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Italien verunsichert die Eurozone

Zhang Danhong26. Februar 2013

Die drohende politische Blockade in Italien nach der Wahl schickt die europäischen Börsen auf die Talfahrt. Ökonomen rechnen mit weiteren Turbulenzen an den Finanzmärkten.

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Im Vordergrund ist im Fernsehen Silvio Berlusconi zu sehen - im Hintergrund eine Graphik des DAX (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Die drittgrößte Volkswirtschaft der Währungsunion steckt in einer tiefen Rezession. Die Wirtschaft wird nach 2012 auch dieses Jahr weiter schrumpfen. Die Arbeitslosigkeit in Italien ist auf über elf Prozent geklettert. Jeder dritte Jugendliche hat keinen Job. Die Italiener sind verunsichert und zweifeln an dem Sinn der Reformen, die der amtierende Ministerpräsident Mario Monti durchgeführt hat. Daraus haben europaskeptische Kräfte politisches Kapital geschlagen. Über die Hälfte der Stimmen gingen an den Ex-Premier Berlusconi und den Komiker Grillo.

Man dürfe nicht Ursache mit Wirkung verwechseln, warnt Nicolaus Heinen, Ökonom bei der Deutschen Bank. "Die hohe Arbeitslosigkeit ist keine Konsequenz der Reformen, sondern eine Konsequenz von über einem Jahrzehnt Misswirtschaft und Reformstau". Im bestehenden System würden die Beschäftigten begünstigt und die Arbeitslosen benachteiligt, so Heinen gegenüber der DW.

Fast alle Italiener von Monti enttäuscht

Das führt dazu, dass sich Kündigungen über Jahre hinziehen könnten und Unternehmen vor Neueinstellung zurückschrecken. Der Reformversuch von Monti scheiterte, da keiner seine Privilegien abgeben wollte. Lob bekam der Wirtschaftsprofessor vor allem aus dem Ausland für seine Erfolge bei der Sanierung der Staatsfinanzen, die er aber vor allem durch Steuererhöhungen und nicht durch Ausgabenkürzungen erreicht habe, sagen Kritiker im Inland. Insofern habe er mit seiner Politik die meisten Italiener enttäuscht, meint Andreas Freytag, Wirtschaftsprofessor an der Universität Jena: "Die einen, die bisher vom System profitiert haben, die ihre Interessen durch die Reformen behindert sehen; und die anderen, die mehr Dynamik wollen, die sind auch enttäuscht."

Prof. Andreas Freytag von der Universität Jena (Foto: privat)
Monti hat seine Landsleute enttäuscht: Andreas FreytagBild: Andreas Freytag

Im Interview mit der DW rechnet Freytag mit einer weiteren Schwächung der Reformansätze, einer weiteren Verlängerung der Krise und einer weiteren Verunsicherung aller Beteiligten. Auch Nicolaus Heinen geht davon aus, dass die politische Unsicherheit in Europa zunehmen werde: "Ich sehe persönlich die Gefahr, dass Reformgegner in anderen Peripheriestaaten dadurch zusätzlichen Aufwind erhalten könnten."

Die Protestwahl fordert ihren Preis

Vor allem aber werde Italien einen hohen Preis für diese Protestwahl zahlen, meint Volker Hellmeyer, Chefvolkswirt bei der Bremer Landesbank: "Wir erkennen in ersten Reaktionen, dass der Aktienmarkt in Italien abgestraft wird, dass Investitionstätigkeit damit abgeschnürt wird." Auch seien die Risikoaufschläge für langjährige italienische Staatsanleihen um mehr als 0,5 Prozent gestiegen, so Hellmeyer im Gespräch mit der DW. Auch Anleihen anderer Krisenländer wie Portugal und Spanien wurden in Mitleidenschaft gezogen.

Dennoch erwartet Nicolaus Heinen von der Deutschen Bank keine Eskalation der Staatsschuldenkrise: "Fakt ist, dass die Lage an den europäischen Staatsanleihenmärkten nicht mit der Lage im Jahr 2010 und 2011 verglichen werden kann. Wir haben mittlerweile eine Europäische Zentralbank, die die Rettung des Euro um jeden Preis zugesagt hat." Gegen die tiefen Taschen der EZB werden Anleger nicht wetten wollen, meint auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt bei der Commerzbank.

Dr. Nicolaus Heinen, Analyst bei der Deutschen Bank (Foto: Deutsche Bank AG)
Die Eurokrise wird nicht eskalieren, meint Nicolaus HeinenBild: Deutsche Bank

Die Haftungsfrage muss geklärt werden

Die EZB kann zwar vorübergehend die Kastanien aus dem Feuer holen, viel wichtiger sei aber, die Haftungsfrage zu klären, sagt Wirtschaftswissenschaftler Freytag: "Wer Schulden aufnimmt, muss selber dafür haften und muss gegebenenfalls auch in die Pleite gehen dürfen oder müssen. Man kann es nicht den Steuerzahlern anderer Länder aufbürden." Dass die Haftung im Laufe der Krise vergemeinschaftet wurde, habe zu Unzufriedenheit, Missverständnissen, Aggressionen innerhalb der Eurozone geführt, so Freytag weiter.

Den Ökonom würde es nicht wundern, wenn die Gemeinschaftswährung letztendlich an der Haftungsfrage zerbricht.