalen Bürgern als auch bei der Elite des Landes. Ich glaube, dass wir im Westen unterschätzen, wie wichtig es Russland ist, im Europarat zu bleiben. Diese Mitgliedschaft gibt 120 Millionen Menschen das Recht, sich an ein internationales Gericht zu wenden. Die russische Elite weiß das - deshalb ist es auch so wichtig, dass dieser Schritt unternommen wurde. Es ist aber auch wichtig für Europa, dass die Russische Föderation im Europarat bleibt - weil es der einzige Ort ist, wo Russland mit europäischen Standards verbunden ist.

Der Europarat umfasst 47 Länder. Empfinden Sie diese Größe als Vorteil oder Nachteil?

Das ist eindeutig ein Vorteil. Da heißt, dass 47 Mitgliedsländer die gleichen Standards, die gleichen Werte und das gleiche Gericht haben. Natürlich gibt es von Land zu Land sehr unterschiedliche Probleme. Die sogenannten alten Demokratien in Europa gehen bei der Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention sehr viel weiter. Aber es ist sehr wichtig, dass sich auch die sogenannten neuen Demokratien dazu entscheiden, den gleichen langen Weg zu gehen. Die Situation in Russland, der Türkei, Georgien, Moldawien oder der Ukraine wäre vermutlich sonst deutlich schwieriger. Diese Länder wären ihren eigenen Weg gegangen – und das hätte auch Europa als Ganzes eher negativ beeinflusst.

Der Norweger Thorbjørn Jagland ist seit 2009 Generalsekretär des Europarates. Er ist Ende Juni für weitere fünf Jahre wiedergewählt worden.

Das Gespräch führte Stephanie Höppner.