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IWF: Wachstum mit Risiken

Rolf Wenkel6. Oktober 2015

Der Internationale Währungsfonds hat seinen Ausblick auf die Weltwirtschaft wieder einmal nach unten korrigiert, sieht aber für das kommende Jahr Silberstreifen am Horizont.

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Symbolbild Exporten aus China
Bild: picture-alliance/dpa

IWF-Chefin Christine Lagarde hatte bereits im Vorfeld des Jahresausblicks angekündigt, dass die Juli-Prognose eines weltweiten Wachstums von 3,3 Prozent für das laufende Jahr nicht mehr haltbar sei. Maurice Obstfeld, Nachfolger von Olivier Blanchard als Chefvolkswirt der UN-Institution, sieht das weltweite Wachstum in diesem Jahr nur noch bei 3,1 Prozent nach 3,4 Prozent im Vorjahr. Er rechnet aber schon für das nächste Jahr mit einer kräftigeren Wachstumsrate von 3,6 Prozent.

"Unsere Vorhersage für dieses Jahr ist eine leichte Erholung bei den entwickelten Volkswirtschaften im Vergleich zum Vorjahr, und eine Verlangsamung des Wachstums in den Schwellenländern", so Obstfeld zum Auftakt der Jahrestagung von IWF und Weltbank in der peruanischen Hauptstadt Lima. "Für beide Ländergruppen sehen wir eine wirtschaftliche Erholung im Jahr 2016. Allerdings mussten wir seit unserer Vorhersage im Juli einige Abstriche bei den Wachstumsaussichten machen, weil die Abwärtsrisiken zugenommen haben.

IWF Chefökonom Maurice Obstfeld
Neuer Chefökonom beim IWF: Maurice ObstfeldBild: picture-alliance/dpa/IWF/S. Jaffe

Spannungsfeld der Kräfte

Nach Obstfelds Worten steht die Weltwirtschaft momentan im Spannungsfeld verschiedener Kräfte. "Die Weltwirtschaft scheint zwischen zwei großen Flüssen zu stecken. Der eine ist der Umbau der chinesischen Wirtschaft, der andere ist die Normalisierung der Geldpolitik in den USA. Und wenn die beiden Flüsse zusammenkommen, kann es eine mächtige Flut geben."

Chinas Wirtschaft durchlaufe momentan einen Prozess des Umbaus. Davon profitierten letztendlich sowohl China als auch der Rest der Welt. China wandle sich von einer exportorientierten, investitionsgetriebenen Wirtschaft zu einer Ökonomie, die sich mehr auf Binnennachfrage und mehr Dienstleistungen stützt. Während dieses Prozesses gebe es allerdings niedrigere Wachstumsraten, was auch verständlich und vorhersehbar sei. "Aber dieses langsamere Wachstum hat auch Folgen für Chinas Handelspartner. Zudem hat Chinas nachlassende Nachfrage nach Rohstoffen zu einem Einbruch bei den Rohstoffpreisen weltweit geführt."

Rohstoffe und Risiken

Dieser Verfall der Rohstoffpreise habe nicht nur Auswirkungen auf entwickelte Rohstoff-Produzenten wie Australien, Kanada oder Norwegen, so Obstfeld. "Die dramatischeren Effekte sehen wir in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Diese Ländergruppe generiert inzwischen mehr als die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung und hat einen Löwenanteil am globalen Wachstum." Die ökonomische Wertschöpfung in dieser Ländergruppe wird in diesem Jahr laut Obstfeld von 4,6 Prozent im Vorjahr auf nur noch vier Prozent zurückgehen.

Der zweite große Unsicherheitsfaktor für die Weltwirtschaft sei die künftige Abkehr der US-Notenbank von ihrer ultralockeren Geldpolitik. Die wirtschaftlichen Rahmendaten rechtfertigten eine baldige Anhebung der US-Leitzinsen, so Obstfeld. Allerdings werde dieser Schritt auch Auswirkungen auf die Schwellenländer haben, und diese Wechselwirkungen zählten zu den weiteren Unsicherheiten und Risiken für die Weltwirtschaft.

Kein Einheitsrezept

"Rezepte für die Schwellenländer sind von Land zu Land sehr unterschiedlich", so Obstfeld. "Generell kann man aber sagen, dass sie weitere Strukturreformen angehen und das Geschäftsklima, die Bedingungen für ausländische Investoren verbessern sollten. Eine umsichtige Finanz- und Haushaltspolitik kann sehr hilfreich sein, ebeso wie eine flexible Wechselkurspolitik."

Auch für die Industrieländer hat der Internationale Währungsfonds zum Auftakt seiner Jahrestagung zusammen mit der Weltbank die üblichen Rezepte: "In den entwickelten Volkswirtschaften schleppen viele Länder immer noch die Altlasten der Finanzkrise mit sich herum, da gibt es noch viel zu tun. Dort, wo es keinen Inflationsdruck gibt und die Deflationsrisiken überwiegen, sollte eine lockere Geldpolitik beibehalten werden. Die Eurozone und Japan sind die ersten Kandidaten für solche Empfehlungen."

Länder, die finanziellen Spielraum haben, sollten ruhig eine expansive Wachstumspolitik betreiben. In vielen Industrieländern gebe es auch Bedarf für eine Modernisierung der Infrastruktur. Würden auf diesem Gebiet mehr Investitionen vorgenommen, könnte das die Weltwirtschaft langfristig auf einen höheren Wachstumspfad anheben, so der neue Chefvolkswirt des IWF, der in New York geborene US-Amerikaner Maurice Obstfeld.