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Politik

Wirbel um Netanjahu und Trumps Mauer

José Ospina-Valencia
2. Februar 2017

Als man anfing zu glauben, dass die Grenzmauern der Vergangenheit angehören, stachelte ein Tweet aus Israel die ohnehin schon angespannte Situation zwischen Mexiko und dem US-Präsidenten Trump an.

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Israel, Palästinenser, Gewalt
Israels Mauerbau gegen Palästinenser - Erfolgsmodell für Trump ?Bild: picture-alliance/AP Photo

Was mag dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu bei diesem Tweet vom vergangenen Wochenende durch den Kopf gegangen sein? "Präsident Trump hat recht. Ich habe eine Mauer an der südlichen Grenze Israels errichtet. Die illegale Einwanderung wurde gestoppt. Ein großer Erfolg. Eine großartige Idee."

Wollte er etwa in der Gunst des US-Präsidenten aufsteigen, um noch mehr Zugeständnisse von Trump zu bekommen? Dieser hatte bereits angekündigt, die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen zu wollen. Oder wollte Netanjahu Trump in Schutz nehmen, nachdem dessen Einreiseveto für Bürger aus sieben muslimischen Ländern Chaos verursacht hatte?

Ganz gleich welche Absicht dahintersteckte, der Tweet des israelischen Premierministers rief mehr Empörung als Beifall hervor. "Die jüdische Gemeinde in Mexiko distanziert sich von der Nachricht des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu über die Grenzmauer. In diesem Punkt teilen wir nicht seine Meinung und lehnen seine Haltung konsequent ab", schrieb Moises Romano, Präsident des Zentralkomitees der jüdischen Gemeinde Mexikos. In einer Presseerklärung drückte er seine Solidarität gegenüber seinen mexikanischen Mitbürgern in den Vereinigten Staaten aus und forderte für sie eine würdige Behandlung.

Als der Schaden bereits angerichtet war, stritt Netanjahu ab, sich in seiner Twitter-Nachricht auf Mexiko bezogen zu haben. Dabei weiß mittlerweile die ganze Welt, dass mit "Trumps Mauer" die Grenzmauer zwischen Mexiko und den USA gemeint ist.

Nur ein Missverständnis?

2014 errichtete Israel einen 200 km langen "Sicherheitszaun" an der Grenze zu Ägypten, der vom Gazastreifen bis zur israelischen Stadt Eilat reicht. Allerdings hat es Israel mit einem besetzten Gebiet zu tun, das es nicht einmal als Staat anerkennt. Washingtons Mexiko-Politik jedoch betrifft einen souveränen Staat.

In einem offenen Brief an Benjamin Netanjahu gab der Rabbiner Marcelo Rittner, Vizepräsident der Jüdisch-Christlichen Brüderlichkeit Mexikos, zu bedenken, dass die Aussage des israelischen Premiers "den jüdischen Werten von Brüderlichkeit und Gerechtigkeit" widerspreche und eine Verkennung der Situation offenlege, da Mexiko sich nicht im Krieg mit seinem Nachbarn befände.   

Ukraine Kiew Reuven Rivlin im ukrainischen Parlament anläßlich Gedenkfeier zu 75. Jahrestag vom Massenmord an Juden in Babi Jar
Reuven RivlinBild: DW/O. Sawytzky

Mittlerweile bat der israelische Präsident Reuven Rivlin seinen mexikanischen Amtskollegen, Enrique Peña Nieto, die diplomatische Krise abzuhaken und entschuldigte sich für das "Missverständnis". Der israelische Botschafter in Mexiko Jonathan Peled versicherte seinerseits, dass Mexiko und Israel auf eine lange Geschichte der Freundschaft sowie politischer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen zurückblicken. 

Amerika, Zuflucht und Heimat der Juden

Die Geschichte der Juden auf dem amerikanischen Kontinent reicht weit in die Vergangenheit zurück. Bereits auf seiner ersten Amerikareise wurde Christoph Kolumbus von jüdischen Konvertiten begleitet, die vor der Verfolgung durch die Katholischen Könige flohen. Unter ihnen befanden sich auch Ärzte und Dolmetscher, die des Spanischen, Hebräischen und Arabischen mächtig waren. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgten viele deutschsprachige Juden der Einladung Kaiser Maximilians von Mexiko. Auch russische Juden, die in ihrer Heimat verfolgt wurden, wanderten in das lateinamerikanische Land aus sowie Sepharden, die nach dem Fall des ottomanischen Reiches dort Asyl beantragten.

Heutzutage sind auch Juden aus dem syrischen Aleppo Teil dieser multikulturellen Gesellschaft Mexikos. Das Land nahm sie alle auf. Auch jene, die vor der "Verfolgung durch die Nazis flohen und denen Mexiko die Türen öffnete, nachdem die USA sie ihnen verschlossen hatte", erinnerte die mexikanische Schriftstellerin jüdischer Herkunft Sabina Berman.

Grenzanlagen USA Mexiko
Grenzanlage zwischen den USA und MexikoBild: Reuters/M. Blake

Wichtige bilaterale Beziehungen

Laut Angaben des Wirtschaftsministeriums in Mexiko belief sich der bilaterale Handel zwischen dem lateinamerikanischen Land und Israel 2015 auf 841,9 Millionen US-Dollar. Mexiko ist auch ein wichtiger Empfänger für israelische Großinvestitionen. So übernahm der Pharmariese TEVA, der weltweit größte Produzent von Generika, für zwei Milliarden US-Dollar das mexikanische Unternehmen RIMSA. 

Seit jeher pflegen beide Länder kulturelle und soziale Beziehungen. Die jüdische Gemeinschaft in Mexiko umfasst etwa 67.500 Personen. Sie ist die drittgrößte in Lateinamerika nach Argentinien und Brasilien. 

Was sollen die Beleidigungen, wenn die Einheit auf dem Spiel steht? Nicht umsonst beendete der Rabbiner Rittner seinen Brief an Netanjahu mit folgenden Worten: "Ich bin stolz, Jude zu sein, und stolz, Mexikaner zu sein. Dieses Land nahm meine Familie und mich auf und gab mir die Möglichkeit zu wachsen, Wurzeln zu schlagen und in Frieden zu leben. Wir lehnen die Gewalt gegen Einwanderer ab. Auch die USA und Israel öffneten in der Vergangenheit jenen die Türen, die eine Zukunft für ihre Familie suchten. So auch im Falle der Familie des jetzigen Präsidenten Trump."