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Ist die Zentralbank juristisch zu stoppen?

Daphne Grathwohl9. September 2012

In Deutschland stoßen die Pläne der EZB, Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe aufzukaufen, auf Kritik. Auch ein Gang vor den Europäischen Gerichtshof steht im Raum. Allerdings wäre das gar nicht so einfach.

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Angeschnittenes Porträt des Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi (Foto:Michael Probst/AP/dapd)
Bild: AP

Politiker der Regierungsparteien diskutieren öffentlich über eine Klage gegen die Europäische Zentralbank (EZB). Der CSU-Politiker und Euro-Kritiker Peter Gauweiler hatte schon in seinem Kampf gegen die Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM mehrfach das Bundesverfassungsgericht bemüht. Am Wochenende reichte er in Karlsruhe nun einen weiteren Eilantrag ein, um den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen der Euro-Krisenländer stoppen. Dabei zielt Gauweiler aber erneut auf den ESM, um die Zentralbank zu stoppen.

Bürger haben kaum eine juristische Handhabe

Grundsätzlich kann man gegen Handlungen der EZB eine Nichtigkeitsklage am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg erheben. Das besagt Artikel 263 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Bürgern und Vereinigungen - also zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen - steht diese Möglichkeit nur in ganz bestimmten Fällen zu.

Zunächst einmal muss die EZB gehandelt haben, es muss also ein Rechtsakt mit verbindlicher Wirkung nach außen vorliegen. So sind gegen bloße Empfehlungen und Stellungnahmen der EZB keine Klagen zulässig.

Wer ist unmittelbar betroffen?

Die Klage eines Einzelnen ist dann einerseits möglich, wenn sich die Handlung, gegen die sich der Kläger wendet, nach Artikel 263 Absatz 4 AEUV an ihn richtet oder ihn unmittelbar und individuell betrifft. Das heißt, sie müsste sich direkt auf den Kläger und seine Rechtsstellung auswirken und ihn, wie es in der Rechtsprechung heißt, "aufgrund tatsächlicher Umstände" aus dem "Kreis aller übrigen Personen herausheben".

Dies wird durch den EuGH seit langem sehr restriktiv gehandhabt, anders als etwa die Möglichkeiten, gegen Europaverträge vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, erklärt der Europarechtler Franz Mayer von der Universität Bielefeld. Ob eine Einzelperson durch die Pläne der EZB in dieser Weise herausgehoben betroffen ist, ist in diesem Fall mehr als fraglich.

Ein Bürger kann außerdem klagen, wenn die Handlung ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter ist, der den Kläger unmittelbar und ohne zwischengeschaltete Durchführungsmaßnahmen betrifft. Das sind dem EuGH zufolge alle allgemeingültigen Rechtsakte mit Ausnahme von Gesetzgebungsakten. Diese Variante ist nach Angaben des EuGH in der Rechtsprechung aber noch nicht abschließend geklärt.

Klage durch die Bundesbank?

Europarechts-Experte Franz Mayer verweist allerdings darauf, dass auch eine nationale Zentralbank klagen könnte, sofern sie in der Form von den Handlungen der Europäischen Zentralbank "betroffen" ist wie zuvor beschrieben.

Porträt von Prof. Dr. Franz Mayer, Völker- und Europarechtler an der Universität Bielefeld. (Foto: privat)
Franz Mayer, Völker- und Europarechtler an der Universität BielefeldBild: privat

Auch das Europäische Parlament, der Rat und die EU-Kommission können gegen Handlungen der EZB klagen.

Wenn ein Mitgliedsstaat gegen Handlungen der EZB vorgehen wollte, könnte er ebenfalls Nichtigkeitsklage am EuGH in Luxemburg erheben. Es sieht derzeit allerdings nicht so aus, als würde ein Mitgliedsstaat gegen die gerade vereinbarten Pläne Klage erheben. Die Kritik an der Politik der EZB kommt überwiegend aus Deutschland. Dagegen hat sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag (07.09.2012) ausdrücklich hinter den Aufkauf von Staatsanleihen gestellt.