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Opfer unvermeidlich

Bernd Riegert24. Mai 2007

Zivile Opfer seien bei dem Afghanistan-Einsatz unvermeidlich, glaubt NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Im Exklusiv-Interview mit der Deutschen Welle erklärt er, warum.

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Jaap de Hoop Scheffer (Archivbild)
Jaap de Hoop Scheffer (Archivbild)Bild: AP

Unmittelbar nach dem Anschlag in Afghanistan, bei dem am Wochenende drei Angehörige der Bundeswehr getötet wurden, reiste der Generalsekretär der NATO, Jaap de Hoop Scheffer, in die USA. Mit dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush beriet er über die Afghanistan-Strategie der NATO-geführten Internationalen Schutztruppe ISAF.

Kein Selbstzweck

Ein Rückzug der 37.000 Soldaten der NATO-geführten Schutztruppe ISAF sei keine Option, sagt er nach seiner Rückkehr. Das wäre unverantwortlich gegenüber der afghanischen Bevölkerung. Und er lobt die Bundesregierung, die die Bundeswehr trotz des jüngsten Anschlags mit drei getöteten Soldaten in Afghanistan belässt. "Die deutschen Opfer sind natürlich dramatisch, und mein Beileid", sagt er "Es ist jedoch sehr wichtig, wie auch Bundeskanzlerin Merkel gesagt hat, dass wir dort bleiben und dass wir unsere afghanischen Freunde, die Regierung und die Bürger unterstützen bei der Entwicklung ihres Landes."

Mit dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush ist sich der NATO-Generalsekretär einig, dass der Kampf gegen die terroristischen Taliban-Milizen fortgesetzt werden müsse, aber auch kein Selbstzweck sei: "Wir sind nicht da, um so viele Taliban wie möglich zu töten. Wir sind nicht da zum Schießen." Die ISAF-Truppe, zu der inzwischen auch die meisten US-amerikanischen Truppen in Afghanistan gehören, solle nur ein sicheres Umfeld für den Wiederaufbau eines Staatswesens schaffen.

Andere "Moral-Kategorie"

Trotz aller negativen Schlagzeilen und trotz der vielen Opfer unter der Zivilbevölkerung und bei den Soldaten gebe es beim Aufbau große Fortschritte. "Was man natürlich im Fernsehen sieht, das sind die schrecklichen Dinge, das hat man bei den deutschen Opfer wieder gesehen, das sind die Attentate und die Anschläge", so Jaap de Hoop Scheffer. "Aber ich kann Ihnen sagen: Die Ursache für die meisten zivilen Opfer in Afghanistan sind die Taliban, nicht die NATO, nicht die Deutschen."

Forderungen, die Strategie der NATO in Afghanistan zu ändern, sieht der Generalsekretär der Allianz skeptisch. Aus NATO-Kreisen heißt es aber, man sei im militärischen Hauptquartier sehr darauf konzentriert zivile Opfer beim Vorgehen gegen die Taliban zu vermeiden. Nur würden sich die Milizen in Dörfern mitten in der Bevölkerung verschanzen. "Es ist leider - ich sage: leider, leider - unvermeidlich, dass zivile Opfer fallen", sagt er. Aber die NATO sei "in einer anderen Moral-Kategorie" als die Taliban: "Wir zünden keine Schüler an, wir haben keine Bomben auf den Straßen, wir schicken keine Selbstmörder."

Ein Ende des Einsatzes der ISAF am Hindukusch lässt sich, so Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer, im Moment nicht absehen. Die Bevölkerung in Deutschland wird zunehmend ungeduldig. 55 Prozent der Deutschen sprachen sich in einer Meinungsumfrage nach dem Tod der drei Bundeswehrangehörigen für einen sofortigen Abzug der 3000 deutschen Soldaten aus.