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Italien will von EU Geld und Militär

15. Februar 2011

Italien wird mit dem Ansturm tunesischer Flüchtlinge nicht allein fertig. Von der EU-Kommission erbat man 100 Millionen Euro, um die Notlage bewältigen zu können, sowie den Einsatz der Grenzschutzeinheiten Frontex.

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Gruppe von Flüchtlingen, an einen Zaun gelehnt (Foto: ap)
Im Lager oder auch auf der Straße campierend: Frierende Flüchtlinge aus TunesienBild: AP

"Ganz Europa ist betroffen, also muss auch ganz Europa handeln", so der Hilfsappell der italienischen Regierung an die EU-Kommission. Auch wenn sich die Lage auf der Insel Lampedusa derzeit ein wenig entspannt habe, müsse mit zehntausenden weiterer Flüchtlinge aus Tunesien und den Maghreb-Staaten gerechnet werden. Auch aus einzelnen Mitgliedsstaaten der europäischen Union wird die Forderung nach einer fairen Lastenteilung und raschen Absprachen der EU-Innenminister lauter.

Thema für EU-Gipfel?

Zwei Frontex-Soldaten mit Fernrohr Foto: dpa/Archiv)
Frontex-Einheiten sollen Flüchtlinge stoppen: Hier bei der Überwachung der griechisch-türkischen GrenzeBild: picture alliance / dpa

Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi habe EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy telefonisch eindringlich klargemacht, dass es sich um einen Notfall handele, der "die ganze EU betrifft und entsprechend angegangen werden müsse", wurde am Dienstag (15.02.2011) in Rom mitgeteilt. Van Rompuy habe diese Sicht geteilt und zugesagt, das Thema baldmöglichst auf einem Gipfeltreffen der EU anzupacken.

Dissonanzen zwischen Rom und Brüssel

Der italienische Innenminister Roberto Maroni forderte von der EU-Kommission jetzt offiziell den Einsatz der EU-Grenzschutzagentur Frontex sowie Unterstützung in Höhe von 100 Millionen Euro an. Er sah sich aber auch genötigt klarzustellen, dass sich seine Kritik an mangelnder Unterstützung und Bürokratismus der EU nicht gegen Innenkommissarin Cecilia Malmström gerichtet habe. Diese hatte sich gewehrt mit der Erklärung, Rom habe ihre Hilfsangebote für Lampedusa bisher dankend abgelehnt.

Portrait Malmström (Foto: dpa/Archiv)
Die schwedische EU-Innenkommissarin Malmström wies die Kritik Italiens zurückBild: picture alliance/dpa

Italiens Außenminister Franco Frattini war in der Nacht zu einem Kurzbesuch in Tunis eingetroffen, um mit dem tunesischen Regierungschef Mohammed Ghannouchi über die Flüchtlingsfrage und die jüngsten Verstimmungen zwischen den beiden Regierungen zu sprechen. Ein italienischer Vorstoß, eigene Polizisten nach Tunesien zu entsenden, war in Tunis brüsk zurückgewiesen worden.

Der Europarat appellierte an Italien, die tunesischen Flüchtlinge nicht auszuweisen. Es dürfe es keine "massiven Abschiebungen" geben, erklärte der Präsident der Parlamentarierversammlung des Europarats, Mevlut Cavusoglu, am Montag in Straßburg. Die Flüchtlinge müssten den Schutz und die Hilfestellung bekommen, die sie benötigten, forderte der Politiker von der religiös-konservativen türkischen Regierungspartei AKP.

Die menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im Europäischen Parlament, Barbara Lochbihler, kritisierte, Italien habe sich "unfähig und unwillig" gezeigt, "die logistischen Mittel für eine würdevolle Aufnahme und Betreuung der Flüchtlinge bereit zu stellen". Sie forderte, dass auch andere EU-Staaten Flüchtlinge aufnehmen.

Integration oder Abschottung?

In Deutschland verlangten insbesondere SPD und Grüne Solidarität mit Italien und den anderen Mittelmeeranrainern. Die Opposition im Bundestag rief zur Aufnahme der Flüchtlinge auch in der Bundesrepublik auf. Die Integrationskraft werde mit Sicherheit nicht überfordert.

Dringend notwendig sei eine "europäische Quotenregelung", die anerkannte Flüchtlinge am Maßstab der Bevölkerungszahl und der bisherigen Flüchtlingsaufnahme "auf die 27 EU-Länder verteilt", sagte etwa der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy.

"Reformbewegungen auf dem Maghreb als Chance"

Aus dem Berliner Regierungslager hieß es, man müsse sich auf wirtschaftliche Hilfen für die arabischen Staaten in Nordafrika konzentrieren, um deren Bürgern eine Perspektive in ihrer Heimat zu geben. Gerade die neuen Reformbewegungen eröffneten dazu große Chancen.

Gruppe von aufgegriffenen afrikanischen Flüchtlingen (Foto: ap/archiv)
Vor zwei Jahren: Hunderte Flüchtlinge wurden mit ihren Booten gestoppt und zurückgebracht in den libyschen Hafen TripoliBild: AP

Nach dem Sturz von Präsident Zine El Abidine Ben Ali sind in den vergangenen Tagen mehr als 5000 Tunesier auf das kleine Lampedusa geflohen. Im dortigen Auffanglager sind immer noch rund 2000 Migranten provisorisch untergebracht. Das Lager war ursprünglich für 300 Flüchtlinge gebaut worden und hatte bislang in Spitzenzeiten bis zu 800 Menschen aufgenommen. Am Montag waren zunächst keine weiteren Migranten eingetroffen.

Tunesische Sicherheitskräfte hatten ihre Kontrollen in den Häfen wieder aufgenommen. Angestrebt sind offenbar gemeinsame Massnahmen von tunesischer und italienischer Marine vor der nordafrikanischen Küste. Verwiesen wird auf vergleichbare erfolgreiche Patrouillen gemeinsam mit Libyen.

Autor: Siegfried Scheithauer (afp,ap,dpa)
Redaktion: Eleonore Uhlich