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Spannungen zwischen Italien und Brasilien

10. Juni 2011

Mit "Bitterkeit" hat Italien die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Brasilien zu Kenntnis genommen, den Linksextremisten Cesare Battisti nicht auszuliefern. Das machte Ministerpräsident Berlusconi deutlich.

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Der ehemalige italienische Terrorist Cesare Battisti wird nicht nach Italien ausgeliefert und ist in Brasilien aus der Haft entlassen worden (Foto: AP)
"Ein freier Mann": der ehemalige italienische Terrorist Cesare BattistiBild: AP

Die italienische Regierung hat die Freilassung des ehemaligen Terroristen Cesare Battisti scharf kritisiert und angekündigt, vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Berufung einzulegen. "Mit größtem Bedauern" hat Ministerpräsident Silvio Berlusconi das Urteil zur Kenntnis genommen. "Die gerechtfertigten Erwartungen Italiens und vor allem der Angehörigen der Opfer Battistis" würden in der Entscheidung des Gerichts nicht berücksichtigt, sagte Berlusconi.

Außenminister Franco Frattini kündigte an, Italien werde alle verfügbaren juristischen Mittel ausschöpfen, um die Entscheidung rückgängig zu machen, "bis hin zum Gang vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag". Rom will demnach eine Revision der Entscheidung erreichen, die nicht mit dem allgemeinen Rechtsempfinden im Einklang stehe noch den Verpflichtungen des internationalen Rechts entspreche, hieß es aus italienischen Regierungskreisen.

Die höchstrichterliche Entscheidung aus Brasilien "beleidigt das Recht auf Gerechtigkeit der Opfer der Verbrechen von Battisti" und steht im Widerspruch zu den zwischen Brasilien und Italien bestehenden Abkommen. Vertreter der Hinterbliebenen forderten einen Boykott der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien sowie eine sofortige Unterbrechung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern. "Die Würde Italiens verteidigt man nicht mit einem Florett, sondern mit dem Schwert", kommentierte Alessandra Mussolini, Mitglied von Berlusconis Regierungspartei Il Populo della Liberta (Volk der Freiheit).

Seit 2007 in Haft

Ministerpräsident Silvio Berlusconi will vor den Internationalen Strafgerichtshof ziehen (Foto: AP)
Ministerpräsident Silvio Berlusconi will vor den Internationalen Strafgerichtshof ziehenBild: AP

Das Gericht bestätigte mit seinem Urteil eine Entscheidung von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Am 31. Dezember 2010, seinem letzten Amtstag, hatte Lula eine Überstellung Battistis nach Italien abgelehnt und damit eine diplomatische Krise zwischen beiden Ländern ausgelöst. Die Mehrheit der Richter wertete die letzte Entscheidung, ob Battisti ausgeliefert wird oder nicht, als souveränen Akt der Exekutive. Dies könne nicht von einem Gericht entschieden werden.

Battisti war 1993 in Italien in Abwesenheit zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Ihm wurde zur Last gelegt, als Gründungsmitglied der Gruppe "Bewaffnete Proletarier für den Kommunismus" Ende der 1970er Jahre an vier Morden in Italien beteiligt gewesen zu sein. Der heute 56-jährige Battisti hingegen streitet die Beteiligung an den Morden ab. Er sei unschuldig und ein Opfer politischer Verfolgung durch die italienischen Behörden, so der mutmaßliche Terrorist.

Nach dem Ausbruch aus einem italienischen Gefängnis war Battisti zunächst nach Mexiko geflohen. Später fand er im Schutz der sogenannten "Mitterrand-Doktrin" jahrelang in Frankreich Asyl. Als es dort einen Politikwechsel gab, floh er erneut. 2004 ging Battisti nach Brasilien, wo er drei Jahre später festgenommen wurde.

Machtkampf in Brasilien

Der frühere brasilianische Präsident Luis Inacio Lula da Silva (Foto: DW)
Lulas letzte Amtshandlung war die Ablehnung der Auslieferung von Battisti nach ItalienBild: DW

Die Freilassung Battistis am Donnerstag hat nicht nur zu erneuten Spannungen zwischen Brasilien und Italien geführt, sondern auch in Brasilien einen Konflikt zwischen der Regierung und der Justiz ausgelöst. Beide Seiten hatten im Zuge des Verfahrens in der Vergangenheit gegensätzliche Positionen vertreten.

Im Januar 2009 hatte der damalige brasilianische Justizminister Tarso Genro Battisti den Status eines politischen Flüchtlings zuerkannt. Dadurch wurde seine Auslieferung nach Italien verhindert. Im November desselben Jahres hat das Oberste Bundesgericht den Flüchtlingsstatus jedoch wieder aufgehoben und die Entscheidung an Präsident Lula da Silva weitergereicht.

Im Dezember 2009 schließlich änderte das Gericht erneut seinen Standpunkt und forderte von der brasilianischen Regierung, das Auslieferungsabkommen mit Italien müsse respektiert werden. Ein Jahr später jedoch entschied Präsident Lula, dass Battisti in Brasilien bleiben könne und nicht nach Europa überstellt werde.

Anfang 2011 dann stellte sich der Oberste Gerichtshof in dieser Angelegenheit gegen den scheidenden Präsidenten Lula und ordnete an, dass Battisti weiterhin in Haft bleiben müsse, bis der Fall abschließend vom Gericht entschieden sei. Diese Entscheidung ist am Donnerstag gefallen. Der in Italien wegen mehrfachen Mordes verurteilte Battisti konnte die Haftanstalt in Brasília in der Nacht zum Donnerstag verlassen. "Von jetzt an ist er ein freier Mann", sagte sein Anwalt Luís Roberto Barroso.

Autor: Marcio Damasceno (lusa/afp/dpa)

Redaktion: Mirjam Gehrke